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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Ehegatten und Lebensgefährten bei der Einordnung in Steuerklassen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer; sachliche Rechtfertigung des Anknüpfens an formale familienrechtliche Kategorien und des Verzichts auf eine Gleichbehandlung von Vermögenstransfers zwischen den Partnern nicht formalisierter Gemeinschaften und solchen zwischen Ehegatten im ErbschaftssteuerrechtSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Schreiben vom 12. August 2004 zeigte die Beschwerdeführerin eine am 14. Juli 2004 zur Bestreitung ihres Unterhaltes erfolgte Schenkung von € 5.000,-- durch ihren Lebensgefährten und Vater ihrer beiden Kinder an. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS), Außenstelle Salzburg, wurde für den angezeigten Schenkungsvorgang gem. §§7 Abs1 und 8 Abs1 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1955, betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 - in der Folge: ErbStG), BGBl. 141, Schenkungssteuer iHv 14 vH des steuerpflichtigen Erwerbes, sohin mit € 684,60, festgesetzt. Begründend führt die belangte Behörde u.a. aus, dass für die Einordnung in die jeweilige Steuerklasse nach §7 Abs1 ErbStG die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers gegenüber dem Erblasser im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ausschlaggebend seien und in die Steuerklasse V alle Erwerber fielen, die nicht in den Steuerklassen I-IV genannt seien. Abgabenrechtlich sei grundsätzlich zwischen der Ehe und einer Lebensgemeinschaft zu unterscheiden, wobei gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von §7 Abs1 ErbStG bestünden.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch Anwendung des als verfassungswidrig gerügten §7 Abs1 ErbStG behauptet. Die Differenzierung zwischen Ehegatten und Lebensgefährten bei der Einordnung in Steuerklassen sei insbesondere in Fällen langjähriger Lebensgemeinschaften, aus denen Kinder hervorgegangen seien, unsachlich; die Lebensgemeinschaft sei in Hinblick auf die gleichermaßen wie in einer Ehe bestehenden wechselseitigen sittlichen Pflichten einer Ehe gleichzuhalten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könne die Einschätzung - die auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 10.064/1984 geteilt habe -, dass wesentliche Unterschiede zwischen der Institution der Ehe und einer Lebensgemeinschaft eine differenzierende Behandlung durch den Gesetzgeber rechtfertigen, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre hätten den Bundes- und Landesgesetzgeber dazu veranlasst, eine Gleichstellung zumindest in jenen Fällen herzustellen, in denen die Lebensgemeinschaft seit geraumer Zeit bestehe und ihre Ausgestaltung einer ehelichen Lebensgemeinschaft entspreche.
Durch das Abstellen auf die persönliche Beziehung des Erwerbers zum Erblasser in §7 ErbStG sei die Belastung bei jenen Personen am geringsten, die dem Erblasser am nächsten stehen. Dennoch werde die Beschwerdeführerin als langjährige Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen Kinder als "Fremde" in die höchste Steuerklasse eingestuft. Die Schlechterstellung von Lebensgemeinschaften gegenüber - womöglich kinderlosen - Ehen sei daher unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Familie bzw. des Schutzes der Ehe als Keimzelle der Gesellschaft in heutiger Zeit sachlich nicht mehr begründbar.
3. Der UFS legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der UFS argumentiert, dass sich gerade das ErbStG in seinen Tatbeständen stark an zivil- und familienrechtlichen Gestaltungsformen orientiere und ein Anknüpfen an diese Bestimmungen daher sachgerecht erscheine.
Der Gesetzgeber habe zwar beispielsweise die Befreiungsbestimmung des §15 Abs1 Z16 ErbStG auf Zuwendungen an eine Person, die mit dem Erblasser in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt hat, ausgedehnt, jedoch nicht mit der Intention der Gleichstellung, sondern der steuerlichen Förderung der "dritten Säule" der Altersversorgung. Begünstigt seien auch Zuwendungen an Lebensgefährten zum Zweck des angemessenen Unterhaltes gem. §15 Abs1 Z9 ErbStG, dessen Anwendung die belangte Behörde im vorliegenden Fall - im Hinblick auf die zusätzlichen Unterhaltsleistungen des Geschenkgebers und die eigenen Einkünfte der Beschwerdeführerin - allerdings verneinte.
