TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/26 89/06/0103

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Veröffentlicht am 26.04.1990
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;

Norm

BauRallg;
RPG Vlbg 1973 §19 Abs6 lita;
RPG Vlbg 1973 §2 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §2 Abs2;
RPG Vlbg 1973 §21;

Betreff

Gemeinde N gegen Vorarlberger Landesregierung vom 9. Mai 1989, Zl. VIIa-310.82 betreffend die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde beschloß am 19. September 1987 eine Änderung des Flächenwidmungsplanes betreffend das Grundstück Nr. 194/1, KG N, im Ausmaß von 1500 m2 (Eigentümer FT) durch Umwidmung von "Freifläche - Landwirtschaftsgebiet" in "Baufläche - Wohngebiet". Mit Schreiben vom 29. September 1987 ersuchte die Gemeinde um die aufsichtsbehördliche Genehmigung dieser Maßnahme.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens ergab sich, daß auch HT als Eigentümer des Grundstückes Nr. 193/1, KG N, im Ausmaß von rund 1800 m2, eine derartige Umwidmung in Baufläche anstrebt.

Mit Schreiben vom 31. August 1988 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin u.a. ein Gutachten des geologischen Amtssachverständigen vom 16. November 1987. In diesem heißt es, die Grundstücke seien südlich der Litz auf Hangverebnungen situiert, wobei das Grundstück Nr. 194/1 in der Kehre der Zufahrtsstraße liege, während das Grundstück Nr. n sich oberhalb der Zufahrtsstraße befinde, wo früher eine Heuhütte gestanden sei, deren Ruinen man noch sehen könne. Wegen der Bodenbeschaffenheit sei eine Versickerung von Abwässern größerer Menge von Dachflächen usw. nicht möglich bzw. könne dies Hanggleitungen auslösen. Der Amtssachverständige gelangte aber zu dem Ergebnis, es sei dennoch eine Bebauung unter verschiedenen Auflagen, insbesondere hinsichtlich der Abwasserableitung, möglich. Der Amtssachverständige für Raumplanung führte in seinem Gutachten aus:

"Die Gp. 194/1 liegt, deutlich hängig, in einer sehr schmalen, fast dreieckigen (30 bis 0 m breiten) Innenkurve im oberen Bereich des Güterweges X; ihre Verbaubarkeit wäre infolge ungünstigem Grundstückszuschnitt daher deutlich erschwert. Zumindest müßte der oberste Streifen der Gp. p, soweit diese oberhalb des Güterweges liegt, der 194/1 zugeschlagen werden.

Dieser Änderungsbeschluß ist jedoch unabhängig von der örtlichen Eignung der Fläche im Zusammenhang mit den Auflösungserscheinungen des ehemaligen väterlichen Hofes Y zu wägen. Neben der Gp. 194/1, die Bruder A, und neben dem überkommenen Wohnhaus (Bp. 596), das vermutlich Bruder B übernehmen soll, ist hieramts ein zusätzlicher Bauplatz, die Gp. n, bekannt, die Bruder C zugeteilt scheint. Die übrigen Wiesen sind verpachtet, eine Landwirtschaft wird nicht mehr betrieben. Auch die Gp. n, die oberhalb der 194/1 liegt, ist ungünstig stiefelartig geformt, Schaftbreite ca. 23 m, mit kupierter Oberfläche; die eingeschlossene Bp. 57/2, ein ehem. Stall, ist im Gelände noch erkennbar. Die Teilung der n sei 1984, vor Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes, bewilligt worden.

Unterhalb von beiden Bauflächenwünschen hat sich seit Jahren ein forstrechtlich zweifellos geltender Wald (auf Gpn. o, p und r, Ausmaß fast 2 ha) ausgebreitet. Zusammen mit der lockeren Baumgruppe westlich des ehem. Hofgebäudes Y wirkt die Örtlichkeit der Gpn. n und 194/4 daher der freien Landschaft zugeordnet und fast völlig abgesondert von den Bauflächen im X. Beide Bauplätze sind für Verbauungszwecke bzgl. Zuschnitt schlecht und bzgl. mittelstark bewegtem Gelände erschwert verbaubar; verkrampfte gestalterische Lösungen sind daher zusätzlich wahrscheinlich. Die ausgesprochene Schattenlage beeinträchtigt die Wohnwerte eindeutig.

Wegen ausgeprägter Lageungunst und wegen Verschleppung von Zersiedlungserscheinungen in die letzten Winkel sind Siedlungssplitter oberhalb des ehemaligen Hofes Y daher raumplanerisch negativ. Die Gemeinde wird gebeten, von der Widmung solcher Bauflächen abzusehen."

