TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/11 89/18/0179

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Veröffentlicht am 11.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §15 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 11. September 1989, Zl. MA 70-10/1315/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 11. September 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 30. August 1988 um 20.00 Uhr in Wien 8, auf der Kreuzung Alserstraße-Lange Gasse in Richtung Laudongasse als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges ein anderes Fahrzeug vorschriftswidrig rechts überholt, obwohl kein Fall des § 15 Abs. 2 und 2a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) gegeben gewesen sei. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 1 StVO begangen; gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, es habe sich bei dem Fahrmanöver des Beschwerdeführers nicht um ein zulässiges Vorbeifahren gehandelt, sondern um ein unzulässiges Überholen. Der Beschwerdeführer habe als Lenker eines Pkws, auf dem ersten Fahrstreifen fahrend, den auf dem zweiten Fahrstreifen fahrenden Zeugen XY zweifelsfrei vorschriftswidrig rechts überholt. Fahrzeugreihen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 29 StVO seien nicht vorhanden gewesen. Die Tat sei daher schon auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers selbst als erwiesen anzunehmen gewesen. Die Tat habe in nicht unerheblichem Maß das Interesse an der Verkehrssicherheit geschädigt. Ihr Unrechtsgehalt sei, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering gewesen. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei als erheblich anzusehen gewesen, da er vorsätzlich gehandelt habe. Bei der Strafbemessung sei die zur Tatzeit vorgelegene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt worden. Da der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung Angaben über seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse verweigert habe, seien diese von der Berufungsbehörde geschätzt worden. Auf Grund des Alters und der beruflichen Stellung des Beschwerdeführers als Angestellter sei von unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und von unbedeutendem Vermögen ausgegangen worden. Eine Sorgepflicht sei nicht angenommen worden. Der Strafrahmen reiche bis zu S 10.000,--. Die verhängte Geldstrafe sei angemessen und nicht zu hoch.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 StVO darf ein Fahrzeuglenker, außer in den Fällen des Abs. 2 und 2a, nur links überholen. Es ist infolge der Tatzeit VOR Inkrafttreten der 15. Novelle zur StVO folgendes zu bemerken:

Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren bei Fehlen einer besonderen gegenteiligen Übergangsregelung die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, gemäß § 1 Abs. 2 VStG 1950 nur hinsichtlich der Strafe die Folge, daß ein etwaiges nunmehr dem Täter günstiges Recht zur Anwendung zu kommen hat (vgl. Erkenntnis vom 24. Mai 1956, Slg. N.F. Nr. 4074/A; Quell, Das Verwaltungsverfahren7, Seite 353, Anmerkung 4).

§ 15 Abs. 1 StVO enthält infolge der Wendung "darf der Lenker eines Fahrzeuges nur links überholen" ein Verbot, auf andere Weise zu überholen, sofern die Ausnahmsfälle des Abs. 2 und 2a nicht gegeben sind. Damit handelt es sich um eine verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950; die auf die Strafe angewendete Gesetzesbestimmung ist in § 99 Abs. 3 lit. a StVO enthalten und wurde von der Erstbehörde zutreffend zitiert. Es ist unrichtig, daß die Berufungsbehörde bei einer vollinhaltlichen Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung und mit einer Abänderung im festgestellten Sachverhalt im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 verpflichtet wäre, den gesamten Spruch eines Straferkenntnisses im Sinne des § 44a VStG 1950 zu wiederholen (ständige Rechtsprechung, z.B. Erkenntnisse vom 13. Jänner 1982, Zl. 81/03/0219 und vom 15. Jänner 1982, Zl. 81/02/0296).

Unzutreffend ist ferner die Ansicht der Beschwerde, der Spruch entspreche nicht dem Gebot des § 44a lit. a VStG 1950. Neben der Angabe von Tatort und -zeit ist beim Delikt des § 15 Abs. 1 StVO nur die Feststellung erforderlich, daß der Lenker eines Fahrzeuges links überholt habe, obwohl die Fälle des Abs. 2 und 2a dieses Paragraphen nicht vorlagen. Eine weitere Konkretisierung des Spruches ist weder erforderlich noch nach den Regeln der Denkgesetze möglich. Es ist unrichtig, daß der Spruch "mehrere denkmögliche Varianten offen" lasse.

Sofern der Beschwerdeführer behauptet, das Delikt hätte "keinesfalls ... durch meine eigene Stellungnahme als erwiesen" angesehen werden dürfen, so ist er darauf zu verweisen, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes auf ihre inhaltliche Richtigkeit nicht unterliegt; zu prüfen hat der Verwaltungsgerichtshof nur die Schlüssigkeit der Erwägungen der Beweiswürdigung (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Daß die Erwägungen der Behörde unschlüssig sind, vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun.

Somit erweist sich die Beschwerde in der Schuldfrage als unbegründet.

Aber auch die Rüge in der Straffrage vermag nicht zu überzeugen. Wie aus dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 89/18/0177, hervorgeht, sind die vom Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0172, geprägten Rechtssätze hinsichtlich der amtswegigen Ermittlungspflicht nicht schlechthin auf Strafzumessungen jeglicher Art und jeglicher Höhe anzuwenden. In Anbetracht dessen, daß der Beschwerdeführer die dreimalige (nämlich am 30. November 1988, am 13. Februar und am 28. April 1989 erfolgte) Ankündigung, er werde seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse angeben, nicht verwirklichte, und daß er dreimal zur Kenntnis nahm, daß mangels einer solchen Bekanntgabe keine ungünstigen Verhältnisse angenommen werden können, ging die belangte Behörde mit Recht mit einer Einschätzung dieser Verhältnisse vor. Daß diese Einschätzung zu einem Verstoß gegen § 19 VStG 1950 führte, vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun.

Die auch in der Straffrage unbegründete Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

freie BeweiswürdigungVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180179.X00

Im RIS seit

13.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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