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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
A und B gegen Tiroler Landesregierung vom 2. Mai 1989, Zl. U-9824/16, betreffend naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligungen
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II. (Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung für den Campingplatz "CD") wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. Oktober 1962 hatte die Tiroler Landesregierung dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 5 der Gewässerschutzverordnung, LGBl. für Tirol Nr. 9/1952, "als Ausnahme vom Verbot gemäß § 2 dieser Verordnung die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Campingplatzes ('C') auf den Gpn. 652, 653, 664/1 und 2 unter Einbeziehung der Bpn. 65/1-4, sämtliche KG. E, und zum Umbau eines Campingbuffets auf Gpn. 664/1 und 2, KG. E" unter Vorschreibung von insgesamt 22 "Bedingungen bzw. Auflagen" erteilt.
In Ansehung dieses Campingplatzes (im folgenden kurz: "Campingplatz CD") leitete die Tiroler Landesregierung im Jahre 1986 ein Verfahren zwecks Prüfung der Notwendigkeit einer Bewilligung gemäß § 6 bzw. von Vorschreibungen gemäß § 18 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1974, (im folgenden kurz: TNSchG) ein. In diesem Verfahren fanden am 22. April 1986 und am 13. Jänner 1988 Verhandlungen an Ort und Stelle statt. In der Verhandlung vom 22. April 1986 wurde festgestellt, "daß ca. 25 Wohnwägen im Bereich des Campingplatzes aufgestellt waren. Diese Wohnwägen zeigten zum Teil dachförmige Aufbauten bzw. wurden um diese Wägen Zäune errichtet und gärtnerische Gestaltungen vorgenommen. Eine Anlage wurde errichtet als Waschanlage". Die Beschwerdeführer wurden aufgefordert, "für diese Stellplätze samt der Waschanlage" um die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung anzusuchen. Unter Hinweis auf diese Aufforderung ersuchten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. Juni 1986 unter Vorlage von Plänen um die "Genehmigung des Campingplatzes CD". Im Zuge des Verfahrens wurde dieser Antrag ergänzt bzw. modifiziert.
Unter dem Datum 2. Mai 1989 erließ die Tiroler Landesregierung einen Bescheid mit folgendem Spruch:
"I. Dem Antrag zur Errichtung des An- und Umbaues auf Gst. 664/4 KG E wird FOLGE GEGEBEN .
Dem A wird die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung dafür nach Maßgabe des Befundes und des Einreichprojektes (Beilage F = Einreichplan des Planungsbüros P Ges.m.b.H. vom 15.11.1987 bestehend aus Ansichten, Grundriß und Schnittdarstellungen sowie Lageplan - der wesentlicher Bestandteil dieses Bescheides ist) nach §§ 6 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit§ 13 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 und 4 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, erteilt.
II. Dem Antrag vom 27.6.1986 in der Fassung 13.1.1988 und 11.3.1988 auf nachträgliche Genehmigung zur Erweiterung des Campingplatzes "CD" auf Gst. 652/1, 664/1, 664/2, etc. KG E wird unter Nebenbestimmungen/Vorschreibungen FOLGE GEGEBEN. Dem A und B wird die nachträgliche naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung zur Errichtung und (zum) Betrieb der Erweiterungen des Campingplatzes "CD" nach Maßgabe des Befundes und der Pläne (Anlagen D, E 1 und 2, das sind Lageplan des DI. M vom 1.2.1988, M 1 : 500, und Pläne "Bepflanzungsflächen" - die wesentliche Bestandteile dieses Bescheides sind) nach §§ 6 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 und 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, erteilt. ..."
Die vorgeschriebenen Nebenbestimmungen gliedern sich in 12 "Bedingungen" und 9 "Auflagen". Ferner wurden die Verfahrenskosten und Verwaltungsabgaben vorgeschrieben.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 2. Oktober 1989, B 728/89, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, richtet sich ausdrücklich nur gegen Punkt II des angefochtenen Bescheides. Beantragt wird die kostenpflichtige Aufhebung dieses Ausspruchs, "in eventu lediglich hinsichtlich der Spruchpunkte 4, 12 und 14".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, für den Campingplatz CD sei im Jahre 1962 eine naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt worden; diese Bewilligung umfasse sämtliche Grundstücke, auf denen sich auch heute noch die Standplätze befänden. Da sich weder die maßgeblichen tatsächlichen Umstände geändert hätten noch das TNSchG eine nachträgliche Bewilligung bereits bestehender Anlagen vorschreibe, liege weiterhin "ein rechtskräftiger, unwiderrufener Bescheid" vor. Die Beschwerdeführer machen damit der Sache nach einen gegen § 68 Abs. 1 AVG 1950 verstoßenden Eingriff in die Rechtskraft (Unabänderlichkeit) des Bewilligungsbescheides der belangten Behörde vom 12. Oktober 1962 geltend.