Am 18. Jänner 1989 beharrte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Beschlußfassung ihrer Gemeindevertretung vom 21. Dezember 1988 auf der Umwidmung der Grundstücke von "Freifläche - Landwirtschaftsgebiet" in "Baufläche - Wohngebiet".

In den Verwaltungsakten findet sich hiezu ein Aktenvermerk vom 20. Februar 1989, wonach weitere Amtssachverständige der Abteilung für Raumplanung die Schlußfolgerungen des Amtssachverständigen vom 31. August 1988 voll bestätigten und auch Bedenken aus der Sicht des Landschaftsschutzes vorbrachten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die aufsichtsbehördliche Genehmigung der angeführten Änderungen des Flächenwidmungsplanes in Ansehung der Grundstücke Nr. 194/1 und 193/1 gemäß § 19 Abs. 6 lit. a in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973 (RPG), versagt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde aus, die Ausführungen der Amtssachverständigen seien von der Beschwerdeführerin nie bestritten worden und bildeten die Grundlage des Bescheides. Der Flächenwidmungsplan sei am 18. Dezember 1985 genehmigt worden und als letzter aller Flächenwidmungspläne in Vorarlberg in Kraft getreten. Schon aus dem damals mit der Genehmigung übermittelten Bericht gehe hervor, daß der Flächenwidmungsplan als Kompromiß hinzunehmen sei. Die sachlichen Interessen der Raumplanung, die nach Lehre, Gesetz und Praxis gegen jede Art der Zersiedelung ausgerichtet sind, seien hier auf besonders harte Widerstände gestoßen. Die Ursachen der Schwierigkeiten für raumplanerische Bemühungen lägen weit gestreut: In der Topographie, im Klima (Schatten und Kälte in erschließbaren Tallagen, Sonne am oberen Hang), in der hier fast absoluten Immobilität bzw. Hortung des Bodens; in der landschaftsbildlichen Schönheit der Wohnlagen am "Berg" und daraus

folgend mit einer gewissen Heimatverbundenheit; .... Die geübte

Teilung von Grund und Boden verleite zur endgültigen Zerschlagung in nicht lebensfähige Einheiten. Es gehe nicht an, auch in Zukunft splitterhaftes Siedlungsdenken weiterzuführen. Als Ergebnis des seinerzeitigen Kompromisses weise der Flächenwidmungsplan ca. 15 Bauzonen aus. Dies seien in sich abgeschlossene, oft kleinräumige Bereiche, die als "Baufläche - Wohngebiet" oder "Baufläche - Mischgebiet" gewidmet seien. Daneben seien noch zahlreiche Einzelbauflächen (ca. 25) für einzelne Objekte gewidmet. Durch Genehmigung der nunmehr beschlossenen Umwidmung würde eine weitere abgesetzte Bauzone im Ausmaß von rund 3500 m2 in schattiger Nordlage geschaffen. Die Gemeinde sei von einer Zersiedelung geprägt mit den als negativ zu beurteilenden Folgeerscheinungen (landschaftsbildliche Beeinträchtigungen, hohe Erschließungskosten, Erschwerung der Bewirtschaftbarkeit landwirtschaftlicher Flächen usw.). Die vorliegende Änderung würde die Zersiedelungstendenzen verstärken, obwohl vorrangiges Ziel der Raumplanung sei, die Zersiedelung einzudämmen. Die gegenständlichen Grundflächen seien im Kanalisationsprojekt nicht ausgewiesen. Sie müßten, wie das geologische Gutachten zeige, kanalmäßig in aufwendiger Weise erschlossen werden. Auch wenn diese Probleme lösbar seien, so zeige sich an ihnen doch die grundsätzliche Problematik in derart abgelegenen Bereichen. Eine solche Änderung sei kein Planungsakt der vorausschaubaren Gesamtgestaltung eines Gebietes im Hinblick auf eine geordnete Siedlungsentwicklung. Sie diene nur der Befriedigung gerade aktueller Bauwünsche. Sie widerspreche schon der allgemeinen Zielsetzung der Raumplanung nach § 2 Abs. 1 RPG, wonach der Raum so zu nutzen und zu gestalten sei, daß eine geordnete Entwicklung des Landes unter Bedachtnahme auf seine natürlichen und geschichtlich gewordenen Verhältnisse gewährleistet werde. Derartige Splitterwidmungen ermöglichen keine geordnete Entwicklung. Auf die vorhandene Streubesiedelung sei bereits bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes weitgehend Bedacht genommen worden. Es gehe nicht an, weitere Siedlungssplitter zu schaffen. Es müsse getrachtet werden, bestehende Siedlungsgebiete abzurunden. Im einzelnen widerspreche die Umwidmung den Zielsetzungen nach § 2 Abs. 2 lit. b RPG, wonach die Ziele der Raumplanung auch im Schutz der Umwelt, insbesondere durch möglichste Schonung des Naturhaushaltes und der Landschaft vor nachteiligen Veränderungen, durch Erhaltung und Pflege des Landschafts- und Ortsbildes bestehe. Eine derart nachteilige Veränderung sei nicht nur allgemein durch die Verschleppung der Zersiedelung in diesem von den Bauflächen im Bereich X deutlich abgegrenzten Bereich gegeben, sondern auch dadurch, daß infolge der erschwerten Bebaubarkeit der Grundstücke eine ungünstige Baugestaltung zu befürchten sei. Weiters sei wegen der Schattenlage von einem Widerspruch zu den Zielsetzungen nach § 2 Abs. 2 lit. c RPG auszugehen, wonach die Ziele der Raumplanung in der Sicherung der räumlichen Voraussetzungen für gesunde Lebensbedingungen bestehen. Gemäß § 19 Abs. 6 lit. a in Verbindung mit § 21 Abs. 2 RPG sei die Genehmigung zu versagen, wenn die Änderung den im § 2 leg. cit. genannten Zielen widerspreche. Es sei somit dieser Versagungsgrund gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973, von

