TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/9 89/03/0096

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §21 Abs1;
VStG §49 Abs1;
VStG §49 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §41;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

N gegen Kärntner Landesregierung vom 2. November 1988, Zl. 8V-2958/1/1988, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 21. Juni 1988 wurde über den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO eine Geldstrafe von S 600,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt, weil er am 18. März 1988 um 08.15 Uhr in Klagenfurt, auf der Südautobahn A-2, Richtungsfahrbahn Villach-Klagenfurt, bei Bau-Km 325.374 als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws die mit Vorschriftszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 35 km/h (Radarmessung) überschritten habe.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer "Berufung", in der er unter anderem ausführte, er habe die Geschwindigkeit überschritten, weil er am Tattage dringend zu einem Gerichtstermin am Landesgericht Klagenfurt habe fahren müssen. Da er diesen Termin nicht habe versäumen dürfen, ersuche er, von der Bestrafung Abstand nehmen zu wollen. Darüberhinaus ersuche er, die Strafe aufzuheben, weil er sich samt seiner Familie auf Grund rechtswidriger Konkurse in unverschuldeter Notlage befinde. Er müsse samt seiner Familie von Notstandshilfe leben und könne auf Grund der Konkurse die Strafe nicht bezahlen. Er bitte daher um Aufhebung der Strafverfügung.

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 2. November 1988 wurde der vom Beschwerdeführer "erhobene und als Berufung zu wertende Einspruch" hinsichtlich der Geldstrafe als unbegründet abgewiesen. Die Ersatzarreststrafe wurde auf die Dauer von 14 Stunden herabgesetzt. Zur Begründung des Bescheides führte die Behörde aus, ohne die ihm angelastete Verwaltungsübertretung zu bestreiten, erhebe der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Höhe der über ihn verhängten Strafe mit der Begründung, daß er sich auf Grund eines Konkurses in einer unverschuldeten Notlage befinde. Dem Einspruch komme jedoch keine Berechtigung zu. Die Höhe der Geldstrafe entspreche dem Gesetz. Lediglich die Ersatzarreststrafe sei in ein ausgewogenes Verhältnis zur Geldstrafe gesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet ein, sein Vorbringen, daß er am Tattage dringend einen Gerichtstermin habe wahrnehmen müssen, den er nicht versäumen habe dürfen, weshalb er ersuche, von einer Bestrafung Abstand zu nehmen, stelle inhaltlich die Berufung auf einen entschuldigenden Notstand im Sinne des § 6 VStG dar. Er habe demnach in dem gegen die Strafverfügung eingereichten und zwar als "Berufung" bezeichneten Schreiben inhaltlich Gründe dargetan, die allenfalls einen Schuldausschließungsgrund darstellen. Dies sei auch daraus zu erschließen, daß nicht nur die Herabsetzung des Strafausmaßes begehrt worden sei, sondern überhaupt um Abstandnahme von einer Bestrafung ersucht worden sei. Es hätte daher diese Eingabe nicht als bloße Strafberufung behandelt werden dürfen, sondern wäre als Einspruch zu werten und daher ein ordentliches Verfahren einzuleiten gewesen.

Der Beschwerdeführer ist schon mit diesen Ausführungen im Recht.

Gemäß § 49 Abs. 2 VStG ist der Einspruch, wenn in ihm ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen wird, als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen.

Voraussetzung dafür, daß ein Einspruch gegen die Strafverfügung als eine der Berufungsbehörde vorzulegende Berufung anzusehen ist, ist demnach, daß im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen wird. Ist einem Einspruch nicht zu entnehmen, daß damit ausdrücklich nur die Straffrage (oder die Entscheidung über die Kosten) bekämpft wird, ist es der Rechtsmittelbehörde versagt, eine Berufungsentscheidung zu treffen; tut sie dies trotzdem, so nimmt sie eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch, die ihr nicht zusteht.

Im Beschwerdefall kann nicht gesagt werden, daß vom Beschwerdeführer in der gegen die Strafverfügung gerichteten Eingabe ausdrücklich nur das Strafausmaß bekämpft wurde, auch wenn er diese Eingabe als "Berufung" bezeichnete. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsüberschreitung zugab, kann lediglich abgeleitet werden, daß damit der Tatbestand objektiv erfüllt ist, doch kann daraus (ebenfalls) nicht zwingend geschlossen werden, daß der Beschwerdeführer damit auch die Schuldfrage unbekämpft ließ, ihn also auch subjektiv kein Verschulden treffe, wovon offenbar die belangte Behörde ausging, wenn sie meinte, daß vom Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht bestritten wurde. Mit dem Ersuchen, von einer Bestrafung Abstand nehmen zu wollen, in Verbindung mit der dafür gegebenen Begründung (Wahrnehmung eines Gerichtstermines) und mit dem Antrag auf Aufhebung der Strafverfügung schlechthin wird nicht nur - wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet - die Höhe der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen oder ein Absehen von der Strafe im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG geltend gemacht, sondern die Strafverfügung als solche für rechtswidrig erachtet und bekämpft. Ob dies zu Recht, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Dies verkannte die belangte Behörde, wenn sie den als Berufung bezeichneten Einspruch des Beschwerdeführers als Berufung im Sinne des § 49 Abs. 2 VwGG wertete und eine Berufungsentscheidung fällte. Sie belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG führte, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung Anfechtungserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030096.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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