TE Vfgh Beschluss 1987/10/5 G127/87

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Veröffentlicht am 05.10.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung des ArtXVII §2 Z13 der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135; Gerichtsverfahren anhängig - Möglichkeit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den VfGH; Mangel der Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die Einschreiterin begehrt mit dem beim VfGH am 17. Juni 1987 eingelangten, als "Beschwerde" bezeichneten, auf Art. 140 Abs1 B-VG gestützten Antrag, den ArtXVII §2 Z13 der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135, als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Vorschrift legt fest, welche Rechtslage (jener vor oder nach dem Inkrafttreten der Novelle) auf bestimmte, vor oder nach einem bestimmten Stichtag (31. Dezember 1985) gerichtsanhängig gewordene Verfahren anzuwenden ist.

Sie führt aus, daß ihr Ehegatte, Mag. H D, am 31. Juli 1984 die Klage auf Aufhebung bzw. Scheidung der Ehe beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien eingebracht habe. Der Rechtsstreit sei zur Zeit noch anhängig.

Die Gesetzesbestimmung, deren Prüfung beantragt wird, verstoße gegen Art83 Abs2 sowie Art7 Abs1 B-VG.

2. Über den Antrag wurde erwogen:

a) Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH "über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist .....".

Wie der VfGH - beginnend mit VfSlg. 8009/1977 - in ständiger Judikatur ausspricht, setzt die Antragslegitimation nicht nur voraus, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie erfordert auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam wurde. Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist aber u.a. dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen generellen Norm zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (s. zB VfSlg. 10251/1984; VfGH 12.6.1987, G32/87).

b) Im Zuge eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens besteht für die Antragstellerin Gelegenheit, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Gesetzesstelle vorzutragen und bei dem in dieser Rechtssache in zweiter Instanz zuständigen Gerichtshof die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen.

Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre das (Rechtsmittel-)Gericht, sofern es - gleich der Antragstellerin Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegen sollte, zur entsprechenden Anrufung des VfGH verpflichtet (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 9394/1982).

Ist - wie hier - ein gerichtliches Verfahren, in dem die Betroffene eine solche amtswegige Antragstellung an den VfGH anregen kann, bereits anhängig, so müssen - in der vorliegenden Sache weder behauptete noch gegebene - besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des Gerichtsverfahrens selbst - trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeit - das Recht auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages einzuräumen. Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären ("lückenschließenden") Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 10251/1984,11344/1987).

c) Der Gesetzesprüfungsantrag war somit mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Individualantrag, Doppelgleisigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G127.1987

Dokumentnummer

JFT_10128995_87G00127_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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