Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;Betreff
O gegen Landesarbeitsamt Kärnten vom 1. März 1990, Zl. IV al 7022 B, betreffend Rückzahlung unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes gemäß § 25 AlVG
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer, der bis 1. September 1989 als Dreher und Arbeitsvorbereiter in Beschäftigung stand, beantragte am 4. September 1989 beim Arbeitsamt Klagenfurt Arbeitslosengeld. Unter Berücksichtigung eines Ruhens des Arbeitslosengeldes wegen Gewährung von Urlaubsentschädigung gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG 1977 vom 2. bis 10. September 1989 erfolgte eine antragsgemäße Zuerkennung ab 11. September 1989. Am 13. September 1989 begann der Beschwerdeführer mit dem Besuch der Akademie für Sozialarbeit in X; zufolge seiner Übersiedlung stellte das Arbeitsamt Klagenfurt die Gewährung von Arbeitslosengeld mit 28. September 1989 ein. Am selben Tag beantragte der Beschwerdeführer beim Arbeitsamt St. Pölten neuerlich Arbeitslosengeld und gab im Antragsformular den Besuch der Akademie für Sozialarbeit bekannt. Daraufhin stellte das Arbeitsamt St. Pölten das zunächst für 28. September 1989 zuerkannte Arbeitslosengeld am 29. September 1989 infolge des Schulbesuches des Beschwerdeführers wieder ein. Danach übersiedelte der Beschwerdeführer wieder nach Klagenfurt und beantragte am 19. Oktober 1989 neuerlich Arbeitslosengeld. In diesem Antrag beantwortete der Beschwerdeführer (so die Begründung des angefochtenen Bescheides) die Frage nach dem Besuch einer Lehranstalt mit "nein" (in der Beschwerde wird dazu vorgebracht, daß im Antragsformular "die Frage nach dem Besuch einer Lehranstalt ausgefüllt", jedoch "die entsprechende Antwort mit Korrekturlack unkenntlich gemacht" worden sei).
Seitens des Arbeitsamtes Klagenfurt wurde das Arbeitslosengeld zunächst angewiesen, jedoch nach Bekanntwerden des Umstandes, daß der Beschwerdeführer die Akademie für Sozialarbeit besucht, wieder eingestellt.
1.2. Mit Bescheid vom 30. November 1989 hat das Arbeitsamt Klagenfurt den Beschwerdeführer zum Rückersatz unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 9.718,-- für die Zeit vom 13. September 1989 bis 31. Oktober 1989 verpflichtet. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben, jedoch in teilweiser Berichtigung des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen, daß der Rückforderungsanspruch für die Zeit vom 13. September 1989 bis 28. September 1989 und vom 19. Oktober 1989 bis 31. Oktober 1989 bestehe. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, daß der Beschwerdeführer als Metallarbeiter und Dreher sofort wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden könne, wohingegen im Bundesgebiet mit Stichtag 21. Dezember 1989
120 beschäftigungslose Sozialarbeiter arbeitsuchend gemeldet seien. Der Ausbildung zum Diplomsozialarbeiter liege ausschließlich das Eigeninteresse des Beschwerdeführers zugrunde; es sei durch die derzeit herrschende Arbeitsmarktsituation der Arbeitsmarktverwaltung nicht möglich, eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG 1977 zu erteilen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG lauten:
"(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.
(4) Von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f kann das Arbeitsamt in berücksichtigungswürdigen Fällen Ausnahmen zulassen, insbesondere, wenn der Arbeitslose dem Studium oder der praktischen Ausbildung bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist, oblag."
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung oder Bemessung des Arbeitslosengeldes, wenn sie sich nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, zu widerrufen bzw. rückwirkend zu berichtigen, wobei der Empfänger der Leistung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten ist, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch die Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß der Besuch der Akademie für Sozialarbeit den Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG erfüllt; er macht vielmehr geltend, daß die belangte Behörde a) bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Verpflichtung zum Rückersatz unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG Verfahrensvorschriften zum Nachteil des Beschwerdeführers verletzt und b) bei Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld zusteht, zu Unrecht von der Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG nicht Gebrauch gemacht habe.
