Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FinStrG §138 Abs2 lita;Betreff
A gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 9. November 1989, GZ 198/2-6/88, betreffend Finanzvergehen der Verzollungsumgehung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Hauptzollamt B als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer nach mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 1. April 1988 des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt, weil er im Oktober 1982 als seinerzeitiger Leiter der Postverzollungsstelle beim Postamt B eine Sendung bestehend aus 7,511 ct. Brillanten, auf welche Eingangsabgaben in Höhe von 57.194 S entfielen, fahrlässig unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen habe. Wegen dieses Finanzvergehens hatte die Finanzstrafbehörde erster Instanz über den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt. Zur Begründung war, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt worden, der Beschwerdeführer hätte zugestandenermaßen das 13 Stück Brillanten enthaltende Paket vor dessen Stellung beim Zollamt B ohne Anwesenheit eines Zollbeamten geöffnet und in weiterer Folge über die Ware so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr, d. h. also so, als wäre sie bereits einem ordnungsgemäßen Zollverfahren zugeleitet worden. Im Finanzstrafverfahren hätte sich der Beschwerdeführer gleichbleibend dahingehend verantwortet, daß zum Zwecke der Arbeitsvereinfachung und rascheren Abfertigung zwischen dem Verzollungspostamt B und dem Zollamt durch Jahrzehnte die Vereinbarung bestanden hätte, Sendungen notwendigenfalls regelmäßig im Zuge einer Vorsichtung vom Postbediensteten ohne Beisein eines Zollorganes zu öffnen, um zu prüfen, ob beigegebene Begleitpapiere, die sich häufig in der Sendung befänden, für die zollamtliche Abfertigung ausreichen. In dem sachgleich geführten Nachsichtsverfahren hätte die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 15. Jänner 1988 ausgeführt, daß auf Grund durchgeführter Zeugenaussagen sich als gesicherte Tatsache feststellen hätte lassen, daß das vom Beschwerdeführer behauptete Vorsichtungsverfahren in der beschriebenen Weise etwa seit den Jahren 1970/1971 praktiziert worden sei und daß dieser Umstand der Zollverwaltung auch bekannt gewesen und von ihr geduldet worden sei. Die in diesem Nachsichtsverfahren durchgeführten Zeugenbeweise hätten auch für das nunmehr durchzuführende Finanzstrafverfahren Relevanz, weshalb von einer neuerlichen Zeugeneinvernahme im Strafverfahren abgesehen worden bzw. es nicht als nötigt erachtet worden sei, weitere Zeugenbeweise aufzunehmen. Im Finanzstrafverfahren sei lediglich zu beurteilen gewesen, ob der Beschwerdeführer seiner Stellungsverpflichtung vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachgekommen sei. Durch den durchgeführten Zeugenbeweis sei erwiesen, daß das Hauptzollamt B von der Praxis einer ohne Organe des Zollamtes durchgeführten Vorsichtung Kenntnis gehabt und diese Kenntnis auch geduldet hätte. Somit könnte dem Beschwerdeführer ein vorsätzliches Verhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit sei jedoch nach wie vor aufrecht zu erhalten, weil der Beschwerdeführer seine objektive Sorgfaltspflicht verletzt hätte, welche ihm auf Grund seiner subjektiven Befähigung zweifellos zumutbar gewesen wäre. Ein allenfalls vom Beschwerdeführer behaupteter entschuldbarer Irrtum im Sinne des § 9 FinStrG, welcher Vorsatz und Fahrlässigkeit ausschließen würde, hätte nach Ansicht der Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht angenommen werden können.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung, in der er die Feststellung der Strafbehörde erster Instanz, er habe fahrlässig gehandelt, bekämpfte und hiezu vorbrachte, gemäß § 9 FinStrG sei dem Täter Fahrlässigkeit dann nicht zuzurechnen, wenn ihm bei der Tat entschuldbare Fehlleistungen unterliefen. Das heiße nichts anderes, als daß auch eine andere Fehlleistung als ein Irrtum im engeren Sinne, wenn sie entschuldbar sei, einen Schuldausschließungsgrund darstelle. Im Beschwerdefalle habe es sich so verhalten, daß einerseits das Hauptzollamt B von der gewählten Vorgangsweise nicht nur Kenntnis gehabt, sondern darüberhinaus diese sogar geduldet habe und daß letzten Endes diesbezüglich sogar eine Vereinbarung bestanden habe, die Postsendungen ohne Beisein eines Zollorganes zu öffnen. Diese im Bescheid der Finanzstrafbehörde erster Rechtstufe getroffenen Feststellungen würden vom Beschwerdeführer nicht bekämpft, weil sie dem tatsächlichen Sachverhalt entsprächen. Der Beschwerdeführer verstehe aber die rechtliche Beurteilung nicht, wenn in den Entscheidungsgründen ausgeführt werde, daß es sich um keine entschuldbare Fehlleistung gehandelt haben solle. Immerhin sei diese Übung durch Jahrzehnte eingehalten, vom Hauptzollamt B geduldet und darüberhinaus sogar noch durch eine Vereinbarung zwischen der Zoll- und der Postverwaltung abgesichert worden. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers könne daher nur als entschuldbare Fehlleistung im Sinne des § 9 FinStrG und damit als Schuldausschließungsgrund angesehen werden.
