TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/9 89/03/0070

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs6;
VStG §3;
VStG §5 Abs1;

Betreff

N gegen Kärntner Landesregierung vom 13. Jänner 1989, Zl. 8V-1307/5/88, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, 1) er habe sich am 20. April 1986 gegen

19.40 Uhr am Gendarmerieposten Spittal an der Drau trotz Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, zwecks Feststellung des Grades der Alkoholisierung Blut abnehmen zu lassen, obwohl dies erforderlich und ärztlich unbedenklich erschienen und er in Verdacht gestanden sei, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges auf der Trebesinger Landesstraße auf Höhe des sogenannten "Römerbrunnens" in Altersberg einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person erheblich verletzt worden sei, 2) er sei beim sogenannten "Römerbrunnen" in Altersberg an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt gewesen und habe es unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er noch vor Aufnahme der amtlichen Erhebungen die Unfallsstelle verlassen habe, und 3) er habe es unterlassen, diesen Verkehrsunfall sofort der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO, zu 2) § 4 Abs. 1 lit. c StVO und zu 3) § 4 Abs. 2 StVO begangen, weshalb über ihn zu

1) gemäß § 99 Abs. 1 lit. c StVO und zu 2) und 3) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO Geldstrafen von zu 1) S 9.000,-- (Ersatzarreststrafe neun Tage), zu 2) S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) und zu 3) S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt wurden. Zur Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am Tattage gegen 16.45 Uhr den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der Trebesinger Landesstraße von Trebesing kommend in Fahrtrichtung Spittal an der Drau gelenkt. Beim sogenannten "Römerbrunnen" in Altersberg, Gemeinde Trebesing, habe der Beschwerdeführer ein vierjähriges Mädchen gestreift, wodurch es zu Boden geschleudert worden sei und einen Ober- und Unterschenkelbruch linksseitig erlitten habe. Der Beschwerdeführer habe seinen Pkw kurz angehalten, dem Vater des Mädchens, dem er namentlich bekannt gewesen sei, seine Anschrift mitgeteilt und dann die Fahrt in seine Wohnung nach Spittal an der Drau fortgesetzt. Er habe es unterlassen, den Verkehrsunfall anzuzeigen und an der Sachverhaltsdarstellung mitzuwirken. Da der Verdacht bestanden habe, daß der Beschwerdeführer den in Rede stehenden Verkehrsunfall in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verursacht habe, seien zwei Gendarmeriebeamte zur Wohnung des Beschwerdeführers gefahren und hätten dort beim Beschwerdeführer Alkoholisierungssymptome, wie Alkoholgeruch aus dem Mund, schwankenden Gang und eine undeutliche Sprache, feststellen können. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer am Gendarmerieposten Spittal an der Drau von einem dieser Gendarmeriebeamten zur Durchführung des Alkotests und der klinischen Untersuchung aufgefordert worden, was vom Beschwerdeführer ebenso wie die gesetzlich vorgesehene Blutabnahme verweigert worden sei. Die Aufforderung, sich der gesetzlichen Blutabnahme zu unterziehen, sei vom Beschwerdeführer zwar verstanden worden, doch habe er dieser Aufforderung des Gendarmeriebeamten keine Folge geleistet, wobei sich die Verweigerung zweifelsfrei auf die Blutabnahme bezogen habe. Nach dem Gesetz bestehe eine Rechtspflicht, die Blutabnahme zum Zwecke der Alkoholprobe zu dulden, für denjenigen, der im Verdacht stehe, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden sei. Da die beiden als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten anläßlich ihrer Amtshandlung in der Wohnung des Beschwerdeführers beim Beschwerdeführer Alkoholisierungssymptome festgestellt hätten, sei mit Recht der Verdacht gegeben gewesen, daß der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht habe. Dieser Verdacht werde durch die Aussagen weiterer Zeugen bestätigt. Die Verpflichtung nach § 5 Abs. 6 StVO bestehe auch noch Stunden nach einem Verkehrsunfall. Der Beschwerdeführer habe ferner weder an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt, obwohl der Vater des verletzten Mädchens das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt habe, noch den Verkehrsunfall der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort gemeldet. Zum Einwand des Beschwerdeführers, er hätte einen schweren Schock erlitten und deswegen die beiden Verwaltungsübertretungen nach § 4 StVO begangen, sei auf das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen zu verweisen, demzufolge Umstände, die die Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers beseitigt hätten, nach der gesamten Aktenlage nicht gegeben seien. Den Ausführungen des Amtssachverständigen könne nicht allein mit laienhaften Ausführungen in wirksamer Weise entgegnet werden noch könne das ausführliche und schlüssige Gutachten durch das Verlangen nach Beiziehung anderer Sachverständiger entkräftet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem gesamten Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht wegen der ihm zur Last gelegten Übertretungen bestraft zu werden.

