Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 21. Februar 1989, Zl. I/7-ST-H-88183, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 1989 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 22. Juni 1987 um 6.35 Uhr in St. Pölten auf der Westautobahn, Richtungsfahrbahn Wien, bei km 55,00 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws seine Fahrgeschwindigkeit nicht den damals gegebenen Umständen, insbesondere den Straßenverhältnissen (starker Regen, nasse Fahrbahn) sowie den Eigenschaften des Fahrzeuges angepaßt, da er nicht eine diesen Umständen angepaßte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h, sondern eine Fahrgeschwindigkeit von 90 bis 95 km/h eingehalten habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.
Diese Vorschrift stellt sohin einen relativen Maßstab auf, nämlich eine den gegebenen Straßen- und Sichtverhältnissen Rechnung tragende Geschwindigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1970, Slg. Nr. 7748/A). Unter Bedachtnahme auf den der Straßenverkehrsordnung innewohnenden Gedanken der größtmöglichen Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer ist dieser Vorschrift der Inhalt beizumessen, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges seine Fahrgeschwindigkeit so einzurichten hat, daß er den sich aus der besonderen Verkehrssituation ergebenden Verhältnissen jederzeit gerecht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1971, Zlen. 563, 565/70).
Im Beschwerdefall standen der belangten Behörde insbesondere Angaben des Beschwerdeführers selbst zur Verfügung. So hatte er in seiner Stellungnahme vom 28. August 1987 im wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt des Unfalles (der sich im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ereignet hatte) sei keine regennasse Fahrbahn, sondern "dichter Regen" gewesen. Der Beschwerdeführer sei in zweiter "Spur" (gemeint: auf dem zweiten Fahrstreifen) gefahren, weil er dort bessere Sichtverhältnisse gehabt habe. Zum Unfall sei es nicht allein wegen der "überschwemmten" Fahrbahn, sondern auch deshalb gekommen, weil ein auf "der ersten Fahrbahn" (gemeint: auf dem ersten Fahrstreifen) fahrender Autofahrer den Fahrstreifen gewechselt habe und der Beschwerdeführer dadurch gezwungen gewesen sei, ein Bremsmanöver einzuleiten. Ein hinter dem Beschwerdeführer fahrender Lastwagenfahrer (der durch eine erhöhte Sitzposition eine bessere Sicht gehabt habe) habe dem Beschwerdeführer nach dem Unfall erklärt, warum der erwähnte "Nebenfahrer" die Fahrbahn gewechselt habe, nämlich, weil ein von der Brücke auf die Autobahn einschwenkendes Fahrzeug (aus Richtung Krems) ihn zu diesem Manöver veranlaßt habe. Der Fahrer habe - so der Lastwagenfahrer - den Beschwerdeführer wahrscheinlich durch die Wasserfontäne, die er verursacht habe, nicht sehen können. Anläßlich seiner Einvernahme am 30. September 1987 gab der Beschwerdeführer an, zur Tatzeit habe seine Fahrgeschwindigkeit etwa 90 bis 95 km/h betragen.
In der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde weiters vorgebracht, der Beschwerdeführer sei mit seinem Pkw auf dem linken Fahrstreifen "etwas nach hinten versetzt neben dem auslenkenden Pkw" gefahren, sodaß auch der Beschwerdeführer zum Reagieren gezwungen gewesen sei. Unwillkürlich sei er auf die Bremse gestiegen und habe gleichzeitig nach links gelenkt, sodaß es das Fahrzeug "vertragen" habe. Aufgrund der Fahrzeugart und der ausgezeichneten Bereifung sei die Geschwindigkeit von 90 bis 95 km/h den Witterungsverhältnissen durchaus angepaßt gewesen. Es könne dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht angelastet werden, wenn aufgrund der schlechten Fahrbahnverhältnisse ein "Aquaplaning-Effekt" eingetreten sei.
Schon allein aufgrund dieser Angaben des Beschwerdeführers, welche ein Beweismittel gemäß § 46 AVG 1950 darstellen und mit der übrigen Aktenlage nicht in Widerspruch stehen, war die belangte Behörde berechtigt, die Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer als erwiesen anzusehen, wobei zu einem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen zu bemerken ist, daß dem Verwaltungsgerichtshof ein Erfahrungssatz, die gefahrene Geschwindigkeit werde vom Lenker meistens höher angegeben als sie tatsächlich gewesen sei, fremd ist.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. das Urteil vom 15. Dezember 1972, ZVR 1974/86), welcher der Verwaltungsgerichtshof beipflichtet, verhält die Vorschrift des § 20 Abs. 1 StVO den Fahrzeuglenker dazu, nicht nur die vor ihm liegende Fahrbahn, sondern auch deren Ränder und das anschließenden Gelände ständig im Auge zu behalten, um von dort auftauchenden bzw. von dort in die Fahrbahn gelangenden Hindernissen durch eine Herabminderung der Geschwindigkeit oder ein Auslenken sofort Rechnung tragen zu können. Bezogen auf den vorliegenden, vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalt wäre es ihm daher oblegen, im Sinne der geforderten Verkehrssicherheit eine solche Fahrgeschwindigkeit zu wählen, daß er einer allenfalls besonderen Verkehrssituation jederzeit gerecht werden kann. Dazu kommt, daß der Verwaltungsgerichtshof etwa bereits im Erkenntnis vom 18. Mai 1965, Zl. 983/64, die besondere Gefährlichkeit einer regennassen Fahrbahn hervorgehoben hat, im Beschwerdefall allerdings diese Gefährlichkeit durch den vom Beschwerdeführer eingeräumten "dichten Regen" und eine "überschwemmte Fahrbahn" sogar ein besonderes Ausmaß erreicht hat. Die belangte Behörde hat daher die vom Beschwerdeführer gewählte Fahrgeschwindigkeit zu Recht als gegen die Vorschrift des § 20 Abs. 1 erster Satz StVO verstoßend gewertet. Soweit der Beschwerdeführer im übrigen auf das bei Kammerhofer-Benes, Straßenverkehrsordnung, Wien 1983, unter Nr. 180 zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes verweist, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil von "abstrakt möglichen Gefahrenquellen" im Beschwerdefall nicht die Rede sein kann.
Der Schuldspruch ist daher - ohne daß in das diesbezügliche weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte - frei von Rechtsirrtum.
Aber auch die Strafbemessung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Beschwerdeführer räumt ein, daß die Strafe "erheblich" unter der Obergrenze des Strafrahmens geblieben ist. Selbst wenn die belangte Behörde daher davon ausgegangen wäre, daß der Beschwerdeführer nicht Eigentümer eines Einfamilienhauses ist und für drei Kinder zu sorgen hat, wäre eine Überschreitung des Ermessensspielraumes nicht zu erkennen. Daß dem Beschwerdeführer selbst erheblicher Schaden (durch den Unfall) entstanden ist, mußte nicht als Milderungsgrund anerkannt werden, weil dies mit der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung nichts zu tun hat. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "vernachlässigten Straßenzustand", weil - wie oben dargestellt - die Wahl der Geschwindigkeit schon im Hinblick auf die übrigen Verhältnisse überhöht war.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Geschwindigkeit Allgemeinfreie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989020059.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009