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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Oberösterreichische Landesregierung vom 2. Mai 1989, Zl. VerkR-10.799/1-1989-II/Bi, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 ergangene Strafverfügung.
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 16. März 1989 wurde der Einspruch der Beschwerdeführerin gegen die wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung ergangene Strafverfügung derselben Behörde vom 18. April 1988 als verspätet eingebracht zurückgewiesen, wobei die Behörde entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon ausging, daß die erwähnte Strafverfügung laut Rückschein am 29. April 1988 beim Postamt 4600 Wels hinterlegt worden sei und die Abholfrist an diesem Tage zu laufen begonnen habe. Gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes würden hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, weshalb die zweiwöchige Einspruchsfrist am 13. Mai 1988 geendet habe. Der vorliegende Einspruch sei jedoch erst am 16. Mai 1988 schriftlich erhoben worden. Dem Vertreter der Beschwerdeführerin sei die Verspätung des Einspruches zur Kenntnis gebracht worden, woraufhin er der Behörde mitgeteilt habe, daß die Beschwerdeführerin zur Zeit der Hinterlegung der Strafverfügung auf einer längeren Auslandsreise gewesen und erst am 10. Mai 1988 wieder aus dem Ausland zurückgekehrt sei. Die Zustellung sei daher erst am 10. Mai 1988 wirksam geworden. Die Beschwerdeführerin sei daraufhin aufgefordert worden, für den Zeitraum des behaupteten Auslandsaufenthaltes Beweise beizubringen. In der dazu am 14. Oktober 1988 übermittelten Stellungnahme sei jedoch kein Beweis angeboten, sondern lediglich die Einvernahme der Beschwerdeführerin beantragt worden. Da bis zum heutigen Tage keine derartigen Beweise eingelangt seien und somit die Frist wesentlich überschritten worden sei, sei mit Recht anzunehmen, daß die Beschwerdeführerin keine derartigen Beweise beibringen könne. Der Einspruch sei somit als verspätet eingebracht anzusehen.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 1989 wurde der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt.
Die Berufungsbehörde verwies in der Begründung ihres Bescheides auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides und hielt dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin entgegen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit der bloßen Behauptung eines Auslandsaufenthaltes (ohne nähere Angaben mit Anbot von Beweisen hiefür) das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden könne. Die Einvernahme der Beschwerdeführerin allein reiche im gegenständlichen Falle deshalb nicht aus, weil sie als Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren nicht unter der Wahrheitspflicht des StGB stehe und weil sie zum anderen jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, entweder persönlich vor der Behörde zu erscheinen (die Einvernahme wäre auch ohne vorangegangene Ladung erfolgt) oder ihre Beweise den schriftlichen Stellungnahmen ihrer Rechtsvertreter anzuschließen (auch diese seien ihr zurechenbar). Unter den gegebenen Umständen schließe sich die Berufungsbehörde der Ansicht der Behörde erster Instanz, die Beschwerdeführerin könne keine Beweise für ihre behauptete Ortsabwesenheit vorbringen, vollinhaltlich an, sodaß davon auszugehen sei, daß die Hinterlegung der Strafverfügung am 29. April 1988 zu Recht erfolgt und das Rechtsmittel als verspätet eingebracht anzusehen gewesen sei. Die Strafverfügung vom 18. April 1988 sei somit in Rechtskraft erwachsen.
Mit Beschluß vom 26. September 1989, Zl. B 707/89-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die vorstehend wiedergegebene Begründung der belangten Behörde mit dem Argument, daß nach ständiger Rechtsprechung auch die Vernehmung des Beschuldigten im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens als taugliches Beweismittel in Frage komme, weshalb die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin Folge zu geben und sie zur Vernehmung vorzuladen gehabt hätte. Die Beschwerdeführerin hätte ihre Beweismittel auch nicht ihren schriftlichen Eingaben beilegen können, da dies im Falle der von ihr beantragten Parteieneinvernahme denkunmöglich sei. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß dem Akteninhalt keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen sei, daß das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihre Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des Zustellversuches und während der Hinterlegungsfrist unrichtig sei. Bei dieser Beweislage hätte die belangte Behörde der Berufung schon deshalb Folge geben müssen, weil nicht die Beschwerdeführerin die Beweislast für die Rechtzeitigkeit ihres Rechtsmittels trage, sondern die Verwaltungsbehörde die Beweislast für den Zeitpunkt der Zustellung. Es habe sich während des Verwaltungsstrafverfahrens nicht ergeben, daß die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wels der Beschwerdeführerin vor dem von ihr angegebenen Zeitpunkt zugekommen sei.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin aus nachstehenden Erwägungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Der Gerichtshof hat bereits wiederholt (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1988, Zl. 87/02/0197, und die darin zitierte Vorjudikatur) ausgesprochen, daß mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden kann. Der Beweis, daß die Zustellung vorschriftsgemäß erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Ein derartiges, durch entsprechende Beweisanbote untermauertes konkretes Vorbringen hat die Beschwerdeführerin aber nicht erstattet, obwohl sie dazu von der Behörde erster Instanz ausdrücklich aufgefordert worden ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, jenes Vorbringen, welches sie entsprechend ihrem Schriftsatz vom 14. Oktober 1988 zum Gegenstand der von ihr angebotenen persönlichen Einvernahme machen wollte, entsprechend dieser - auch nach ihrer Meinung nicht rechtswidrigen - behördlichen Aufforderung auf schriftlichem Wege vorzutragen und die Beweise für die Richtigkeit desselben dieser Eingabe anzuschließen. Auch wenn man der schon wiedergegebenen Auffassung der Beschwerdeführerin folgend davon ausgeht, daß im Hinblick auf den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950) auch die Beschuldigten-Einvernahme als Beweismittel anzusehen ist, so kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß die Beschwerdeführerin ihre Behauptung, sich in der fraglichen Zeit im Ausland aufgehalten zu haben, in keiner Phase des Verwaltungsverfahrens konkretisiert und auch in der Beschwerde keine diesbezüglichen näheren Angaben gemacht hat, sodaß nicht einmal beurteilt werden kann, inwiefern der behauptete Verfahrensmangel unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG überhaupt relevant ist, ob also die belangte Behörde bei Vermeidung desselben zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid hätte kommen können.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Beweismittel Urkunden Grundsatz der Unbeschränktheit Beweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180165.X00Im RIS seit
11.05.1990Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008