1) Zur Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO:

Zu dieser Übertretung bringt der Beschwerdeführer im Rahmen des vorstehend bezeichneten Beschwerdepunktes vor, gemäß § 5 Abs. 6 StVO habe eine Untersuchung nur dann eine Blutabnahme zu umfassen, wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich sei. Nun sei die Aufforderung zur Duldung der Blutabnahme erst mehrere Stunden nach dem Unfall an ihn gerichtet worden, nachdem er sich bereits zu Hause aufgehalten und dort eine größere Menge Alkohol zu sich genommen habe. Zwischen dem Unfall und der Aufforderung zur Duldung der Blutabnahme sei ein so großer Zeitraum gelegen, daß unter Berücksichtigung der von ihm zu Hause eingenommenen großen Alkoholmenge eine Blutuntersuchung kein praktisch verwertbares Ergebnis mehr gebracht hätte. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1966, Zl. 627/65, meint der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde bei diesem Sachverhalt eine "Erforderlichkeitsprüfung" in Ansehung der von ihm verlangten Blutabnahme anzustellen gehabt hätte.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung nach § 5 Abs. 6 StVO auch noch Stunden nach einem Verkehrsunfall besteht, wenn sie ein praktisch verwertbares Ergebnis erbringen kann (vgl. dazu unter anderem das schon vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis vom 9. Mai 1966, Zl. 627/65). Auch eine sieben Stunden nach der Tat erfolgte Blutabnahme läßt - wie der Verwaltungsgerichtshof des weiteren im Erkenntnis vom 15. Jänner 1982, Zl. 81/02/0185, ausgesprochen hat - ein verwertbares Ergebnis erwarten, da sich unter der gesicherten Annahme eines durchschnittlichen stündlichen Verbrennungswertes des Alkohols im Blut in der Größenordnung von 0,10 bis 0,12 %o der Blutalkoholgehalt zu einer auch mehrere Stunden vor der Blutabnahme liegenden Tatzeit zurückrechnen läßt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ferner dargelegt hat, kann auch im Falle eines Nachtrunkes der Blutalkoholgehalt zu einer bestimmten Tatzeit ermittelt werden, sofern der Zeitpunkt und die Menge des danach genossenen Alkohols feststehen. Ausgehend davon ist die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer die ihm gemäß § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO obliegende Verpflichtung verletzte, nicht als rechtswidrig zu erkennen, auch wenn sich die belangte Behörde mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Nachtrunk nicht ausdrücklich auseinandersetzte, zumal im Beschwerdefall selbst das Zutreffen dieses nach der Zeit und der Menge des nachträglich genossenen Alkoholes getätigten Einwandes einer Ermittlung des Blutalkoholgehaltes nicht entgegengestanden wäre, und zwar auch nicht bei Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer in Ansehung der von ihm nachträglich genossenen Alkoholmenge wechselnden Verantwortung. Dazu kommt, daß im Beschwerdefall zwischen dem Unfall und der an den Beschwerdeführer am Gendarmeriepostenkommando Spittal an der Drau in Anwesenheit des herbeigerufenen praktischen Arztes von Spittal an der Drau gerichteten Aufforderung, sich Blut abnehmen zu lassen, nicht einmal drei Stunden vergangen sind (vgl. dazu sinngemäß die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs. 2 StVO, etwa in den Erkenntnissen vom 4. November 1981, Zl. 03/3855/80, und vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0170, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur, derzufolge eine besondere Begründungspflicht die Behörde erst bei Zeiträumen zwischen der Beendigung des Lenkens und der Aufforderung zur Atemluftprobe von erheblich mehr als drei Stunden tritt, was auch für eine Aufforderung gemäß § 5 Abs. 6 zu gelten hat), während in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1966, Zl. 627/65, zugrundeliegenden Fall die Vorführung des damals Beschuldigten zur Blutabnahme erst ca. 5 Stunden nach dem Unfall erfolgte und offenbar auch der vom damaligen Beschwerdeführer getätigte Nachtrunk ("viel Alkohol") weder der Menge noch dem Zeitpunkte nach feststand. Mit dem Hinweis auf dieses Erkenntnis vermag daher der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen.

2) Zu den Übertretungen des § 4 Abs. 1 lit. c und des § 4 Abs. 2 StVO:

Bezüglich dieser Übertretungen bemängelt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde seinem Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zur Frage, ob er zur Tatzeit dispositionsfähig gewesen sei, nicht entsprochen habe. Er habe bei dem Unfall einen schweren Schock erlitten. Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige habe ihn nie untersucht oder gefragt, weshalb der Sachverständige auch nicht in der Lage gewesen sei, eine verläßliche Beurteilung vorzunehmen. Die "gutachterliche Stellungnahme" des Sachverständigen sei mangels einer ausreichenden Begründung nicht geeignet, der Entscheidung zugrunde gelegt zu werden.

Auch mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Die belangte Behörde holte zum Einwand des Beschwerdeführers im Verfahren, er hätte einen schweren Schock erlitten und deswegen die beiden Verwaltungsübertretungen nach § 4 StVO nicht zu verantworten, ein Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen ein, der abschließend zur Beurteilung gelangte, daß gerade das bewußt gezielte Verhalten des Beschwerdeführers (nach dem Unfall), z.B. das Trachten, das verletzte Kind möglichst schnell in ärztliche Versorgung zu bringen, keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines "Schockzustandes" erkennen lasse und Umstände, die die Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers beseitigt hätten, nach der gesamten Aktenlage nicht gegeben seien. Dieses Gutachten ist schlüssig und ausreichend begründet, weshalb der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten ist, wenn sie - wie sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführte - von der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen Abstand nahm, bedurfte es doch zur Beurteilung der Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers weder seiner Befragung noch seiner Untersuchung. Diese Frage konnte vom Sachverständigen im Beschwerdefall vielmehr schon auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers nach dem Unfall hinreichend beurteilt werden. Nun ist aber - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 1. April 1987, Zl. 86/03/0243, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur) - einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten trotz eines sogenannten Unfallschocks in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schock über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag.

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Meldepflicht Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes Sachverständiger Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030070.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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