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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
N gegen Steiermärkische Landesregierung vom 12. Oktober 1989, Zl. 03-12 Ri 29-89/1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, 2) F und 3) E, beide in B).
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien (Bauwerber) stellten am 10. März 1989 unter Anschluß der erforderlichen Pläne an die mitbeteiligte Gemeinde den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für den Neubau einer Pkw-Doppelgarage (6 x 5,70 m mit Satteldach) auf dem Grundstück Nr. 594/2, KG B.
Mit Kundmachung des Bürgermeisters vom 29. März 1989 wurde unter Anwendung des § 42 AVG 1950 die mündliche Bauverhandlung für 21. April 1989 anberaumt und zu dieser auch der Beschwerdeführer als Nachbar (zwischen seiner Liegenschaft und der der Bauwerber befindet sich die Gemeindestraße, auf der die Zufahrt erfolgt) geladen.
Bei der Verhandlung erstattete der Bausachverständige Befund und Gutachten unter Anführung verschiedener Vorschreibungen. Der Beschwerdeführer erhob folgende Einwendungen:
"1) Es entspricht nicht dem § 25 des ROG, weil inklusive Erweiterung des Wohnhauses, DG-Ausbaues und der Terrasse die neugewonnene Geschoßfläche mehr als doppelt so groß ist, gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1. Flächenwidmungsplanes der Gemeinde P.
2) Es muß festgestellt werden, wo die Grenze des öffentlichen Gutes liegt, da von dort ein Bauabstand von 5 m einzuhalten ist. Als Nachbargrundanrainer zum öffentlichen Gut mache ich die Gemeinde P sowie den Straßenerhalter (Gemeinde O) darauf aufmerksam, daß widrigenfalls Teile meines Grundstückes für den Verkehr benutzt werden müssen. Es ist daher das öffentliche Gut unbedingt für den Verkehr (Ausweiche am Scheitelpunkt der Kurve) freizuhalten.
3) Die Niederschlagswässer werden vereinbarungsgemäß in den auf Seite der Gemeinde P bestehenden Straßengraben eingeleitet. Die Abstellfläche vor der Garage ist gemäß der Garagenordnung auszuführen, ebenfalls das dort anfallende Niederschlagswasser. Das Waschen von Kraftfahrzeugen wird nicht durchgeführt. Zum letzten Punkt wird auf den § 44 der BO verwiesen, der die Abwasserbeseitigung ohne Gefährdung anderer Brunnen und Quellen vorsieht."
Die übrigen Anrainer erhoben keine Einwendungen.
Mit Bescheid vom 2. Mai 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung der vom Bausachverständigen genannten Auflagen, darunter, daß der Abstand von der Straßenfluchtlinie 5 m zu betragen hat, die Niederschlagswässer in den bestehenden Straßengraben der Gemeindestraße abzuleiten sind und der Fußboden der Garage flüssigkeits- und öldicht auszuführen ist. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers heißt es, die erste Einwendung nehme einen Zu- und Umbau als Grundlage, welcher hier aber nicht vorliege. Zur zweiten sei zu bemerken, daß die einspurige Gemeindestraße als öffentliches Gut die Liegenschaften trenne. Es sei mit dem Bauvorhaben weder eine Verlegung noch ein Ausbau der Straße verbunden. Der dritten Einwendung auf ordnungsgemäße Einleitung der Niederschlagswässer in den vorhandenen Straßengraben werde gemäß dem Gutachten des Bausachverständigen ebenso entsprochen wie den Bestimmungen der Garagenordnung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. August 1989 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Über die rechtzeitig erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers habe bereits die Erstbehörde zutreffend abgesprochen. Das darüber hinausgehende Berufungsvorbringen sei präkludiert.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 1989 wurde die vom Beschwerdeführer rechtzeitig eingebrachte Vorstellung abgewiesen. Die belangte Behörde führte aus, daß der Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren nach der Stmk. Bauordnung nur ein eingeschränktes Mitspracherecht besitze, und zwar dann, wenn er (rechtzeitig) eine Verletzung jener gesetzlichen Bestimmungen behaupte, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen. Auf die Einhaltung von Bestimmungen, die lediglich dem öffentlichen Interesse dienen, stehe dem Nachbar ein Rechtsanspruch nicht zu. So bestimme § 61 Abs. 2 BO ausdrücklich, daß der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen (nur) erheben könne, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch den Interessen der Nachbarn dienen. Die Grenzen der Prüfung eines Bescheides durch die Aufsichtsbehörde auf Grund einer Vorstellung von Nachbarn sei einerseits die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte, andererseits das Vorliegen der Präklusion nach § 42 AVG 1950. Der Beschwerdeführer habe in seiner Vorstellung, wie in der Berufung, darzutun versucht, in welchen Rechten er sich verletzt erachte. Die Prüfung habe sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur auf die rechtzeitig geltend gemachten Rechte zu beschränken; deswegen sei es wichtig, bereits bei der Erstbehörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens als Nachbar alle Einwendungen vorzubringen. Sei eine mündliche Verhandlung nach § 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950 anberaumt worden, so könne daher die Prüfung des Bescheides nur innerhalb des durch rechtzeitige Einwendungen gesteckten Rahmens erfolgen. Wegen der Bindung an die eingetretene Präklusion sei es der Berufungsbehörde ebenso wie der Vorstellungsbehörde verwehrt, in eine sachliche Prüfung des präkludierten Vorbringens einzugehen. Gemäß § 25 Abs. 4 Z. 1 des Raumordnungsgesetzes 1974 in der Fassung LGBl. Nr. 15/1989 (ROG) dürften außer für Zwecke land- und forstwirtschaftlicher Nutzung im Freiland Zu- und Umbauten nur bei rechtmäßig bestehenden Anlagen bewilligt werden, wenn dadurch die Bebauungsdichte nicht mehr als 0,3 und die neu gewonnene Geschoßfläche nicht mehr als die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestehenden betragen sowie das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werden. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um einen Zu- und Umbau eines bestehenden Gebäudes, sondern um den Neubau einer Garage, der im Sinne des § 25 Abs. 4 Z. 4 ROG zulässig sei. Auf die Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes stehe dem Anrainer kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zu. Dem Nachbarn stehe im Baubewilligungsverfahren ein Mitspracherecht nur hinsichtlich seiner subjektiv-öffentlichen Rechte zu, er sei aber nicht zur Wahrung fremder Rechte - so etwa zur Handhabung des Planungsermessens bei der Festsetzung von Abständen nach dem Landes-Straßenverwaltungsgesetz - legitimiert. Der Nachbar habe einen Anspruch auf die Einhaltung der Bestimmung nach § 44 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung. Bei dieser Bestimmung handle es sich um die Errichtung von Jauchen-, Senk-, Sickergruben, Kläranlagen u. dgl., die jedoch hier nicht zur Ausführung gelangen sollen. Daß der Beschwerdeführer einen Brunnen oder eine Quelle besitze, sei nicht einmal behauptet worden. Die belangte Behörde könne nicht erkennen, in welchem Recht der Beschwerdeführer verletzt werde, wenn - wie vereinbart - die Niederschlagswässer in den auf der Seite der Gemeinde bestehenden Straßengraben eingeleitet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 (in Kraft seit 1. März 1989), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Nachbarrechte werden in der Folge unter lit. a bis k taxativ aufgezählt.
Derartige Einwendungen müssen jedoch vom Nachbar im Falle der Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung gemäß § 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950, wie dies im Beschwerdefall geschehen ist, spätestens während der Bauverhandlung vorgebracht werden. Soweit Einwendungen unterbleiben, ist damit der Nachbar für das weitere Verfahren präkludiert. Sowohl Berufungsbehörde als auch Aufsichtsbehörde, Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof sind durch eine gemäß § 42 AVG 1950 eingetretene Präklusion auf die Prüfung der rechtzeitig erhobenen Einwendungen eingeschränkt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Anm. 4 zu § 42 AVG 1950, S. 233 f., sowie insbesondere die Entscheidungen zu Nr. 48, S. 241 f.).
Der Beschwerdeführer hat in der Bauverhandlung unter Punkt 1) seiner Einwendungen rechtzeitig eine Verletzung des § 25 ROG mit der Behauptung geltend gemacht, daß die neugewonnene Geschoßfläche unter Berücksichtigung der Erweiterung des Wohnhauses mehr als doppelt so groß sei als gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes der Gemeinde.
