TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/11 90/18/0015

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Veröffentlicht am 11.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Burgenländische Landesregierung vom 19. Dezember 1989, Zl. VI/2-2536/10-1989, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 19. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws am 8. Februar 1989 um

3.45 Uhr in Eisenstadt, Glorietteallee Nr. 13, an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen zu sein und 1) an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt zu haben, indem er sich vom Unfallsort entfernt habe, sowie 2) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von diesem Verkehrsunfall verständigt zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch zu

1) eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 und zu 2) nach § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt worden sind.

Entsprechend dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlichen Teil der Begründung ihres Bescheides nahm die Berufungsbehörde an, aus den völlig übereinstimmenden Aussagen der Zeugen N. und S. ergebe sich, daß der Beschwerdeführer, als sich der Zeuge S. dem Unfallsort genähert habe, in Richtung Esterhazystraße davongelaufen sei. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Beobachtungsfehler der Zeugin N. würden mangels näherer Konkretisierung, welcher Art diese Fehler gewesen sein könnten und auf Grund welcher Tatsachen es dazu gekommen sein könnte, eindeutig eine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers darstellen, die nicht dazu angetan sei, eine weitere diesbezügliche Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen. Die Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Tatherganges stünden in völligem Widerspruch zu den Angaben der beiden Zeugen, die im Gegensatz zum Beschwerdeführer unter der Strafdrohung des § 289 StGB stünden, während es dem Beschwerdeführer freistehe, seine Verteidigung so zu wählen, daß er möglichst Straffreiheit erlange. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß er den Zeugen S. persönlich kenne und auch dieser gewußt habe, wer er sei, da er ihn mit Namen angesprochen und mit der Fahrschule seines Vaters in Beziehung gebracht habe, somit ein förmlicher Identitätsnachweis nicht erforderlich gewesen sei, stehe die eindeutige Aussage des Zeugen entgegen, wonach er den jungen Mann, der bei seinem Ansichtigwerden davongerannt sei, nicht gekannt und mit ihm auch kein Wort gewechselt habe, da dieser eben davongelaufen sei. Ebenso verhalte es sich mit der Feststellung des Beschwerdeführers, daß der Zeuge S. ihm seine Polizzennummer auf die in Kopie der Behörde vorgelegte Visitenkarte geschrieben habe. Diesbezüglich habe der Zeuge eindeutig festgestellt, daß er dem Beschwerdeführer keine Visitenkarte ausgehändigt und keine Polizzennummer bekanntgegeben habe, da er ja nicht einmal mit dem Beschwerdeführer gesprochen habe. Zu dieser Visitenkarte sei noch zu bemerken, daß der Zeuge eindeutig dargetan habe, daß die Angaben auf dieser Karte schon seit Jahren nicht mehr aktuell seien und diese Karte daher von ihm nicht mehr verwendet werde. Eine Visitenkarte diene der Bekanntgabe des Namens, der Anschrift und eventuell der Telefonnummer einer bestimmten Person, sodaß es der Behörde völlig widersinnig erscheine, wenn eine Visitenkarte, deren Angaben seit Jahren überholt seien, verwendet würde, insbesondere in der gegebenen Situation, in der ein großes Interesse des Zeugen an einer Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer infolge der Beschädigung seines Fahrzeuges durch diesen als gegeben anzunehmen sei und daher richtige Angaben auf der Visitenkarte des Zeugen für diesen von evidenter Bedeutung seien. Es könne nicht angenommen werden, daß der Zeuge S. gegen seine eigenen Interessen gehandelt habe und es sei von ihm auch eindeutig klargestellt worden, daß er dem Beschwerdeführer keine Visitenkarte übergeben habe. Es kann wohl auch angenommen werden, daß der Zeuge S. kein Interesse an einer behördlichen Verfolgung des Beschwerdeführers gehabt hätte, wenn ein Identitätsnachweis und der Austausch der Polizzennummer stattgefunden hätte. Weiters sei hiezu festzustellen, daß der Beschwerdeführer erst in seiner Stellungnahme vom 23. August 1989, also ca. sechs Monate nach der Tat, die Behörde von der angeblichen Existenz dieser Visitenkarte informiert habe. In seiner ersten Stellungnahme vom 29. März 1989, also relativ kurze Zeit nach der Tat, finde sich kein Hinweis auf diese Visitenkarte, sondern werde lediglich behauptet, daß