TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/11 89/18/0197

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Veröffentlicht am 11.05.1990
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

GmbHG §18;
StVO 1960 §82 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs3 litd;
VStG §22 Abs1;
VStG §22 Abs2;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §9;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 25. Oktober 1989, Zl. MA 70-10/1585/89/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Laufe des Frühjahrs und Sommers des Jahres 1988 erstatteten Organe der Bundespolizeidirektion Wien mehrere Anzeigen dahin, daß in bestimmten Straßen Wiens ohne Bewilligung Werbung dadurch betrieben werde, daß Werbezettel auf den Windschutzscheiben parkender Fahrzeuge, meist hinter den Scheibenwischern eingeklemmt, angebracht würden. Es handelte sich jeweils um rot auf weiß bedruckte Zettel im Ausmaß von ca. 20 x 30 cm, auf deren einer Seite für die "XY" mit dem Standort A-Gasse, und auf deren anderer Seite für die "ZZ" mit dem Standort B-Gasse, geworben wurde. In den verschiedenen Anzeigen wurden als Angezeigte zum Teil der Verantwortliche der erstgenannten Diskothek und des Lokals "ZZ", zum Teil CC als Verantwortlicher der Bar "ZZ", aber auch die "XX-Gesellschaft m.b.H." als Verantwortliche der oben genannten Diskothek erwähnt; daneben wurden die teils bekannten, teils unbekannten Personen angezeigt, die die Zettel an den Kraftfahrzeugen angebracht hatten. In einem Bericht eines Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Juni 1988 hieß es, Verantwortlicher "des gegenständlichen Lokals" sei der Beschwerdeführer, wohnhaft sowohl in C-Gasse als auch in A-Gasse. In einem Aktenvermerk des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk vom 3. November 1988 wird der Beschwerdeführer ebenfalls als an beiden genannten Anschriften wohnhaft bezeichnet.

Das genannte Magistratische Bezirksamt erließ unter dem Datum des 31. Oktober 1988 gegen den Beschwerdeführer unter der Anschrift A-Gasse, eine Strafverfügung des Inhaltes, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener der "XX-Gaststätten Betriebsgesellschaft m.b.H." zu verantworten, daß diese zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten die Straße und den darüber befindlichen Luftraum durch Hinterlegen von Werbematerial an abgestellten Fahrzeugen ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe. Er habe hiedurch die Rechtsvorschriften der §§ 99 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit § 82 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit § 9 VStG 1950 verletzt; es wurden gemäß der erstgenannten Gesetzesstelle Geldstrafen von je S 500,--, das sind insgesamt S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer an der Anschrift A-Gasse, durch Hinterlegung (Beginn der Abholfrist 16. November 1988) zugestellt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig schriftlichen Einspruch, wobei er seine Anschrift mit C-Gasse, angab. Das Magistratische Bezirksamt forderte den Beschwerdeführer unter der Anschrift A-Gasse am 15. Juni 1989 schriftlich zur Rechtfertigung auf, wobei ihm dieselben Taten wie in der Strafverfügung zur Last gelegt wurden. Er möge am 30. Juni 1989 - später handschriftlich verbessert auf 25. Juli 1989 - zu bestimmter Zeit beim Amt erscheinen oder sich schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt rechtfertigen. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung an der letztgenannten Anschrift am 29. Juni 1989 und nochmals am 18. Juli 1989 zugestellt. Der Beschwerdeführer erschien nicht und rechtfertigte sich nicht.

