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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 3. November 1989, Zl. I/7-St-P-8947, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Es ist vom Beschwerdeführer unbestritten, daß er als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws am 5. Jänner 1988 um
16.13 Uhr auf der Autobahn A 2, bei Straßenkilometer 33,05, im Gemeindegebiet von Matzendorf-Hölles, die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat. Er berief sich auf Notstand und brachte folgendes vor:
Im Einspruch gegen die Strafverfügung: "Der Grund der Überschreitung der Geschwindigkeit war der, daß ich Schüsse vernommen habe oder glaubte diese zu vernehmen. Ich wollte mich aus der vermeintlichen Gefahrenzone begeben. Danach bin ich unmittelbar wieder auf 130 km/h zurückgegangen. Es handelt sich um einen entschuldbaren Irrtum oder eine entschuldbare Notlage, da ich mich durch die Schüsse bedroht glaubte." Mit dem Einspruch legte der Beschwerdeführer Zeitungsausschnitte der Wiener Zeitung vom 5. Jänner 1988 und der Kronen Zeitung vom 8. Jänner 1988 vor. Die darin vom Beschwerdeführer angestrichenen Zeitungsmeldungen gingen dahin, daß am Samstag, dem 2. Jänner 1988 auf der A 2 bei Lieboch in der Steiermark ein Unbekannter vorbeifahrende Autos beschossen habe, wobei Sachschaden entstanden sei. Nach der zweiten Meldung sei am Donnerstag, dem 7. Jänner 1988 auf der Westautobahn bei Altlengbach eine Pkw-Fahrerin von einem Unbekannten beschossen worden, es entstand Sachschaden.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) schuldig erkannt und zu einer Geld- und Ersatzarreststrafe verurteilt. Hinsichtlich des behaupteten Notstandes führte die Begründung des Straferkenntnisses aus, die in den Zeitungsausschnitten erwähnten Vorfälle könnten, da sie sich nicht am Tatort ereignet hätten, keineswegs als Entlastung für den Beschwerdeführer angesehen werden.
In seiner Berufung gegen dieses Straferkenntnis führte der Beschwerdeführer hinsichtlich des behaupteten Notstandes aus, er sei der Meinung gewesen, sich in einem Notstand zu befinden, er wollte sich so schnell wie möglich "daraus" begeben. Er habe Geräusche vernommen, die zumindest ihm wie Schüsse erschienen seien. Seine Vermutung sei erhärtet worden, da er bereits tags zuvor etwas derartiges in der Zeitung gelesen oder davon gehört habe. Auf der Südautobahn sei dies nicht zum ersten Mal erfolgt. Wegen der angeblichen Notlage und Bedrängnis sei er im Recht gewesen, er habe sich so verhalten müssen, um nicht verletzt zu werden. Es liege ein Schuldausschließungsgrund vor.
Mit Berufungsbescheid vom 3. November 1989 gab die Niederösterreichische Landesregierung der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit einer außerhalb des Gegenstandes des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens liegenden Maßgabe. Zum vom Beschwerdeführer behaupteten Notstand führte die Berufungsbehörde folgendes aus:
"Zum Wesen des Notstandes gehört es also zweifelsohne, daß die aufgetretene Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist.