der Beschwerdeführer und der Zeuge S. einander persönlich gekannt hätten und der Zeuge dem Beschwerdeführer die Versicherungsnummer der Kraftfahrzeuge bekanntgegeben habe. Es sei eine menschliche Erfahrungstatsache, daß zeitig früher gemachte Aussagen eher der Wahrheit entsprechen als zeitlich später, bereits im fortgeschritten Ermittlungsstadium und in Kenntnis des Aktes getätigte Aussagen. Bei Vorliegen eines Sachverhaltes, wie ihn der Beschwerdeführer geschildert habe, wäre es auch völlig unverständlich, daß der Zeuge S. die bereits angeführten Angaben gegenüber dem den Sachverhalt aufnehmenden Polizeibeamten gemacht hätte, da er gewußt hätte, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen gehabt hätte. Dies stelle nämlich den Grund für die gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 aufgestellte Verpflichtung zur Meldung dar. Bei erfolgtem Identitätsnachweis bzw. bei persönlicher Bekanntschaft der Beteiligten könne daher diese Meldung entfallen. Eine graphologische Untersuchung der Visitenkarte erscheine auf Grund der obigen Darlegungen als nicht erforderlich. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß eine Versicherung einem Außenstehenden die Polizzennummer nicht bekanntgeben würde, werde erwidert, daß es sich beim Beschwerdeführer als Verursacher des Verkehrsunfalles wohl nicht um eine außenstehende, sondern um eine in diese Sache maßgeblich involvierte Person handle und daher aus diesem Vorbringen für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen sei. Es werde daher auf Grund der obigen Darlegung der Sachverhaltsdarstellung der Zeugen S. und N. mehr Glauben geschenkt als den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers. Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige betreffend die telefonische Verständigung durch die Zeugin N. vom Verkehrsunfall und die sofortige Abfahrt in Richtung Glorietteallee nicht stimmen könnten, da er nicht 1500 m hätte zurücklegen können, während der Meldungsleger mit dem Fahrzeug nur 250 m zurückgelegt habe, sei zu bemerken, daß zeugenschaftlich übereinstimmend festgestellt worden sei, daß der Beschwerdeführer bei Ansichtigwerden des Zeugen S. davongelaufen sei. Es erscheine keinesfalls unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer in der Zeit, in der Inspektor S. mit der Zeugin N. telefoniert habe, sodann den Meldungsleger informiert habe, dieser sich zum Pkw begeben und eine Strecke von ca. 250 m bis zur Begegnung mit dem Beschwerdeführer zurückgelegt habe, die ca. 1500 m lange Strecke laufend zurückgelegt habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Angaben der Zeugen P. und St. seien vom Meldungsleger unrichtig wiedergegeben worden, werde mangels näherer Konkretisierung, was ausgesagt worden sein soll, als bloße Schutzbehauptung gewertet. Ob die Aussage, der Beschwerdeführer habe zuviel Alkohol getrunken, tatsächlich gefallen sei, sei für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Eine zeugenschaftliche Vernehmung der beiden Zeugen erübrige sich auch deshalb, weil sie zum gegenständlichen Verkehrsunfall mangels Anwesenheit dabei keine Aussage hätten treffen können. Zur Kritik des Beschwerdeführers, daß seine Aussage und die Aussagen der Zeugen P. und St. vom Meldungsleger nicht niederschriftlich festgehalten, sondern nur sinngemäß in der Anzeige wiedergegeben worden seien, werde festgestellt, daß der Behörde eine Vorschrift, wonach Aussagen lediglich niederschriftlich festgehalten werden können, nicht bekannt sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei selbst am Unfallsort nicht anwesend gewesen, weshalb er auch keinerlei Angaben über die tatsächlichen Vorgänge unmittelbar nach dem Unfall machen könne, sodaß die Berufungsbehörde von seiner Einvernahme Abstand genommen habe.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Zufolge Abs. 5 dieser Gesetzesstelle haben die genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der Beschwerdeführer wendet sich im wesentlichen dagegen, daß die belangte Behörde nicht seinen, sondern den Angaben der Zeugen S. und N. gefolgt ist, und bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Da die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d. h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. dazu z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034), könnte der Beschwerdeführer mit seinem gegen die Beweiswürdigung gerichteten Vorbringen nur dann Erfolg haben, wenn die belangte Behörde den Sachverhalt unzureichend ermittelt oder im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung unschlüssig argumentiert hätte.