Unter dem Datum des 1. August 1989 erließ das Magistratische Bezirksamt an den Beschwerdeführer, diesmal ausdrücklich unter der Anschrift der XX-Gaststätten Betriebsgesellschaft m.b.H., A-Gasse, ein Straferkenntnis dahin, daß er es als zur Vertretung nach außen Berufener der "XX-Gaststätten Betriebsgesellschaft m.b.H." zu verantworten habe, daß diese am 9. Mai 1988 in Wien 2, Venediger Au gegenüber Nr. 4, am 17. Mai 1988 in Wien 1, Elisabethstraße 8-14 und 7-9 bzw. Schillerplatz Nr. 1-4, am 19. Mai 1988 in Wien 1, Liebenbergdenkmal, am 31. Mai 1988 in Wien 1, Stubenring 1-5 und 2-12 sowie in der gesamten Schallautzergasse, am 29. Juni 1988 in Wien 19, Ratstraße 1-47 und 2-54, am 8. Juli 1988 in Wien 1, im Bereich Rathausplatz und Reichsratsstraße, am 29. Juli 1988 in Wien 1, Reichsratsstraße sowie Rathausplatz und umliegende Straßenzüge und am 10. August 1988 in Wien 1, Akademiestraße 1 und 2 die Straße und den darüber befindlichen Luftraum durch Hinterlegung von Werbematerial an abgestellten Fahrzeugen ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe. Er habe hiedurch §§ 99 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit § 82 Abs. 1 StVO, ferner in Verbindung mit § 9 VStG 1950, verletzt, es wurden nach der erstgenannten Gesetzesstelle Geldstrafen von je S 500,--, das seien insgesamt S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 12 Stunden, das seien insgesamt vier Tage) verhängt. Die Begründung des Straferkenntnisses ging dahin, der Beschwerdeführer habe (ergänze: im Einspruch gegen die Strafverfügung) die ihm zur Kenntnis gebrachten Tatbestände ohne nähere Ausführung bestritten; die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen, habe der Beschwerdeführer nicht genutzt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer unter der Anschrift der oben genannten Gesellschaft m.b.H. in A-Gasse, am 24. August 1989 durch Hinterlegung zugestellt. Mit Postaufgabedatum vom 7. September 1989 erhob der Beschwerdeführer, diesmal unter der Anschrift A-Gasse, gegen dieses Straferkenntnis schriftlich Berufung mit dem Vorbringen, er habe niemals die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen angeordnet. Außerdem arbeite er zu gewerblichen Zwecken stets mit der gemeindeeigenen Firma GEWISTA zusammen, was unschwer zu beweisen sei. Es möge seiner Berufung stattgegeben werden.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 entschied die Wiener Landesregierung über diese Berufung dahin, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 bestätigt werde. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nach dem Stand des Handelsregisters des Handelsgerichtes Wien Geschäftsführer der XX-Gaststätten Betriebsgesellschaft m.b.H., was er auch gar nicht in Abrede stelle. Es sei als erwiesen zu erachten, daß zu den verschiedenen Tatzeiten an den verschiedenen Tatorten Flugblätter für die Lokale "ZZ" und "XY" verteilt worden seien durch Hinterlegung an den Windschutzscheiben geparkter Fahrzeuge. Die Bewilligung für eine solche werbende Tätigkeit sei nicht erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer für die angeführten Lokale verantwortlich. Auch eine Zusammenarbeit der Gaststätten Betriebsgesellschaft m.b.H. mit der "GEWISTA" bedeute nicht, daß die erstgenannte Gesellschaft sich nicht auch anderer Werbemethoden bedient habe; der Beschwerdeführer habe jedes Vorbringen dahin unterlassen, daß die werbende Tätigkeit ohne oder gegen seinen Willen erfolgt sei. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. Oktober 1979, Slg. N.F. Nr. 9940/A, und die darauf folgende Rechtsprechung) verwirklicht, wer ohne Bewilligung nach dem X. Abschnitt der StVO Straßen (einschließlich des dazugehörigen darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes) zu verkehrsfremden Zwecken benützt, das Tatbild des § 99 Abs. 3 lit. d StVO. Nach dem Erkenntnis vom 8. Mai 1981, Zl. 02/3086/80, ist die Anbringung von Reklamezetteln hinter den Scheibenwischern parkender Autos als eine verkehrsfremde Benützung einer Straße im Sinne des § 82 Abs. 1 StVO anzusehen. Nach demselben Erkenntnis kann die zur Vertretung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach außen berufene Person unter Anwendung des § 9 VStG 1950 für eine solche Werbung, die der Gesellschaft mit beschränkter Haftung dient, zur Verantwortung gezogen werden.

Nach Darlegung dieser Rechtslage wird zu den einzelnen Beschwerdeausführungen wie folgt Stellung genommen:

Der Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei im Verwaltungsstrafverfahren mehrmals an unrichtiger Anschrift zugestellt worden, ist zu erwidern, daß er einerseits auch auf Zustellungen unter der Anschrift A-Gasse, durchaus rechtzeitig reagierte (z.B. durch den Einspruch gegen die Strafverfügung), andererseits, z.B. in seiner Berufung, als seine Anschrift AUCH A-Gasse, angab. Im übrigen ist auf § 4 ZustellG zu verweisen, wonach Abgabestelle unter anderem die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz ist. Daß diese Merkmale auf den Sitz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung A-Gasse zutreffen, wurde vom Beschwerdeführer nie bestritten.