Die Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. November 1989 der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Bedeutung, ausgeführt, die Fahrlässigkeitskomponenten nach § 8 FinStrG seien die objektive Sorgfaltspflicht, die subjektive Befähigung und die Zumutbarkeit der Sorgfaltsanwendung. Der Beschwerdeführer sei bis zum Jahre 1982 durch beinahe zehn Jahre hindurch Leiter der Postverzollungsstelle am Postamt B gewesen. Er habe sich durch diese Jahre, wie er selbst ausgeführt habe, Wissen über zollrechtliche und postalische Vorschriften angeeignet. Anläßlich seiner Einvernahme am 22. Oktober 1985 habe der Beschwerdeführer angegeben, Vorbesichtungen seien absolut üblich und es sei ihm auch bekannt gewesen, daß derartige Vorbesichtigungen der Ware in Anwesenheit eines Zollorganes zu erfolgen hätten. Das Hauptzollamt B hätte aber geduldet, daß Vorbesichtigungen der Ware auch ohne Zollorgane durchgeführt werden könnten. Bei Vorbesichtigungen wären immer irgendwelche Zollbeamten anwesend gewesen, nur im Zuge des oft turbulenten Abfertigungsgeschehens sei das eine oder andere Mal eine Vorbesichtigung in Abwesenheit eines Zollbeamten vorgenommen worden. Dies wäre aber keinesfalls der Regelfall gewesen. Bei einer Verfügung über Brillanten im Wert von 247.650 S wäre eine entsprechende Aufmerksamkeit geboten gewesen. Es könne daher nicht ein entschuldbarer Irrtum oder eine entschuldbare Fehlleistung iSd § 9 FinStrG angenommen werden, denn dem Beschwerdeführer seien die einschlägigen Bestimmungen des Zollgesetzes bekannt gewesen. Ihm sei vielmehr bewußte Fahrlässigkeit zu unterstellen, die man auch mit Leichtfertigkeit umschreiben könne. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Hauptzollamt B nicht schon früher finanzstrafrechtliche Maßnahmen eingeleitet habe. Im Beschwerdefall könne auch von "Duldung" nicht die Rede sein, weil das Hauptzollamt B von der Verfügung über die Brillanten keine Kenntnis gehabt habe. Darüberhinaus sei die vom Beschwerdeführer geübte Vorgangsweise - Vorbesichtigung ohne Zollorgan - nicht üblich gewesen, wie er selbst zugegeben habe, sondern nur im Zuge von turbulenten Abfertigungen sei es vorgekommen, daß eine solche ohne Zollorgane vorgenommen worden sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers beweise, daß ihm die Unrechtmäßigkeit seines Handelns bewußt gewesen sei und er sich nicht in einem Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Verfügung über die Ware vor ihrer Stellung befinden konnte. Darüberhinaus sei der Beschwerdeführer Leiter der Postzollstelle gewesen, habe eine besondere Vertrauensstelle innegehabt, die umsomehr eine richtige und sorgfältige Vorgangsweise erfordert habe. Dem Beschwerdeführer sei das Unrechtmäßige seiner Handlung bekannt gewesen, er habe sich nur auf den Umstand gestützt, daß bisher von der Zollverwaltung keine strafrechtlichen Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien. Damit könne aber nicht von einem entschuldbaren Irrtum gesprochen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG für schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, daß sie sich hinsichtlich der Feststellung des subjektiven Tatbestandes einer Rechtswidrigkeit schuldig gemacht habe und führt hiezu aus, er habe im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde erster Rechtsstufe am 26. Feber 1988 dargelegt, in dem Glauben gewesen zu sein, mit Zustimmung des Hauptzollamtes B so vorgehen zu können. Die so praktizierte Vorsichtung der Waren sei nicht nur von einer Person mit Stillschweigen zur Kenntnis genommen worden, vielmehr sei dem gesamten Behördenapparat des Hauptzollamtes B, also auch den Vorgesetzten diese Vorgangsweise durchaus bekannt gewesen. In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, daß sogar eine Vereinbarung zwischen der Post- und Zollverwaltung bestanden habe, Postsendungen ohne Beisein eines Zollorganes zu öffnen. Solcherart hätte die belangte Behörde die Entschuldbarkeit eines Irrtums bejahen müssen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer der Verzollungsumgehung gemäß dem auf die im § 35 Abs. 1 FinStrG bezeichnete Tat verweisenden § 36 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt wurde. Dieses Finanzvergehen begeht also, wer eingangsabgabepflichtige Waren fahrlässig unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht.