Ein solcher Vorwurf kann der belangten Behörde jedoch nicht gemacht werden, wobei ihr im Rahmen der beschränkten Prüfungsbefugnis des Gerichtshofes auf dem Boden der bereits wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides vor allem darin zu folgen ist, daß der Beschwerdeführer nach dem von ihm unbestrittenermaßen verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden den Unfallsort verlassen hat, ohne mit dem erwähnten Zeugen S., dem Zulassungsbesitzer eines bei diesem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeuges, Kontakt aufgenommen zu haben. Abgesehen davon, daß sich diese Annahme der belangten Behörde mit den Aussagen der Zeugen S. und N. deckt, hat auch der Beschwerdeführer selbst am Tage nach dem Unfall gegenüber einem Beamten der Bundespolizeidirektion Eisenstadt zugegeben, aus ihm unerklärlichen Gründen davongerannt zu sein, als sich ein Mann dem Unfallsort genähert habe. Wenngleich die belangte Behörde diese Aussage des Beschwerdeführers im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich erwähnt hat, soll im Hinblick auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen nicht unerwähnt bleiben, daß gegen deren Verwertung im Rahmen der Beweiswürdigung im Hinblick auf den im § 46 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel keine Bedenken bestanden hätten, auch wenn die für Niederschriften geltenden Vorschriften des § 14 AVG 1950 nicht eingehalten worden sind und auch keine formlose Niederschrift aufgenommen worden ist, weshalb dem diesbezüglichen Einwand des Beschwerdeführers auch aus diesem Grunde keine Bedeutung zukommt und nicht mehr untersucht zu werden braucht, ob dem im vorliegenden Fall tätig gewordenen Organwalter überhaupt die für die Anwendung dieser Bestimmungen erforderliche Qualifikation als Behördenorgan zugekommen ist.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie der Behauptung des Beschwerdeführers, der Zeuge S. habe ihm noch am Unfallsort eine Visitenkarte mit zwei handschriftlich vermerkten Polizzennummern ausgehändigt, angesichts der erwähnten Zeugenaussagen nicht gefolgt ist, wobei der Umstand, daß die belangte Behörde nicht mehr untersucht hat, ob die Schriftzüge auf der angeblich am Unfallsort ausgehändigten Visitenkarte überhaupt von diesem Zeugen stammen, unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht von Bedeutung ist, weil selbst im Falle eines positiven Ergebnisses einer solchen Prüfung nicht zwingend davon auszugehen gewesen wäre, daß diese Visitenkarte zur Tatzeit am Unfallsort überreicht worden ist. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob diese Visitenkarte überhaupt geeignet war, dem Beschwerdeführer den Namen und die Anschrift des Zeugen S. im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 "nachzuweisen".

Aus der vom Beschwerdeführer für notwendig erachteten Einvernahme seines Vaters wäre für das in Rede stehende Beweisthema schon deshalb nichts zu gewinnen gewesen, weil dieser zu dem hier maßgebenden Zeitpunkt nicht am Unfallsort anwesend war und daher keine Angaben darüber hätte machen können, ob der Beschwerdeführer vom Unfallsort weggelaufen ist.

Da der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß die von ihm in der Beschwerde erwähnten Zeugen P. und St. in der Lage gewesen wären, zu diesen maßgeblichen Fragen etwas Zweckdienliches auszusagen, stellt auch die Unterlassung der Einvernahme dieser Personen keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wobei in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen noch zu ergänzen ist, daß eine Einvernahme dieser Personen auch zu der Frage, ob der Meldungsleger das Ergebnis der am Tage nach dem Unfall durchgeführten Befragung des Beschwerdeführers in der Anzeige "sinngemäß" richtig wiedergegeben hat, naturgemäß nicht zweckdienlich gewesen wäre, weil diese Personen bei dieser Befragung nicht anwesend waren.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer daher zu Recht der in Rede stehenden Übertretungen für schuldig befunden, weshalb die sohin unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180015.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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