2.3. Bei der zunächst anzustellenden Prüfung der Frage, ob die Gewährung von Arbeitslosengeld im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG sich nachträglich als "gesetzlich nicht begründet" herausstellt, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zl. 85/08/0058, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung BGBl. 1965/45 verwiesen wird, ausgesprochen hat - § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit § 12 Abs. 4 leg. cit. anzuwenden. Danach schließt ein Schul- oder Lehrgangsbesuch im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG Arbeitslosigkeit nur dann aus, wenn eine Ausnahme im Sinne des Abs. 4 nicht zuzulassen ist. Da nur die Zulassung einer Ausnahme im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG, also die positive Gebrauchnahme vom dort eingeräumten Ermessen durch die Behörde, bei einer im Regelfall vorzunehmenden formlosen Zuerkennung im Sinne des § 47 AlVG keinen bescheidmäßigen Niederschlag findet, erfolgt die Beurteilung nach § 12 Abs. 4 leg. cit. - es handelt sich auch um keinen antragsbedürftigen Verwaltungsakt - nicht in einem rechtlich verselbständigten Verfahren, sondern ist Gegenstand der behördlichen Prüfung erst entweder bei der Entscheidung über die Versagung einer beantragten Leistung oder - wie im Beschwerdefall - anläßlich des Widerrufes der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes. Die belangte Behörde wäre also nicht berechtigt gewesen, die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes während des Schulbesuches schon mit der bloßen Begründung zu widerrufen (und mit einer Rückforderung des Arbeitslosengeldes vorzugehen), daß eine rechtskräftig zugelassene Ausnahme im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG nicht vorliege. Die belangte Behörde hat das auch richtig erkannt und in ihre rechtliche Beurteilung auch den § 12 Abs. 4 AlVG miteinbezogen.
2.3.1. Voraussetzung für eine positive Ausübung des den Arbeitsämtern in § 12 Abs. 4 AlVG eingeräumten Ermessens ist das Vorliegen eines in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilenden "berücksichtigungswürdigen Falles" (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zl. 85/08/0058, und den darin enthaltenen Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Februar 1966, Zl. 819/65).
Der im Gesetz beispielsweise (arg.: insbesondere) genannte berücksichtigungswürdige Fall, wenn der Schul- und Lehrgangsbesuch schon während des vorangegangenen Dienstverhältnisses vorlag, trifft im Beschwerdefall - wie auch in der Beschwerde nicht bestritten wird - nicht zu. Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde daher die individuelle Situation des Arbeitslosen einerseits und die Lage auf dem Arbeitsmarkt, inbesondere auch die regionale Situation, andererseits zu würdigen.
2.3.2. In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde vorgebracht, daß dem im Gesetz ausdrücklich genannten Beispielsfall der Wille des Gesetzgebers entnommen werden könne, Gesichtspunkte aus dem persönlichen Bereich des Arbeitslosen bei Erteilung der Ausnahmegenehmigung zu berücksichtigen. Die belangte Behörde habe das arbeitsmarktpolitische Erfordernis einer weiteren Ausbildung als maßgeblich angesehen und den Umstand, daß die bisherige Ausbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers einer Ausbildung zum Diplomsozialarbeiter keineswegs entgegenstünden, bei der Ermessensübung völlig vernachlässigt und insoweit dieses Ermessen in mißbräuchlicher Weise angewendet.
Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht: Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG deshalb verneint, weil die oben wiedergegebene Situation auf dem Arbeitsmarkt (leichte Unterbringungsmöglichkeit des Beschwerdeführers in seinem erlernten und bisher ausgeübten Beruf einerseits und eine nicht zu vernachlässigende Arbeitslosenrate von Sozialarbeitern andererseits) es der Behörde nicht gestatte, mit einer Ermessensübung im Sinne des Beschwerdeführers vorzugehen. Damit hat die belangte Behörde die Berufssituation des Beschwerdeführers gegen die Arbeitsmarktsituation in nachvollziehbarer Weise abgewogen, ohne daß darin unter Berücksichtigung der dem Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte eine Rechtswidrigkeit zu erkennen wäre. Insbesondere bedurfte es bei dieser Sachlage keiner Erörterung der weiteren Frage, ob und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die Aufnahmevoraussetzungen für den Besuch der Akademie für Sozialarbeit erworben habe - wie der Beschwerdeführer unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt -, da die belangte Behörde ohnehin nicht bestreitet, daß der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen erfüllt.
2.3.3. Der Beschwerdeführer rügt als eine Verletzung von Verfahrensvorschriften in diesem Zusammenhang weiters, daß die belangte Behörde keine Feststellungen zur Frage der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers für die Ausübung seines bisherigen Berufes und der persönlichen Eignung für den angestrebten Beruf getroffen habe. Insoweit sei die für die Ermessensausübung erforderliche Sachverhaltsgrundlage betreffend die in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umstände unvollständig geblieben.
