TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/9 89/02/0160

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1971/285;
KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1982/362 ;
KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1982/362;
KFG 1967 §102 Abs1 idF 1977/615;
KFG 1967 §104 Abs9 idF 1977/615;
KFG 1967 §2 Z10 idF 1977/615;
KFG 1967 §2 Z11 idF 1977/615;
KFG 1967 §2 Z30 idF 1977/615;
KFG 1967 §4 Abs7 idF 1971/285;
KFG 1967 §4 Abs7 litd;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Burgenland vom 17. August 1989, Zl. VI/2-2279/5-1989, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 17. August 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er ein Sattelkraftfahrzeug, bestehend aus einem jeweils dem Kennzeichen nach bestimmten Zugfahrzeug und Anhänger, am 11. November 1988 gegen 9.25 Uhr in Nikitsch auf der Landesstraße 228 vom Rübenlagerplatz kommend bis zum Hause n gelenkt habe, obwohl dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht durch die Beladung um mindestens 10.000 kg überschritten worden sei, und er sich somit trotz Zumutbarkeit nicht davon überzeugt habe, daß das Kraftfahrzeug im Hinblick auf die Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach § 102 Abs. 1 erster Satz KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist gemäß § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig, wenn u.a. das höchste zulässige Gesamtgewicht durch die Beladung nicht überschritten wird.

Das Gesamtgewicht eines Kraftwagens oder Anhängers darf gemäß § 4 Abs. 7 KFG 1967 nicht überschreiten a) bei Fahrzeugen mit zwei Achsen, ausgenommen Sattelanhänger, 16.000 kg, b) bei Fahrzeugen mit mehr als zwei Achsen, ausgenommen Sattelanhänger, 22.000 kg, c) bei Gelenkkraftfahrzeugen 38.000 kg, d) bei Einachsanhängern 8.000 kg.

Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt gemäß § 2 Z. 10 KFG 1967 als Sattelkraftfahrzeug ein Sattelzugfahrzeug (Z. 11) mit einem so auf diesem aufliegenden Sattelanhänger (Z. 12), daß ein wesentlicher Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes vom Sattelzugfahrzeug getragen wird, gemäß § 2 Z. 11 KFG 1967 als Sattelzugfahrzeug ein Kraftwagen, der nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, einen Sattelanhänger (Z. 12) so zu ziehen, daß ihn dieser mit einem wesentlichen Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes belastet, und gemäß § 2 Z. 12 KFG 1967 als Sattelanhänger ein Anhänger, der nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, so mit einem Sattelzugfahrzeug (Z. 11) gezogen zu werden, daß er dieses mit einem wesentlichen Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes belastet.

§ 104 Abs. 9 erster Satz KFG 1967 bestimmt, daß bei Kraftwagen mit Anhängern die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte, bei Sattelkraftfahrzeugen abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, einer dieser Sattellasten 38.000 kg nicht überschreiten darf. Nach dem dritten Satz dieser Gesetzesstelle ist das Ziehen von Anhängern oder das Verwenden von Sattelkraftfahrzeugen, wenn die für die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte oder die für die größte Länge oder die für die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte und für die größte Länge festgesetzten Höchstgrenzen überschritten werden, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes zulässig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Anhänger gezogen oder die Sattelkraftfahrzeuge verwendet werden sollen.

