TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/11 89/18/0177

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Veröffentlicht am 11.05.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
KFG 1967 §103 Abs2 Satz2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwRallg;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 13. September 1989, Zl. MA 70-10/1375/89/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. September 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 30. November 1988, zugestellt am 14. Dezember 1988, bekanntzugeben, wer dieses Fahrzeug in Wien 9, Lustkandlgasse 29, abgestellt gehabt habe, so daß es dort am 24. November 1988 um 9.30 Uhr gestanden sei, eine unvollständige Lenkerauskunft erteilt, indem er als schuldtragenden Lenker "Herrn XY, wohnhaft in Wien, Besitzer des Führerscheines der Gruppe B" angegeben habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) begangen; die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 72 Stunden) wurde von der Berufungsbehörde auf S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) herabgesetzt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter anderem angeführt, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlange bei der Lenkerauskunft auch die Wohnadresse des Lenkers; demnach genüge die Angabe "Wien" nicht. Das Fehlen dieser Wohnadresse stelle kein Formgebrechen nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 dar; die Behörde sei nicht verpflichtet, eine Anfrage an das Zentralmeldeamt wegen der fehlenden Wohnadresse zu richten. Daher sei die Tat als erwiesen anzunehmen. Die Strafe sei herabgesetzt worden, da der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei und eine Strafe von S 1.000,-- ausreichend erscheine, ihn von der Wiederholung der Tat abzuhalten. Aus folgenden Gründen habe die Strafe nicht weiter herabgesetzt werden können: Die Tat schädige in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der raschen Ermittlung der im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehenden Person. Der Unrechtsgehalt der Tat sei, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering gewesen. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht geringfügig, da weder hervorgekommen sei noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen sei, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Da der Beschwerdeführer Angaben über seine Einkommen-, Vermögens- und Familienverhältnisse verweigert habe, seien diese zu schätzen gewesen. Auf Grund des Alters und der Berufsstellung des Beschwerdeführers, eines Rechtsanwaltes, sei von überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und unbedeutendem Vermögen ausgegangen worden. Sorgepflichten seien nicht angenommen worden. Der Strafrahmen reiche bis zu S 30.000,--. Daher sei die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe angemessen und keineswegs zu hoch.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG in der Fassung der 10. Novelle, BGBl. Nr. 106/1986, kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten ist. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Den einzelnen Beschwerdegründen ist folgendes zu erwidern:

Die Umstände des dem unbekannten Lenker des auf den Beschwerdeführer zugelassenen Kraftfahrzeuges vorgeworfenen Deliktes - nämlich einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 - können ganz außer Betracht bleiben, da die Anwendung des § 103 Abs. 2 KFG durch die Behörde nicht davon abhängt, daß eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung verfolgt wird (vgl. hiezu Erkenntnis vom 24. Februar 1988, Zl. 87/03/0163 und die weitere dort zitierte Judikatur).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das von der Behörde verwendete Anfrageformular weder unvollständig noch irreführend, da darin eindeutig unter anderem danach gefragt wird, wo der Lenker wohnhaft ist. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus dem oben zitierten Gesetzestext, wonach u. a. "die Anschrift der betreffenden Person" anzugeben ist. Dem Beschwerdeführer als Inhaber einer Lenkerberechtigung mußte diese kraftfahrrechtliche Bestimmung bekannt sein. Unrichtig ist ferner die Ansicht des Beschwerdeführers, die Verwendung eines solchen Formulars habe einer Verordnung oder gar der Aufnahme in die Verwaltungsformularverordnung bedurft.

Unrichtig ist ferner die Ansicht des Beschwerdeführers, er sei als Zulassungsbesitzer nicht verpflichtet, bei der Überlassung seines Fahrzeuges an Dritte deren Namen und Anschrift zu erheben, wie ein Blick auf die oben zitierte Gesetzesstelle erweist. Unrichtig ist die weitere Meinung des Beschwerdeführers, die Behörde hätte die Anschrift des Lenkers im Zentralmeldeamt erforschen können oder müssen; dies deshalb, weil mangels eines für ganz Österreich geführten zentralen Melderegisters sich dann diese Möglichkeit nur auf an einem bestimmten Wohnort gemeldete Personen erstrecken würde, das heißt weder nicht gemeldete Personen noch solche mit einem Wohnort außerhalb der Gemeinde erfassen würde.