Auch diese Rüge versagt: Es kann dahingestellt bleiben, ob gesundheitliche Gründe, die zur Beendigung der bisherigen Berufstätigkeit führen, schon deshalb in die vorzunehmende Abwägung einzubeziehen sind oder ob ihnen nur insoweit Bedeutung zukommt, als sie den Arbeitslosen - würde er nicht die angestrebte Ausbildung zurücklegen - vom Arbeitsmarkt insgesamt ausschließen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0165), zumal der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht behauptet, daß bei ihm gesundheitliche Gründe vorliegen, die ihn von der weiteren Ausübung seines bisherigen Berufes und gegebenenfalls weiterer Berufe ausschließen. Nach der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde hat sich der Beschwerdeführer auch im Verwaltungsverfahren lediglich darauf berufen, daß ihm seine Ausbildung als Dreher für die angestrebte Ausbildung als Sozialarbeiter eine besonders hohe Qualifikation verschaffe und daß deshalb nach Auffassung des Beschwerdeführers jene arbeitsmarktpolitischen Gründe vorlägen, die die Anwendung der Bestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG gestatten würden. Der Beschwerdeführer hat damit weder irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen konkret behauptet, noch dargelegt, daß ein dadurch bedingter Ausschluß vom Arbeitsmarkt nur durch die Zurücklegung der von ihm angestrebten Berufsausbildung als Sozialarbeiter überwunden werden könne. Damit hat der Beschwerdeführer aber nicht dargetan, welche Umstände die belangte Behörde hätte berücksichtigen sollen und aus welchen Gründen die Behörde bei Berücksichtigung dieser Umstände zu einem im Ergebnis anderslautenden Bescheid hätte gelangen können.
Die belangte Behörde ist jedenfalls nicht verpflichtet, Erkundungsbeweise in jeglicher denkbaren Richtung durchzuführen, und sei es auch nur durch Einvernahme des Beschwerdeführers.
2.4. Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde schließlich, daß die belangte Behörde bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Rückersatz unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Sinne des § 25 AlVG keine bzw. unzureichende Feststellungen zu der Frage getroffen habe, ob dem Beschwerdeführer unwahre Angaben oder die Verschweigung maßgebender Tatsachen zur Last zu legen seien. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Besuch einer Lehranstalt ergebe sich aus dem Akteninhalt, daß sich "im betreffenden Antrag sehr wohl eine derartige Eintragung" befinde und "daß diese mit Korrekturlack ausgelöscht" worden sei. Der Beschwerdeführer meint, daß dies für die belangte Behörde einen aufklärungsbedürftigen Tatbestand hätte darstellen müssen, dies umsomehr, als der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 28. September 1989 den Besuch der Sozialakademie wahrheitsgemäß angegeben habe. Die belangte Behörde hätte zur genauen Aufklärung dieses maßgeblichen Umstandes den Beschwerdeführer und die für die Behandlung seines Antrages vom 19. Oktober 1989 zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsamtes Klagenfurt einvernehmen müssen. Hätten diese Ermittlungen zu dem Ergebnis geführt, daß die Auslöschung der bereits erfolgten Eintragung im Antrag vom 19. Oktober 1989 nicht durch den Beschwerdeführer erfolgte, so hätte sich dies maßgeblich auf die Beurteilung der nach § 25 AlVG zu lösende Frage ausgewirkt.
Auch diese Ausführungen enthalten keine gesetzmäßige Darstellung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde, weil der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der belangten Behörde, er habe die Frage nach dem Besuch einer Lehranstalt mit "Nein" beantwortet, nichts vorbringt. Der Beschwerdeführer behauptet jedenfalls auch in der Beschwerde nicht, den zur Beurteilung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld maßgebenden Sachverhalt entsprechend den im Antragsformular enthaltenen Fragen vollständig und wahrheitsgemäß dargelegt zu haben. Gerade dies wäre aber unabdingbare Voraussetzung dafür, daß in Zweifel gezogen werden könnte, ob die Anwendung des § 25 AlVG auf den Beschwerdeführer und die daraus resultierende Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes rechtens erfolgt wäre.
3. Da somit das Beschwerdevorbringen nicht geeignet ist, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit oder eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in Ansehung des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen MitteilungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990080066.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
21.04.2010