Die sich im vorliegenden Beschwerdefall primär stellende Rechtsfrage, ob es "ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht", das vom Beschwerdeführer zu beachten gewesen wäre, für das gegenständliche Sattelkraftfahrzeug gegeben hat, war weder im Verwaltungsstrafverfahren noch in der Beschwerde oder der Gegenschrift der belangten Behörde erörtert worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher diese Rechtsfrage an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens herangetragen und dabei zum Ausdruck gebracht, daß sie - anders als dies auf Grund des § 4 Abs. 7 lit. c KFG 1967 bei einem Gelenkkraftfahrzeug der Fall wäre - verneint werden und die Auffassung vertreten werden könnte, daß "ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht" - wie sich dies, entsprechend dem § 41 Abs. 2 lit. h KFG 1967, jeweils auch aus den aktenkundigen Zulassungsdaten ergebe - nur getrennt einerseits für das Sattelzugfahrzeug und andererseits für den Sattelanhänger bestanden habe, letzteres unbeschadet der Bestimmung des § 4 Abs. 7 lit. a und b KFG 1967, wonach diesbezüglich keine Gewichtsbeschränkung normiert sei, dabei jedoch auf § 104 Abs. 9 erster Satz leg. cit. Bedacht zu nehmen gewesen sei. Offensichtlich habe die belangte Behörde bei Annahme "des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes" (ihrer Meinung nach von 38.000 kg) diese Vorschrift im Auge gehabt, die aber gleichfalls von der "Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte" ausgehe und im übrigen bei Sattelkraftfahrzeugen nicht allein darauf abstelle (danach hätte sich anhand der Zulassungsdaten beider Fahrzeuge eine "Summe" von 52.000 kg ergeben), sondern regle, daß von dieser "Summe" noch die größere der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, einer dieser Sattellasten in Abzug zu bringen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe unter anderem bereits in seinen Erkenntnissen vom 22. Februar 1989, Zl. 88/03/0054, und vom 17. Mai 1989, Zl. 88/03/0258, denen der Vorwurf der Begehung gleicher Übertretungen (wie im vorliegenden Beschwerdefall) zugrunde gelegen sei, (und zwar in Anlehnung an das sich auf den Vorwurf der Begehung einer Übertretung nach § 103 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 beziehende Erkenntnis vom 8. Juli 1988, Zl. 85/18/0068) dargelegt, daß das Gesetz die Verpflichtung zur Einhaltung des jeweils für Kraftwagen und Anhänger festgelegten Gesamtgewichtes dem Kraftfahrzeuglenker GESONDERT auferlegt habe und daher die Überschreitung eines GEMEINSAMEN Gesamtgewichtes (eines Kraftwagenzuges) nicht pönalisiert sei, weshalb es in diesen Beschwerdefällen zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gekommen sei. Abschließend wurde bemerkt, daß diese Erwägungen im Hinblick auf obige Ausführungen auch auf Sattelkraftfahrzeuge Anwendung finden könnten, sodaß sie auch im vorliegenden Beschwerdefall zum Tragen kämen.

Der Beschwerdeführer hat daraufhin allgemein erklärt, diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes beizupflichten. Hingegen hat die belangte Behörde den gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Sie hat nach Zitierung des § 2 Z. 10 KFG 1967 und des § 2 Z. 30 leg. cit., nach dessen zweitem Halbsatz Sattelkraftfahrzeuge (und Gelenkkraftfahrzeuge) nicht als Kraftwagenzüge gelten, ausgeführt, daß das Gesetz grundsätzlich zwar nicht ausdrücklich die Vorschrift enthalte, daß es "ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht" für Sattelkraftfahrzeuge gebe, jedoch auf Grund ihrer Eigenart für diese spezielle Beladungsvorschriften zu beachten seien. Ein Sattelzugfahrzeug sei lediglich dazu bestimmt, einen Sattelanhänger zu ziehen, und zwar (im Unterschied zu einem Kraftwagenzug) in der Form, daß bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche ein wesentlicher Teil des Gesamtgewichtes des Sattelanhängers auf das Sattelzugfahrzeug übertragen werde. So setze sich auch das "höchste zulässige Gesamtgewicht" des Sattelzugfahrzeuges aus dem Eigengewicht und der zulässigen Belastung ("höchste zulässige Sattellast") zusammen. Das Gesamtgewicht des Sattelzugfahrzeuges werde - da das Eigengewicht stets gleich bleibe - durch jene Belastung bestimmt, die der Sattelanhänger übertrage. Tatsächlich bilde somit das Gesamtgewicht, das eben vom Zugfahrzeug und Anhänger miteinander "getragen" werde, eine Einheit. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger. Dies sei bei einem Kraftwagenzug in der Form nicht der Fall, da hier lediglich "die Zugkraft des Anhängers auf das Zugfahrzeug übertragen" werde (richtig wohl umgekehrt), was auf die Höhe des Gesamtgewichtes keinen Einfluß habe. Bei einem Sattelzugfahrzeug sei dagegen die Überschreitung eines höchsten zulässigen Gesamtgewichtes für sich allein - ohne daß ein Sattelanhänger gezogen werde - technisch gar nicht möglich. Es erscheine daher nach Ansicht der belangten Behörde nicht erforderlich, dem Zulassungsbesitzer die Überschreitung eines jeweils gesondert festgesetzten Gesamtgewichtes vorzuwerfen. Weiters werde angemerkt, daß die Überprüfung des Ausmaßes der Sattellast (somit die Feststellung des Gesamtgewichtes des Zugfahrzeuges) durch eine Abwaage in der Praxis nicht feststellbar erscheine und damit die Vollziehung der Bestimmungen über die zulässige Beladung eines Sattelkraftfahrzeuges unmöglich wäre. Dies erscheine vom Standpunkt der Verkehrssicherheit äußerst bedenklich. Zwar seien Sattelkraftfahrzeuge in der Regelung des § 4 Abs. 7 KFG 1967 nicht enthalten, jedoch habe der Gesetzgeber die Sattelkraftfahrzeuge auch ausdrücklich von den Regelungen für Kraftwagenzüge ausgenommen. Aus diesen Gründen erscheine die Festlegung eines gemeinsamen Gesamtgewichtes durchaus zulässig.