Bei Auslegung des gemäß dem § 35 Abs. 1 FinStrG rechtserheblichen Tatbestandsmerkmales "(wer) ... dem Zollverfahren entzieht" ist auf § 46 ZollG Bedacht zu nehmen. Diese Bestimmung findet sich im IV. Hauptstück dieses Gesetzes, das mit dem Wort "Zollverfahren" überschrieben ist. Nach der Anordnung des § 46 Abs. 1 ZollG wird grundsätlich jede Ware, die über die Zollgrenze eintritt, zollhängig und unterliegt dem Zollverfahren. Gemäß dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bedeutet Zollhängigkeit, daß diese Waren der allgemeinen Zollaufsicht unterliegen. Die allgemeine Zollaufsicht umfaßt ALLE Maßnahmen, die erforderlich sind, um zu verhindern, daß zollhängige Waren dem Zollverfahren entzogen werden. Unter dem Zollverfahren versteht das Gesetz sohin nicht nur die im Abschnitt 2 des IV. Hauptstückes normierten Zollverfahrensarten (die Zollverfahren), sondern ALLE Verfahrenshandlungen einschließlich jener, die im Rahmen der allgemeinen Zollaufsicht gesetzt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1979, Zl. 3401/78, Slg. Nr. 5451/F).
Eine Ware ist dann dem Zollverfahren entzogen, wenn sie trotz Zollhängigkeit entweder dem Zollverfahren überhaupt nicht zugeführt, d.h. nicht gestellt wird (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Feber 1983, Zl. 81/16/0081, Slg. Nr. 5760/F), aber auch dann, wenn sie nach zunächst erfolgter Stellung einem bestimmten Zollverfahren in der Folge wieder entzogen wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Ware von der Verfügung der Behörde ausgenommen bzw. aus ihrer Verfügungsgewalt entfernt, insbesondere beiseitegeschafft und dadurch dem Zugriff der Behörde entzogen wird, wenn also die Zollaufsicht über die Ware vereitelt wird (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 27. Oktober 1983, Zl. 83/16/0071, Slg. Nr. 5822/F).
In Ansehung der Bezeichnung des Subjektes mit "wer" ist der Personenkreis, der als Täter in Frage kommt, unbeschränkt. Tatsächlich kann aber (unmittelbarer) Täter nur diejenige natürliche Person sein, die eine zollrechtliche Stellungs- oder Erklärungspflicht zu erfüllen hat.
Gemäß § 138 Abs. 2 lit. a FinStrG muß im Spruch eines Erkenntnisses, soweit er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat konkretisiert werden. Hierbei muß die Tat so eindeutig umschrieben werden, daß vernünftigerweise kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Beschuldigte bestraft wurde und daß die Möglichkeit der nochmaligen Verfolgung wegen derselben Tat ausgeschlossen wird. Eine Umschreibung des Tatbildes lediglich in der Begründung reicht nicht aus; denn daß Spruch und Begründung eines Bescheides als Einheit anzusehen sind, hat nicht zur Folge, daß die Begründung eines Bescheides zur Ergänzung seines Spruches herangezogen werden dürfte, sondern nur, daß die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Feber 1990, Zl. 89/16/0044).
Diesem Konkretisierungsgebot trägt der von der belangten Behörde im Instanzenzug bestätigte und oben wiedergegebene Spruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses vom 1. April 1988 nicht hinlänglich Rechnung. Es fehlen jegliche Feststellungen darüber, AUF WELCHE WEISE der Beschwerdeführer die streitverfangene Postsendung dem Zollverfahren entzogen habe. Die (bloße) Anführung der übertretenen Norm im Spruch des Bescheides vermochte diesen Mangel nicht zu heilen.
Insoweit der Bescheid erster Instanz fehlerhaft ist, weil nicht alle Tatbestandsmerkmale beachtet sind, ist die Berufungsbehörde verpflichtet, dies in ihrem Abspruch zu ergänzen bzw. richtig zu stellen, weil sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/16/0090).
Ist in überprüfbarer Weise und im einzelnen festgestellt, wodurch der Beschwerdeführer die Ware dem Zollverfahren entzogen hat, bedarf es der weiteren Feststellung, in welchem Umfang das Verhalten des Beschwerdeführers - wie er behauptet - dem mit der Zollbehörde hergestellten Einverständnis entsprach oder doch von der Zollbehörde stets toleriert wurde. Erst dann kann beurteilt werden, ob ein Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Da die belangte Behörde schon bei der Abfassung des Spruches ihres Bescheides die Rechtslage verkannte, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160227.X00Im RIS seit
17.05.1990Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008