Die bezughabenden Bestimmungen des Stmk. Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung
LGBl. Nr. 15/1989, lauten:
"§ 25
...
(4) Außer für Zwecke land- und forstwirtschaftlicher Nutzung dürfen im Freiland
1.
Zu- und Umbauten nur bei rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen bewilligt werden, wenn dadurch die Bebauungsdichte nicht mehr als 0,3 und die neugewonnene Geschoßfläche nicht mehr als die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestehende beträgt sowie das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird;
....
4.
kleinere, ebenerdige, unbewohnte Bauten von untergeordneter Bedeutung (Gartenhäuschen, Gerätehütten, Garagen für höchstens 2 Kraftfahrzeuge mit einem höchstens zulässigen Gesamtgewicht von je 2500 kg, Holzlagen, Bienenhütten u.dgl.) nur im unmittelbaren Anschluß an rechtmäßig bestehende Wohngebäude errichtet werden, wenn hiedurch das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird.
..."
Daraus ergibt sich unmißverständlich, daß die Regelung des § 25 Abs. 4 Z. 1 ROG NUR für ZU- UND UMBAUTEN an bestehenden baulichen Anlagen Geltung hat, für den vorliegenden Garagenneubau hingegen die Sonderregelung der Z. 4 von Bedeutung ist. Danach ist aber der Neubau einer Pkw-Doppelgarage zulässig.
Mit der in der Bauverhandlung als Punkt 2) erhobenen Einwendung hat der Beschwerdeführer, dessen Grundstück von dem der Bauwerber durch die Gemeindestraße getrennt ist, einen Abstand der Garage von 5 m von der Gemeindestraße allein mit der Behauptung verlangt, daß es sonst zu einer Verkehrsbeeinträchtigung kommen könne und auf sein Grundstück ausgewichen werde. Abgesehen davon, daß ohnehin von der Baubehörde die Einhaltung eines Gebäudeabstandes von 5 m vorgeschrieben wurde, begründen baurechtliche Vorschriften, die eine Verkehrsgefährdung oder -behinderung auf öffentlichen Straßen vermeiden sollen (vgl. etwa § 6 der Stmk. Garagenordnung 1979), kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht. Entgegen den in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen wurde mit der genannten Einwendung keine Verletzung der Abstandsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 3 BO geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat sich aber auch zutreffend in der Begründung des angefochtenen Bescheides damit auseinandergesetzt, daß die unter Punkt 3) in der Bauverhandlung erhobene Einwendung des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, die Verletzung eines ihm nach § 61 Abs. 2 BO zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechtes darzutun. Der Beschwerdeführer übersieht, daß zufolge § 61 Abs. 2 lit. i BO nur die Regelung des § 44 Abs. 2 BO ein Nachbarrecht begründet, eine der dort angeführten Anlagen im Beschwerdefall aber nicht zur Ausführung gelangt.
Weitere Einwendungen wurden vom Beschwerdeführer nicht rechtzeitig erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof kann des weiteren die Meinung des Beschwerdeführers nicht teilen, daß die der Baubehörde vorgelegenen Pläne nicht ausreichend waren, um sich ein klares Bild vom Bauvorhaben zu machen. Der Nachbar besitzt keinen Rechtsanspruch darauf, daß Pläne in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, sofern sie eine zur Verfolgung seiner Rechte ausreichende Information vermitteln (vgl. Hauer, Stmk. Baurecht, Entscheidung Nr. 6 zu § 59 BO, S. 158).
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des ihm nach § 61 Abs. 2 lit. a BO zustehenden Rechtes auf Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung geltend macht, ist er darauf zu verweisen, daß er mit der Einwendung des Fehlens der Widmungsbewilligung ebenso präkludiert ist wie mit seinen weiteren, erstmals in der Berufung bzw. in der Beschwerde erhobenen Einwendungen. Weder dem Gemeinderat noch der belangten Behörde unterlief daher eine Rechtswidrigkeit, wenn sie das Bauvorhaben in Ansehung jener Einwendungen, hinsichtlich welcher Präklusion eingetreten war, keiner inhaltlichen Prüfung mehr unterzogen.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989060206.X00Im RIS seit
03.05.2001