TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/8 88/07/0147

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Index

L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AgrVG §1;
AgrVG §2 Abs2;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
FlVfLG OÖ 1979 §102 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §35 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §35 Abs4;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs1;

Betreff

KO gegen Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. September 1988, Zl. Bod-4151/10-1988, betreffend agrarbehördliche Genehmigung einer Vereinbarung (mitbeteiligte Parteien: 1. JA, 2. MA, beide in, 3. JB in,

4. JH in, 5. GV, 6. MV, beide in, 7. Agrargemeinschaft WAlm.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.490,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die Agrargemeinschaft WAlm (früher: Walpe) umfaßt die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften EZ 144, 150 und 159, jeweils KG S. Mit Erkenntnis der k.k. Landes-Kommission für agrarische Operationen in Linz vom 13. März 1913 wurde für die auf der genannten Alpe bestehenden Benutzungs- und Verwaltungsrechte das Regulierungsverfahren im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1909, LG u VBl. Nr. 36, eingeleitet. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Unter dem Datum 2. Dezember 1913 erließ der k.k. Lokalkommissär für agrarische Operationen in G gemäß § 75 des vorgenannten Gesetzes das "Register der Anteilsrechte betreffend die WAlpe mit BAlpe", mit dem unter Punkt III. die berechtigten Güter und deren Anteile im einzelnen wie folgt festgelegt wurden:

    "Lgut" S               Nr. 36    8/34

    "Hgut" A               Nr. 10    8/34

    "P" P                  Nr. 31    8/34

    "B" A                  Nr. 5     5/34

    "C" P                  Nr. 19    5/34

Eigentümer der genannten anteilsberechtigten Liegenschaften

sind derzeit:

"Lgut": JA und MA (erst- und zweitmitbeteiligte Partei) "Hgut": GV und MV (fünft- und sechstmitbeteiligte Partei) "PGut": KO (der Beschwerdeführer)

"B" (nunmehr L): JB (drittmitbeteiligte Partei) "C": JH (viertmitbeteiligte Partei)

Auch dieser Bescheid ("Register der Anteilsrechte") ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.

Das mit Bescheid vom 13. März 1913 eingeleitete Regulierungsverfahren ist nach wie vor bei der Agrarbehörde anhängig. Ein Regulierungsplan wurde bisher nicht erlassen.

2. Im Rahmen der am 9. November 1958 abgehaltenen "Almsitzung" haben Mitglieder der Agrargemeinschaft folgende "Vereinbarung bzw. Beschluß" gefaßt:

"Die bisher zusätzlich getroffene Vereinbarung, daß die zwei Mitbesitzer der Almgenossenschaft WAlm, C und N wirtschaftlich, d.h. nur in der Nutzung (nicht aber im Grundausmaß) nicht gleichberechtigt sind, wird mit der heutigen Sitzung und Beschluß geändert, und zwar so, daß sich die drei Besitzer der WAlm Herr KW, GV und HO dahin geeinigt haben, in Hinkunft alle gleiche Rechte in jeder Beziehung sowie auch Verpflichtungen haben. Alle Besitzer auch der bisher kleineren Anteile sind zu je 1/5-Anteile der WAlm in allen Belangen gleichberechtigt. Die Agrarbehörde in Linz wird gebeten, diesen Beschluß zur Kenntnis zu nehmen und die Durchführung zu veranlassen.

T, den 9.11.58

HO

KW

GV

Die bisher kleiner berechtigten Besitzer werden verständigt und

nehmen dies zur Kenntnis.

FH

JB

Nach Ausweis der Akten wurde das Original dieser Vereinbarung der Agrarbezirksbehörde Linz (ABB) übermittelt, ist dort am 11. November 1958 eingelangt und von dieser Behörde mit dem mit 22. November 1958 datierten Vermerk "einlegen" versehen worden. Eine bescheidmäßige Erledigung ist nicht erfolgt.

3. In einem unter dem Datum 13. März 1986 abgefaßten Schriftstück haben die dritt-, die viert- und die fünftmitbeteiligte Partei (letztere auch für die Sechstmitbeteiligte) sowie der Beschwerdeführer "ausdrücklich und unwiderruflich" erklärt, daß sie "unbeschadet anderer Vereinbarungen" das Register der Anteilsrechte vom 2. Dezember 1913 "als Ausmaß ihres Eigentumsrechtes an den angeführten Liegenschaften EZ 144, 150 und 159, je KG S, einkommend im Grundbuch des BG I, ausdrücklich anerkennen und sich verpflichten, eine solche Erklärung auch ohne Einschränkung bei der Agrarbezirksbehörde Linz abzugeben". Nach Lage der Akten wurde diese Vereinbarung nicht zum Gegenstand eines Genehmigungs-Antrages gemacht. Dementsprechend ist auch insoweit eine bescheidmäßige Erledigung seitens der ABB nicht ergangen.

4. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1988 richtete der Beschwerdeführer an den Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung (LAS) einen "Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG". In diesem Antrag führte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Begehrens im wesentlichen folgendes aus: Die von Mitgliedern der Agrargemeinschaft WAlm beantragte Zurkenntnisnahme des Beschlusses (der Vereinbarung) vom 9. November 1958 und "dessen Veranlassung" durch die ABB sei bis heute nicht erfolgt. Die ABB, bei der die Vereinbarung am 11. November 1958 eingelangt sei, sei verpflichtet gewesen, über diesen Antrag ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Die Säumigkeit der ABB sei weder durch gesetzliche oder durch unüberwindliche Hindernisse noch durch Verschulden einer Partei verursacht worden. Dies ergebe sich eindeutig daraus, daß die bei der ABB am 11. November 1958 eingelangte Vereinbarung unter Zl. 4054/11 registriert und ohne Entscheidung über diesen Antrag lediglich mit der Verfügung "Rücksprache durchgeführt, einlegen, 22.11.1958" erledigt worden sei. Es liege ausschließliches Verschulden der ABB vor. Der Beschwerdeführer sei aufgrund des mit Fritz W. als Verkäufer geschlossenen Kaufvertrages vom 21. November 1972 Rechtsnachfolger der Anteilsrechte gemäß Punkt III ("PGut": 8/34-Anteile) des "Registers der Anteilsrechte" vom 2. Dezember 1913. Der Beschwerdeführer sei deshalb auch als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht legitimiert, da seine Rechtslage durch den ausständigen Bescheid einer Veränderung ausgesetzt sei. Da die "sogenannte Vereinbarung in der Niederlegung vom 9.11.1958 nichtig und daher rechtsunwirksam ist, wird der Beschluß der Mitglieder der WAlmgemeinschaft vom 9.11.1958 von der Behörde nicht zur Kenntnis zu nehmen, nicht zu genehmigen und seine Durchführung nicht zu veranlassen sein". Abschließend stellte der Beschwerdeführer an den LAS den Antrag, "die von den Mitgliedern der WAlmgemeinschaft am 9.11.1958 in der Almversammlung getroffene Vereinbarung nicht zur Kenntnis zu nehmen, nicht zu genehmigen und als nichtig aufzuheben".

5. Mit Bescheid vom 29. September 1988 entschied der LAS (die belangte Behörde) über den am 20. Juni 1988 eingebrachten Devolutionsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 1 und § 2 Abs. 2 AgrVG 1950, § 73 AVG 1950, § 35 Abs. 1 und 4, § 90 Abs. 1 sowie § 102 Abs. 1 des O.ö. Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 73 (FLG), wie folgt:

"Dem Devolutionsantrag wird Folge gegeben und in der Sache wie folgt entschieden:

Die von Mitgliedern der Agrargemeinschaft WAlm am 9.11.1958 getroffene und durch späteres konkludentes Verhalten der Anteilsberechtigten rechtswirksam gewordene Vereinbarung über das Ausmaß der Anteilsrechte in der Agrargemeinschaft WAlm wird agrarbehördlich genehmigt.

Der diesem Ausspruch entgegenstehende Antrag des KO wird als unbegründet abgewiesen."

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - aus, der in der Vereinbarung vom 9. November 1958 enthaltene Satz: "Die ABB wird gebeten, diesen Beschluß zur Kenntnis zu nehmen und die Durchführung zu veranlassen." sei als Antrag zu werten, der eine bescheidmäßige Erledigung erfordere. Eine stillschweigende Genehmigung einer Vereinbarung durch die Behörde komme nicht in Betracht, es sei denn, daß eine Vereinbarung vor der Behörde abgeschlossen und von dieser in einer Niederschrift festgehalten werde, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Der mit dem Devolutionsantrag des Beschwerdeführers gekoppelte Sachantrag, nämlich die Vereinbarung vom 9. November 1958 nicht zu genehmigen, betreffe trotz seiner Formulierung dieselbe Sache wie der unerledigte Antrag vom 9. November 1958. Die formellen Voraussetzungen für den Übergang der Zuständigkeit seien somit zu bejahen. Allerdings sei der Übergang der Zuständigkeit nur in jener Angelegenheit eingetreten, die im Devolutionsantrag umschrieben worden sei, also nicht bezüglich des noch anhängigen Regulierungsverfahrens und des mit Eingabe vom 12. März 1987 bei der ABB gestellten Antrages.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden und deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

7. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die dritt- und die viertmitbeteiligte Partei hat jeweils eine Gegenschrift eingebracht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht nach § 73 Abs. 2 leg. cit. auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

2. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß jene Mitglieder der Agrargemeinschaft, welche die Vereinbarung vom 9. November 1958 geschlossen haben, bei der ABB einen Antrag auf Genehmigung dieses Übereinkommens gestellt haben, weiters, daß dieses Begehren keine bescheidmäßige Erledigung erfahren hat, und schließlich, daß der Beschwerdeführer als Partei des Verwaltungsverfahrens rechtens in der Lage sei, einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das genannte Begehren ex 1958 zu stellen.

3.1. Was die vorerst zu lösende Frage der Zulässigkeit des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 17. Juni 1988 anlangt, so pflichtet der Gerichtshof der belangten Behörde, die insoweit mit dem Beschwerdeführer übereinstimmt, bei, daß dieser als Partei des Verwaltungsverfahrens betreffend den Antrag auf Genehmigung des Übereinkommens vom 9. November 1958 anzusehen ist. Dies im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer in Ansehung der an der WAlm anteilsberechtigten Stammsitzliegenschaft "PGut" die Stellung eines (Einzel-)Rechtsnachfolgers nach HO - dieser war in seiner Eigenschaft als damaliger bücherlicher Eigentümer des "PGutes" einer der drei Unterzeichner der genannten Vereinbarung und die agrarbehördliche Genehmigung derselben begehrender Antragsteller - zukommt.

3.2. Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Beschwerdeführer meint - ein "rechtlich tauglicher Antrag (auf Genehmigung des Übereinkommens) überhaupt nicht eingebracht worden ist", weil er nicht von allen "Miteigentümern" gestellt worden sei. Die Frage einer rechtswirksamen Antragstellung könnte im gegebenen Zusammenhang nur dann von rechtlicher Relevanz sein, wenn das Übereinkommen vom 9. November 1958 rechtswirksam zustande gekommen wäre.

Letzteres trifft indes nicht zu: Wie der Formulierung der Sachentscheidung im angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, ging die belangte Behörde selbst nicht davon aus, daß die in Rede stehende Vereinbarung - auch unter Einbeziehung der "bisher kleiner berechtigten Besitzer" - von allen Mitgliedern der Agrargemeinschaft WAlm abgeschlossen und damit rechtswirksam geworden ist. Wäre doch andernfalls die Wendung

"von Mitgliedern ... getroffene und durch späteres konkludentes

Verhalten der Anteilsberechtigten rechtswirksam gewordene Vereinbarung" nicht verständlich. Mit der hier vertretenen Auslegung des Spruches stimmt die Begründung des bekämpften Bescheides insofern überein, als dort (Seite 15) für das Zustandekommen der Vereinbarung entscheidend auf das "schlüssige Verhalten aller legitimierten Anteilsberechtigten in den Folgejahren" abgestellt wurde, welches "einer übereinstimmenden Erklärung des Willens nach außen hin gleichkommt" und dem "keine andere Bedeutung als jene der stillschweigenden Zustimmung zu gleich hohen Anteilsrechten beigemessen werden (kann)".

Damit ist die belangte Behörde einem Rechtsirrtum unterlegen. Die agrarbehördliche Genehmigung einer Vereinbarung des Inhaltes, daß die Anteilsrechte der Stammsitzliegenschaften an einer Agrargemeinschaft geändert werden, wirkt mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung oder vertraglichen Vereinbarung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (ex tunc-Wirkung). Daraus folgt, daß - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - bereits zu diesem Zeitpunkt die Willensübereinstimmung sämtlicher Eigentümer aller Stammsitzliegenschaften vorliegen muß. Das Fehlen dieser essentiellen Voraussetzung für ein rechtswirksames Zustandekommen einer Vereinbarung der beschriebenen Art kann nicht durch nachträgliches konkludentes Verhalten eines oder einzelner Eigentümer anteilsberechtigter Liegenschaften ersetzt werden.

4. Da sohin die belangte Behörde - offensichtlich unter Zugrundelegung einer verfehlten Rechtsansicht - vom Vorliegen einer rechtswirksamen Vereinbarung über die Änderung der Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft WAlm ausging, obwohl ein solches Übereinkommen nicht vorlag, und es solcherart an einem tauglichen Substrat der von ihr ausgesprochenen agrarbehördlichen Genehmigung mangelte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Beilagengebühren lediglich für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988070147.X00

Im RIS seit

08.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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