Es ist daher nicht ersichtlich, daß Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers durch die im Verwaltungsstrafverfahren gehandhabte Art der Zustellungen verletzt wurden.

Die in der Beschwerde erhobene Frage, warum der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuständig sein solle und warum er für Maßnahmen dieser Gesellschaft einstehen solle, ist in tatsächlicher Hinsicht auf die unbestrittene Feststellung der belangten Behörde zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer Geschäftsführer der genannten Gesellschaft ist, in rechtlicher Hinsicht ist auf § 9 Abs. 1 VStG 1950 zu verweisen. Die Behauptung, die genannte Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreibe mehrere Unternehmen in verschiedenen Lokalen, für diese seien einzelne angestellte Geschäftsführer zuständig und verantwortlich, ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Tatsachenneuerung; im Verwaltungsstrafverfahren wurde niemals behauptet und bewiesen, daß für einzelne Betriebsstätten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, z.B. für die "XY" oder für das "ZZ", ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 bestellt worden wäre.

Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen sind, entgegen den Ausführungen der Beschwerde, aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnis klar zu entnehmen. Auch die von der Rechtsprechung an die Bestimmtheit von Tatort und Tatzeit gestellten Anforderungen (vgl. insbesondere Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11894/A) wurden durch das von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Straferkenntnis erfüllt.

Zur - nicht im einzelnen ausgeführten - Einrede der Verjährung ist darauf zu verweisen, daß die Strafverfügung des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk vom 31. Oktober 1988, abgefertigt am 3. November 1988, eine taugliche Verfolgungshandlung auch hinsichtlich des frühesten, nämlich am 9. Mai 1988 begangenen, Deliktes darstellt. Es kommt hiebei nicht auf den Tag an, an dem eine solche Verfolgungshandlung den Beschuldigten erreicht hat (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 860; Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.232/A).

Insofern der Beschwerdeführer rügt, die Frage der Verantwortlichkeit für einzelne Betriebsstätten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei nicht geklärt worden, ist er auf obige Ausführungen zu verweisen, wonach er im Verwaltungsstrafverfahren jegliches Vorbringen in Richtung der Bestellung verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 unterlassen hat. Dies stellt eine gröbliche Vernachlässigung der auch im Verwaltungsstrafverfahren bestehenden Mitwirkungspflicht des Beschuldigten (vgl. Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. N.F. Nr. 5007/A) dar.

Auch die Rechtsrüge, es handle sich bei den festgestellten acht Straftaten um ein fortgesetztes Delikt, ist unbegründet. Wie das Erkenntnis vom 22. Februar 1984, Zl. 83/03/0142, hinsichtlich eines ebenfalls dem § 99 Abs. 3 lit. d StVO unterstellten Sachverhaltes ausführte, ist von einem Sammeldelikt bei Deliktstypen zu sprechen, die auf die Gewohnheitsmäßigkeit, die Gewerbsmäßigkeit oder die Geschäftsmäßigkeit der Begehung abstellen, und zwar dann, wenn die Lebensführung oder innere Haltung abgegolten werden soll, die Einzeltaten nur als deren Ausdruck in Betracht kommen und vom Deliktstypus her gesehen funktional und wertmäßig eine Einheit bilden (Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10138/A). Gerade im vorliegenden Fall, bei dem der Beschwerdeführer die Werbezetteln ja nicht eigenhändig an den Kraftfahrzeugen angebracht hat, vielmehr die Veranlassung bestimmter Einzelpersonen zu den Werbungshandlungen namens der genannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 strafrechtlich zu verantworten hat, kann von den persönlichkeitsbezogenen Merkmalen eines fortgesetzten Deliktes keine Rede sein. Daß die acht Delikte insbesondere nach den verschiedenen Tatzeiten sich voneinander unterscheiden, ergibt sich aus der Fassung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, der jeweils unter einer Tatzeit auch mehrere in räumlicher Nähe gelegene Tatorte unter einem Delikt zusammenfaßt.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180197.X00

Im RIS seit

05.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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