Vorauszuschicken ist, daß entgegen der Meinung der belangten Behörde dem gegenständlichen Beschwerdevorbringen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht entgegensteht. Bei der Frage, inwieweit der Campingplatz CD durch den rechtskräftigen naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 12. Oktober 1962 gedeckt und ob demnach überhaupt eine zusätzliche Bewilligung nach dem TNSchG erforderlich ist, handelt es sich um eine für die Rechtmäßigkeit des hier bekämpften Ausspruches entscheidende Frage. Es steht den Beschwerdeführern frei, die unrichtige Beurteilung dieser Frage in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen, zumal sie bereits im Verwaltungsverfahren auf den besagten Bewilligungsbescheid hingewiesen und damit von sich aus die Frage der Zulässigkeit bzw. Notwendigkeit der in Aussicht genommenen Bewilligung nach dem TNSchG aufgeworfen hatten. Im Hinblick auf die Amtswegigkeit des Verfahrens bedurfte es allerdings gar nicht eines entsprechenden Vorbringens der Beschwerdeführer, vielmehr hatte die belangte Behörde von sich aus alle hiebei relevanten Umstände in ihre Erwägungen miteinzubeziehen.
Bei der mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 1962 erteilten naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung zur Errichtung und zum Betrieb des Campingplatzes CD handelte es sich um eine im § 5 der Gewässerschutzverordnung der belangten Behörde LGBl. für Tirol Nr. 9/1952 - einer Durchführungsverordnung zum Naturschutzgesetz LGBl. für Tirol Nr. 31/1951 - vorgesehene Ausnahmebewilligung, die infolge der Errichtung des Campingplatzes CD in dem nach § 1 dieser Verordnung besonders geschützten 500 m breiten Uferbereich an Seen erforderlich war. Für diesen geschützten Uferbereich gilt nunmehr § 6 Abs. 3 TNSchG. Nach seiner lit. a ist hier "die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen" verboten. § 13 TNSchG regelt die Erteilung von Ausnahmebewilligungen von diesem Verbot. Gemäß § 40 Abs. 5 TNSchG bleiben die nach dem Naturschutzgesetz LGBl. Nr. 31/1951 und nach den in seiner Durchführung ergangenen Verordnungen erteilten Bewilligungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TNSchG (das war nach seinem § 39 Abs. 1 mit 1. Mai 1975) rechtskräftig sind, unberührt. Aufgrund dieser Übergangsbestimmung hatte die belangte Behörde im Hinblick auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb des Campingplatzes CD vorerst zu prüfen, ob überhaupt ein nicht bereits von dieser Bewilligung erfaßter, unter den Tatbestand des § 6 Abs. 3 lit. a TNSchG fallender Sachverhalt vorlag. Andernfalls stand dem angefochtenen Bescheid nach § 6 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 13 TNSchG die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides von 1962 entgegen. Ein allfälliger Verstoß dagegen hatte auch eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer zur Folge, weil - wie ein Vergleich der Nebenbestimmungen der beiden Bescheide zeigt - mit dem angefochtenen Bescheid andere bzw. weitergehende Nebenbestimmungen vorgeschrieben wurden.
Die Frage, ob bzw. inwieweit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides in die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides von 1962 eingreift, läßt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß der in Rede stehende Ausspruch dem Gebot des § 59 Abs. 1 AVG 1950 nach "deutlicher Fassung" der in Verhandlung stehenden Angelegenheit nicht hinreichend Rechnung trägt. Allein mit dem vagen Begriff der "Erweiterungen" nämlich, ohne nähere Bezeichnung, was damit konkret gemeint ist, bleibt der Gegenstand dieses Spruches im allgemeinen wie auch hinsichtlich der Abgrenzung zum Bewilligungsbescheid von 1962 im besonderen unbestimmt. Infolge Fehlens entsprechender Feststellungen ist es zum anderen auch unter Heranziehung der Begründung nicht möglich, Klarheit über den genauen Inhalt des Spruchpunktes II zu gewinnen. Festzuhalten ist weiters, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides zwar eine chronologische Darstellung des Verfahrensganges enthält. Ihr ist aber nicht zu entnehmen, welchen für die Beurteilung der gegenständlichen Frage maßgebenden Sachverhalt die belangte Behörde als erwiesen angenommen hat, welche Erwägungen bei der Beweiswürdigung für sie maßgebend waren und welche rechtlichen Schlußfolgerungen sie aus diesem Sachverhalt gezogen hat. Der angefochtene Bescheid entspricht daher insoweit nicht dem Gebot des § 60 AVG 1950, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Bemerkt sei, daß die aufgezeigten Mängel durch die Darlegungen in der Gegenschrift - abgesehen davon, daß auch sie nicht die hier vermißte Klarstellung bringen - nicht behoben werden können.
Im Hinblick auf den Verstoß gegen § 59 Abs. 1 AVG 1950 ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989100232.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
21.04.2010