TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/15 89/02/0189

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Veröffentlicht am 15.05.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §61 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 11. September 1989, Zl. MA 70-10/1084/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 29. November 1988 um 12.15 Uhr auf der A4 "Höhe LM K4", Richtungsfahrbahn Wien, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkws die Ladung vorschriftswidrig verwahrt gehabt, wodurch andere Straßenbenützer behindert bzw. gefährdet worden seien. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser hat erwogen:

Das Beschwerdevorbringen läßt sich dahin zusammenfassen, die belangte Behörde habe die zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer zum Unfallszeitpunkt mit dem von ihm gelenkten Lkw nicht an der Unfallstelle gewesen sein könne, vorgelegte Tachographenscheibe nicht auswerten lassen und übergangen. Als Unfallszeit sei 12.15 Uhr angeführt worden, obwohl der Meldungsleger laut Anzeige bereits um 12.10 Uhr verständigt worden sei.

In der Tat ist dem angefochtenen Bescheid keine Begründung dafür zu entnehmen, daß die belangte Behörde die Tatzeit mit fünf Minuten nach Verständigung des Meldungslegers angenommen hat. Als weitere Zeitangaben sind noch jene des Aufforderers aktenkundig, die in der Anzeige "ca. 12.00 Uhr", bei seiner niederschriftlichen Vernehmung "gegen 12.15 Uhr" lauten. Zwar handelt es sich jeweils nur um eine Zeitdifferenz von einigen Minuten. Dies ist im vorliegenden Fall aber deshalb von Bedeutung, weil der Beschwerdeführer behauptet hat, um 12.05 Uhr den Alberner Hafen verlassen und die A4 erst ab der Auffahrt Simmeringer Haide in Richtung Norden benützt zu haben. Wie der im Akt befindlichen Skizze zu entnehmen ist, wäre er dann an der Unfallstelle gar nicht vorbeigekommen, da sich der Lichtmast K4 und der verlorene Schotter laut Einzeichnung bereits (in Fahrtrichtung Wien gesehen) vor der Auffahrt Simmeringer Haide befunden haben.

Die belangte Behörde hat bisher nicht (z.B. anhand von Frachtpapieren, durch Zeugenvernehmungen bzw. durch Auswertung der Tachographenscheibe, auf die sich der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung ausdrücklich berufen hat) überprüft, ob die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe den Alberner Hafen um 12.05 Uhr mit einer Fuhre Ziegelschutt (nicht Schotter) Richtung Markgrafneusiedl (im Marchfeld) verlassen, zutrifft. Tatsächlich scheint die vorliegende Kopie der Tachographenscheibe für eine Richtigkeit zumindest der vom Beschwerdeführer angegebenen Abfahrtszeit zu sprechen. Geht man aber von diesen bisher unwiderlegten Angaben des Beschwerdeführers aus, so ist es nicht gleichgültig, ob die Tatzeit mit 12.00 Uhr, 12.10 Uhr oder 12.15 Uhr anzunehmen ist. Der Beschwerdeführer mußte nämlich, um - wie von der belangten Behörde angenommen - zur Unfallstelle zu gelangen, bereits eine östlich der Auffahrt Simmeringer Haide gelegene Autobahnauffahrt benutzen. Ob dies zeitlich möglich war, hängt vom Abfahrtsort, der Abfahrszeit, der Fahrgeschwindigkeit und der Tatzeit ab. Durch eine allenfalls ungenau festgestellte Tatzeit wäre der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall somit in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt (vgl. zum Zusammenhang der Feststellung der Tatzeit mit der Frage der Verletzung der Verteidigungsrechte eines Beschuldigten das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/18/0063, und die darin zitierte Vorjudikatur, sowie zur Unterschiedlichkeit der an die Tatzeitumschreibung zu stellenden Erfordernisse in jedem Einzelfall das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11894/A).

Ohne entsprechende Sachverhaltsergänzungen kann über die Tätereigenschaft des Beschwerdeführers nicht abschließend abgesprochen werden. Richtig ist zwar, daß sich der Beschwerdeführer in der Nähe des Tatortes befunden hat. Der Eindruck des Aufforderers, der vor der Auffahrt Simmeringer Haide auf der Fahrbahn liegende Schotter stamme vom Lkw des Beschwerdeführers, ist darauf zurückzuführen, daß er diesen 500 bis 700 m nach der Unfallstelle bemerkt hat, damit aber bei Heranziehung der (allerdings nicht maßstabgetreuen) im Akt erliegenden Skizze erst nach der Auffahrt Simmeringer Haide. Hätte der Beschwerdeführer - wie er behauptet - die Autobahn tatsächlich erst ab dieser Auffahrt benutzt, so wäre der Aufforderer bei der Herstellung eines Zusammenhanges zwischen verlorenem Ladegut und Lkw einem (begreiflichen) Irrtum unterlegen. Daß beim Lkw des Beschwerdeführers allenfalls Bordwandverschlüsse offen waren, bedeutet noch nicht, daß auch tatsächlich Ladegut verloren ging, zumal der Aufforderer beim Überholvorgang seiner niederschriftlichen Vernehmung nach lediglich von der Ladefläche durch den Fahrtwind herabgewehten Sand bemerkte, was nicht zu einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führen muß. Sandartige Partikel konnten im übrigen auch von Ziegelschutt stammen (den der Beschwerdeführer befördert haben will), während sich am Tatort Schotter befunden hat. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, der Aufforderer hätte von einer offenen rückwärtigen Bordwand gesprochen, ist auf die Aussage dieses Zeugen vom 15. März 1989 zu verweisen, die Bordwand sei trotz offener Verschlüsse anliegend gewesen. Die Bordwand konnte daher nach dem Gutachten der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge geklemmt haben, d.h. kraftschlüssig verbunden gewesen sein.

Zusammenfassend ergibt sich, daß das Verwaltungsverfahren nicht mangelfrei geblieben ist, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Für die überzählige dritte Beschwerdeausfertigung und die überzähligen Bescheidausfertigungen besteht kein Anspruch auf Stempelgebührenersatz.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020189.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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