Bedeutung:

"§ 21

(1) Der Flächenwidmungsplan darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern

a)

bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder

b)

bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.

(2) Für das Verfahren bei Änderungen des Flächenwidmungsplanes gelten - ausgenommen im Falle des § 18 Abs.

2 - die Vorschriften des § 19 sinngemäß. ...."

"§ 19

....

(6) Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat nach Prüfung der gemäß Abs. 5 vorgelegten Äußerungen, Änderungsvorschläge und Stellungnahmen die Genehmigung durch Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan

a) den im § 2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,

...."

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei bei der Versagung davon ausgegangen, den betroffenen Grundstücken fehle die grundsätzliche Eignung als Baufläche, erweist sich, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, als unzutreffend. Die belangte Behörde hat lediglich in Übereinstimmung mit den Ermittlungsergebnissen dargelegt, daß aus den von den Amtssachverständigen genannten Gründen eine erschwerte Bebaubarkeit der Grundstücke gegeben ist. Die Beschwerdeführerin selbst weist in der Beschwerde auf die verschiedenen Schwierigkeiten für den Fall einer Bebauung hin.

Die belangte Behörde hat, gestützt auf die Gutachten der Amtssachverständigen, insbesondere des Amtssachverständigen für Raumordnungsfragen, denen die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten ist, ausführlich und schlüssig dargelegt, daß die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes den Zielen des § 2 RPG widerspricht, und zwar insbesondere im Hinblick auf die damit verbundene weitere Zersiedelung. Sie würde, wie dies auch dem Flächenwidmungsplan zu entnehmen ist, einen weiteren Siedlungssplitter in dem von Bauflächen im Bereich X deutlich abgegrenzten Raum ergeben. Mit dem Hinweis darauf, daß in der Gemeinde Streusiedlungscharakter bestehe, zumal schon derzeit ca. 15 Bauzonen und 25 Einzelbauflächen vorhanden seien, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil auf vorhandene Bestände schon bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes Bedacht genommen wurde, dies aber nicht nach sich zieht, daß nunmehr regelmäßig neue Siedlungssplitter geschaffen werden können. Daß etwa keine unbebaute Baufläche mehr zur Verfügung stünde, hat selbst die Beschwerdeführerin nicht zu behaupten vermocht. Des weiteren wurde von der belangten Behörde mit Recht darauf verwiesen, daß es den Zielen einer geordneten Raumplanung entspricht, nicht neue Bauflächen fernab vom bestehenden Baugebiet anzureißen, sondern bestehende abzurunden.

Im übrigen darf nach § 21 Abs. 1 RPG ein Flächenwidmungsplan nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Die Bauwünsche einzelner Personen, ihre Grundstücke als Bauland gewidmet zu erhalten, mögen verständlich sein, stellen aber für sich noch keinen wichtigen, eine Widmungsänderung rechtfertigenden Grund im Sinne des Gesetzes dar. Müßte doch andernfalls den Bauwünschen jedes Grundeigentümers entsprochen werden. Dasselbe gilt für das im übrigen in der Beschwerde erstmals enthaltene Vorbringen, es müsse der "Landflucht" entgegengesteuert werden. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt keinesfalls eine ungeordnete Verbauung.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 26. April 1990

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060103.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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