Aus Ihrem gesamten Vorbringen ergibt sich nicht einmal ein Anhaltspunkt dafür, daß ein Notstand vorgelegen sein könnte. Sie sprechen doch selbst lediglich davon, daß Sie der "Meinung gewesen seien", sich in einem Notstand zu befinden bzw. von einer "Vermutung" und von einer "angeblichen Notlage". Von einer Gefahr, die - wie oben schon dargelegt - zum Wesen eines Notstandes gehört und die auch tatsächlich vorhanden sein müßte, um vom Vorliegen eines Notstandes überhaupt ausgehen zu können, kann in Ihrem Falle überhaupt keine Rede sein. In Ihrem Einspruch, auf den Sie in der Berufung verweisen, sprechen Sie von einer "vermeintlichen Gefahrenzone" und führen diesbezüglich an, daß Sie Schüsse vernommen hätten oder glaubten diese zu vernehmen. In der Berufung erwähnten Sie, daß Sie Geräusche vernommen hätten, die wie Schüsse Ihnen zumindest erschienen seien. Bereits "tagszuvor" hätten Sie "derartiges" in der Zeitung gelesen, also am 4. Jänner 1988. Hiezu sei angemerkt, daß - folgt man Ihren Angaben - dies nicht möglich sein konnte, da Sie in diesem Zusammenhang im Einspruch auf die Ausgabe der Wiener Zeitung vom 5. Jänner 1988 und auf die Ausgabe der Kronen Zeitung vom 8. Jänner 1988 hinweisen. Eine Zeitung, die noch nicht erschienen ist, konnten Sie wohl "tagszuvor" auch nicht gelesen haben. Sie versuchen also unter Heranziehung von Zeitungsberichten, die Sie - Ihrer eigenen Darstellung zufolge - noch gar nicht gelesen haben konnten, mangels eines tauglichen Rechtfertigungsgrundes, im Nachhinein einen Notstand für Ihr inkriminiertes Verhalten zum Tatzeitpunkt zu kreieren. Der erstinstanzlichen Bescheidbegründung ist diesbezüglich zu entnehmen, daß sich die in den Zeitungen erwähnten Vorfälle bereits am 2. Jänner 1988 bzw. erst am 7. Jänner 1988 - Sie fuhren jedoch am 5. Jänner 1988 im Gemeindegebiet von Matzendorf-Hölles auf der A 2 - und auch in ganz anderen Gebieten, nämlich, in der Steiermark bzw. auf der Westautobahn ereigneten. Daß Sie sich zum Tatzeitpunkt in dem im Straferkenntnis beschriebenen Tatortbereich in einem Notstand befunden haben, aus dem Sie sich "so schnell als möglich" herausbegeben hätten müssen, konnten Sie mit Ihrer Version vom "angeblichen" Vorliegen eines Notstandes, den Sie mit Hilfe der genannten Zeitungsartikel zu konstruieren versuchten, nicht einmal glaubhaft machen. Von einem "Nachweis" eines Schuldausschließungsgrundes, wie Sie in der Berufung hervorheben, kann sohin keine Rede sein. Ihrer in der Berufung geäußerten Auffassung, daß Ihre Behauptungen durch entsprechende Zeitungsablichtungen nachgewiesen seien, wird entgegengehalten, daß Sie, wie bereits erwähnt, Ihr Vorbringen nicht einmal glaubhaft machen konnten, geschweige denn imstande waren, einen Nachweis hiefür zu erbringen.
Auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage steht fest, daß Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung nicht nur in objektiver - die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde von Ihnen nicht bestritten -, sondern auch in subjektiver Hinsicht begangen haben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bekämpft im wesentlichen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, das z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die von bestimmten Verfahrensmängeln losgelöste Rüge, die belangte Behörde hätte "in dubio pro reo" entscheiden müssen, stellt keinen tauglichen Beschwerdegrund vor dem Verwaltungsgerichtshof dar (Erkenntnisse vom 23. Mai 1984, Zl. 84/03/0005 und Zl. 83/03/0379).
Der Beschwerdeführer hat die erstmals in seiner Beschwerde erwähnten Beweisanträge im Verwaltungsstrafverfahren nicht gestellt und damit gegen seine Mitwirkungspflicht im Sinne des Erkenntnisses vom 26. Juni 1959, Slg. N.F. Nr. 5007/A, verstoßen. Im übrigen stellten diese Beweisanträge, selbst wenn sie rechtzeitig im Verwaltungsstrafverfahren gestellt worden wären, unzulässige Erkundungsbeweise dar, da sie nicht die Behauptung bestimmter Sachverhalte enthalten, sondern der Behörde - im Nachhinein und damit verspätet - zum Vorwurf machen, sie habe nicht geprüft, ob bestimmte Tatsachen vorgelegen seien oder nicht.
Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragVerfahrensbestimmungen DiversesBeweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180198.X00Im RIS seit
11.05.1990Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009