Bei der unvollständigen Beantwortung einer Lenkeranfrage, deren Inhalt durch § 103 Abs. 2 KFG vorgegeben ist, handelt es sich um einen Inhaltsmangel und um kein verbesserungsfähiges Formgebrechen.

Daß die Angabe der Stadt, in der der Lenker wohnhaft ist, allein nicht genügt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnis vom 23. März 1983, Zl. 83/03/0049, 0050 und die weitere dort zitierte Judikatur).

Die Behörde war auch, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, nicht verpflichtet, nach unvollständiger Auskunftserteilung an den Zulassungsbesitzer eine neuerliche Anfrage zu richten (vgl. Erkenntnis vom 13. Jänner 1988, Zl. 87/03/0193).

Unrichtig ist ferner die Ansicht des Beschwerdeführers, die Behörde hätte den in der Lenkerauskunft fehlenden Teil ausdrücklich im Spruch ihres Straferkenntnisses anführen müssen. Durch die wörtliche Wiedergabe der - unvollständigen - Lenkerauskunft ergab sich im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0069) eindeutig, wegen welchen Mangels in der Lenkerauskunft die Bestrafung erfolgte.

Somit erweisen sich alle Rügen in der Schuldfrage als nicht gerechtfertigt.

Aber auch die Rüge in der Straffrage vermag nicht zu überzeugen:

Der Beschwerdeführer hat sowohl am 9. Februar als auch am 6. Juni 1989 aus Anlaß von Akteneinsichten erklärt, er werde, sofern seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse noch nicht im Akt enthalten seien, diese in einer folgenden Stellungnahme ausführen. Unter einem nahm er zur Kenntnis, daß beim Unterlassen der Bekanntgabe keine ungünstigen Verhältnisse angenommen werden können. Der Beschwerdeführer machte über diese Umstände keinerlei Angaben, so daß die belangte Behörde mit Recht von einer Schätzung ausgehen konnte.

Sofern der Beschwerdeführer sich auf das Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0172, beruft, ist dazu folgendes zu sagen:

In dem dem dortigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren war eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe drei Wochen) wegen einer Übertretung nach § 367 Z. 26 Gewerbeordnung 1973 verhängt worden. In DIESEM Sachzusammenhang äußerte der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, daß ungeachtet der Weigerung des dortigen Beschwerdeführers, seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekanntzugeben, die Behörde nach der Offizialmaxime den maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln und entsprechende Sachverhaltsfeststellungen über diese bis nun verschwiegenen Umstände zu machen gehabt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht der Ansicht, daß diese rechtlichen Erwägungen auf Geldstrafen JEDER HÖHE anzuwenden sind, weil dadurch dem in § 39 Abs. 2 AVG 1950 verankerten Grundsatz der möglichsten Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis zuwidergehandelt werden würde, nämlich in Fällen, da relativ geringe Geldstrafen verhängt wurden. Amtswegige Nachforschungen nach den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisses eines Bestraften, der solche Angaben ausdrücklich verweigert hat, können daher von der belangten Behörde nicht in jedem Fall verlangt werden.

Im vorliegenden Fall sieht der Verwaltungsgerichtshof einerseits mit Rücksicht auf den Beruf des Beschwerdeführers, andererseits auf seine Weigerung, über die genannten Verhältnisse trotz vorheriger zweimaliger Erklärung Angaben zu machen, Umstände, nach denen die belangte Behörde von ihrem Recht zur Einschätzung Gebrauch machen konnte. Dem Beschwerdeführer gelang es nicht, nachzuweisen, daß diese Einschätzung unter Verstoß gegen die Grundsätze des § 19 VStG 1950 erfolgte.

Der auch in der Straffrage unbegründeten Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitFormgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180177.X00

Im RIS seit

07.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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