Für die Sachlichkeit der gerügten Bestimmung spreche auch, dass weder der deutsche Bundesfinanzhof noch das deutsche Bundesverfassungsgericht Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Lebensgefährten und Ehegatten bei der Einteilung der Steuerklassen und der Höhe des Steuersatzes hatten. Auch der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass sich die Institution der Ehe von einer Lebensgemeinschaft so wesentlich unterscheide, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die beiden Gemeinschaften in jeder Beziehung gleich zu stellen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei daher die ins Treffen geführte rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebensgemeinschaften noch nicht so weit fortgeschritten, dass eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Steuerklasse geboten wäre.
4. Rechtslage:
§§7, 8 und 15 ErbStG lauten in der hier maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:
"§7. (1) Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser werden die folgenden fünf Steuerklassen unterschieden:
I.
Steuerklasse I.
1.
Der Ehegatte,
2.
die Kinder; als solche gelten auch
a)
die an Kindes Statt angenommenen Personen,
b)
die Stiefkinder.
II.
Steuerklasse II.
Die Abkömmlinge der in der Steuerklasse I Z. 2 Genannten, die Abkömmlinge der an Kindes Statt angenommenen Personen jedoch nur dann, wenn sich die Wirkungen der Annahme an Kindes Statt auch auf die Abkömmlinge erstrecken.
III.
Steuerklasse III.
1.
Die Eltern, Großeltern und weiteren Voreltern,
2.
die Stiefeltern,
3.
die voll- und halbbürtigen Geschwister.
IV.
Steuerklasse IV.
1.
Die Schwiegerkinder,
2.
die Schwiegereltern,
3.
die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern.
V.
Steuerklasse V.
Alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen.
(2) ...
3. Berechnung der Steuer.
§8. (1) Die Steuer beträgt bei Erwerben
bis einschließlich in der Steuerklasse
Euro I II III IV V
7 300 ........... 2 4 6 8 14
14 600 ........... 2.5 5 7.5 10 16
29 200 ........... 3 6 9 12 18
43 800 ........... 3.5 7 10.5 14 20
58 400 ........... 4 8 12 16 22
73 000 ........... 5 10 15 20 26
109 500 ........... 6 12 18 24 30
146 000 ........... 7 14 21 28 34
219 000 ........... 8 16 24 32 38
365 000 ........... 9 18 27 36 42
730 000 ........... 10 20 30 40 46
1 095 000 ........... 11 21 32 42 48
1 460 000 ........... 12 22 34 44 51
2 920 000 ........... 13 23 36 46 54
4 380 000 ........... 14 24 38 48 57
und darüber .......... 15 25 40 50 60
v. H. des Erwerbes.
(2) ...
(3) ...
(4) Die sich nach den Abs1 und 2 oder nach dem Abs3
ergebende Steuer erhöht sich bei Zuwendungen
a) an den Ehegatten, einen Elternteil, ein Kind, ein
Enkelkind, ein Stiefkind, ein Wahlkind oder ein
Schwiegerkind des Zuwendenden um ................ 2 vH
b) an andere Personen um ...................... 3,5 vH
des Wertes der durch die Zuwendung erworbenen Grundstücke.
(5)...
...
§15. (1) Steuerfrei bleiben außerdem
1. - 15.
16. Ruhegehälter und ähnliche Zuwendungen, die Ehegatten, Kinder oder Personen, mit denen der Erblasser in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt hat, auf Grund eines vom Erblasser mit seinem Dienstgeber geschlossenen Pensionsvertrages oder auf Grund eines für die Pensionsansprüche geltenden Kollektivvertrages oder auf Grund einer Pensionszusage des Dienstgebers oder von einer Pensionskasse des Betriebes des Dienstgebers beziehen, weiters Pensionen, die Ehegatten, Kinder oder Personen, mit denen der Erblasser in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt hat, auf Grund einer vom Erblasser abgeschlossenen Pensionszusatzversicherung (§108b des Einkommensteuergesetzes 1988) einschließlich von Pensionszusatzversicherungen in Verbindung mit §17 des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes - BMVG, BGBl. I Nr. 100/2002, oder gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften erfüllt beziehen;
..."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bereits im Erkenntnis VfSlg. 10.064/1984 hat der Gerichtshof (auch damals im Zusammenhang mit den Steuerklassen des Erbschaftssteuergesetzes) die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber sei im Hinblick auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Lebensgemeinschaften und Ehen keineswegs genötigt, die beiden Gemeinschaften in jeder Hinsicht gleichzustellen. Die eheliche Gemeinschaft beruhe auf einer rechtlichen Institution, die ein wesentliches Element der rechtlichen Ordnung menschlicher Beziehungen bilde, während für nichteheliche Lebensgemeinschaften eine vergleichbare rechtliche Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht bestehe.