Diese Ausführungen der belangten Behörde sind nicht geeignet, eine andere rechtliche Beurteilung, als sie der vom Verwaltungsgerichtshof bisher geäußerten Ansicht entspricht, vorzunehmen. Hinsichtlich der bereits zitierten Vorjudikatur genügt ein Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG. Richtig ist, daß diese Rechtsprechung Fälle betrifft, die die (von der jeweils belangten Behörde angenommene) Überschreitung "des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes" eines Kraftwagenzuges im Sinne des § 2 Z. 30 KFG 1967 zum Gegenstand hatten, Sattelkraftfahrzeuge ausdrücklich nicht als Kraftwagenzüge gelten und jene schon ihrer Bauart und Ausrüstung nach nicht mit diesen vergleichbar sind. Das bedeutet aber nicht, daß die genannte Judikatur nicht auf solche Fälle, in denen es sich um die Beladung eines Sattelkraftfahrzeuges (anstatt eines Kraftwagenzuges) handelte, übertragen werden dürfte. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich die ihm hiefür maßgeblich erscheinenden Argumente aufgezeigt, und die belangte Behörde war nicht in der Lage, sie zu widerlegen; sie mußte im Gegenteil zugestehen, daß keine gesetzliche Bestimmung existiert, die die Festlegung bzw. Beachtung eines gemeinsamen "höchsten zulässigen Gesamtgewichtes" eines Sattelkraftfahrzeuges zum Inhalt hat. Der Umstand, daß die Überschreitung eines höchsten zulässigen Gesamtgewichtes bei einem Sattelzugfahrzeug, anders als bei dem Zugfahrzeug eines Kraftwagenzuges, "für sich allein - ohne daß ein Sattelanhänger gezogen wird - technisch gar nicht möglich ist", ist irrelevant. Im vorliegenden Beschwerdefall befand sich auch ein Sattelkraftfahrzeug im Verkehr, sodaß es darauf anzukommen gehabt hätte, ob das höchste zulässige Gesamtgewicht des Sattelzugfahrzeuges oder das des Sattelanhängers, allenfalls auch beider überschritten worden ist. Daß eine solche Feststellung hinsichtlich des Sattelzugfahrzeuges allenfalls - wie die belangte Behörde behauptet - in der Praxis unmöglich wäre, vermag - ebenso, wie wenn sie faktisch lediglich mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre - an der bestehenden Rechtslage, auf Grund der im Hinblick auf § 1 Abs. 1 VStG 1950 eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der ihm angelasteten Übertretung nicht hätte erfolgen dürfen, nichts zu ändern. Der von der belangten Behörde angesprochenen Verkehrssicherheit wird durch die Regelung des § 104 Abs. 9 KFG 1967 über das Verbot des Verwendens von Sattelkraftfahrzeugen bei Überschreitung der in bezug auf die höchsten zulässigen Gesamtgewichte festgesetzten Höchstgrenzen ohne entsprechende Bewilligung Rechnung getragen. Dabei handelt es sich aber um ein anderes Tatbild (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1982, Zl. 03/3675/80, sowie hinsichtlich des insofern gleichartigen Verbotes des Ziehens von Anhängern außer dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1988, Zl. 85/18/0068, jenes vom 16. Jänner 1985, Slg. Nr. 11641/A), dessen Verwirklichung dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid strafrechtlich nicht zum Vorwurf gemacht worden ist.

Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 10.110,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020160.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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