Der Gerichtshof bleibt im Ergebnis bei dieser Auffassung:
Wenn der Gesetzgeber bei der Tarifgestaltung der Erbschaftssteuer Ehegatten in die Steuerklasse I einordnet, Partner einer Lebensgemeinschaft hingegen in diesem Zusammenhang nicht explizit erwähnt (so dass sie in die Steuerklasse V fallen), so berücksichtigt er damit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die nach wie vor vielfältigen Unterschiede, die zwischen diesen beiden Formen der Partnerschaft bestehen. Das Eingehen einer Ehe begründet eine umfassende eheliche Lebensgemeinschaft, die nur unter besonderen Voraussetzungen wieder aufgelöst werden kann, und zieht eine Reihe von persönlichen Rechtswirkungen nach sich. Die Partner einer Ehe treffen insbesondere verschiedene Verpflichtungen, denen jeweils Rechtsansprüche des anderen Partners korrespondieren (§§90, 94 ff. ABGB). Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind derartigen Pflichten nach der derzeitigen Rechtslage nicht unterworfen; insbesondere sind sie einander nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet; es steht ihnen überdies frei, die Gemeinschaft jederzeit aufzulösen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 2006, S. 446).
Auch erbrechtliche Konsequenzen (in Form eines gesetzlichen Erbrechtes) werden vom bürgerlichen Recht nur mit der Ehe, nicht mit anderen Formen der Partnerschaft verknüpft (§757 ABGB). Überhaupt spiegeln die Steuerklassen des §7 ErbStG weitgehend die Grundsätze der zivilrechtlichen Erbfolge wider (vgl. auch Meincke, ErbStG14, 2004, §15, Rz. 2). Dem Gesetzgeber des ErbStG kann aber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der Abstufung des Tarifes den Wertentscheidungen des Erbrechtes folgt.
Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass das Erbschaftssteuerrecht offenbar auch aus Gründen der Praktikabilität bei der Umschreibung und Abgrenzung der Steuerklassen in §7 ErbStG an formale Kriterien des Familienstandes, der Verwandtschaft und Schwägerschaft anknüpft und die im Einzelfall gegebene persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten in jeder Hinsicht außer Betracht lässt. Angesichts dessen besteht aber keine Veranlassung, die Steuerklasseneinteilung des §7 ErbStG einer Prüfung zu unterziehen oder gar die Steuerklasse I auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anzuwenden.
Der Gerichtshof übersieht dabei weder, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften in verschiedenen Formen im Vordringen begriffen sind, noch, dass der Gesetzgeber in bestimmten Belangen (so etwa auch in §15 Abs1 Z16 ErbStG) heute auf diese Gemeinschaften Bedacht nimmt. Derartiges ist ihm von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht verwehrt. Es mag auch sein, dass in Teilbereichen der Rechtsordnung eine Differenzierung zwischen der Ehe und nichtehelichen Partnerschaften sachlich nicht (mehr) zu rechtfertigen ist. Dies hängt von Art und Inhalt der Regelung und dem jeweiligen Sachzusammenhang ab. Im Erbschaftssteuerrecht, bei dem es um die steuerliche Belastung von Vermögenstransfers zu einem bestimmten Zeitpunkt geht, handelt der Gesetzgeber jedenfalls nicht unsachlich, wenn er - auch im Hinblick auf andernfalls gegebene Missbrauchsmöglichkeiten oder Schwierigkeiten der Sachverhaltsermittlung - an formale familienrechtliche Kategorien (Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft) anknüpft und darauf verzichtet, Vermögenstransfers zwischen den Partnern nicht formalisierter Gemeinschaften, mögen diese auch wesentlich größere Bedeutung haben als früher, jenen zwischen Ehepartnern gleichzustellen.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob im Falle der weiteren Verrechtlichung nichtehelicher Gemeinschaften aus verfassungsrechtlicher Sicht notwendigerweise auch erbschaftssteuerliche Konsequenzen zu ziehen wären (vgl. BFH vom 27.10.1982, II B77/81, BStBl. 1983 II 114).
2. Da die Beschwerdeführerin nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (z.B. VfSlg. 9607/1983, 10.981/1986).
Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Erbschafts- und Schenkungssteuer, Ehe und Verwandtschaft, Lebensgemeinschaft, ErbrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B771.2006Dokumentnummer
JFT_09938988_06B00771_00