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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1380;Beachte
Besprechung in: ÖStZ 1991, 316; AnwBl 1991/2, S 100;Betreff
JK gegen Präsidenten des Kreisgerichtes Korneuburg vom 14. November 1989, Zl. Jv 2268 - 33a/89, betreffend Gerichtsgebühren
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Der Beschwerdeführer hatte am 27. November 1986 mit einer Gesellschaft einen schriftlichen "Pacht"vertrag (mangels vereinbarter Betriebspflicht richtig wohl Mietvertrag) abgeschlossen, und zwar nach dessen Punkt II. auf die Dauer von zwei Jahren (1. November 1986 bis 31. Oktober 1988). Gemäß Punkt III. dieses Vertrages war der nach Punkt IV.
wertgesicherte, monatlich im vorhinein jeweils am 1. zu bezahlende "Pacht"zins für die Zeit vom 1. November 1986 bis 31. Oktober 1987 mit S 9.500,-- und für die Zeit ab 1. November 1987 (bis 31. Oktober 1988) mit S 13.000,-- vereinbart worden, und zwar jeweils zuzüglich "allfälliger" Umsatzsteuer.
Am 17. Juli 1987 war beim Bezirksgericht ... (in der Folge: BG) die Klage des (durch seinen nunmehrigen Vertreter vertreten gewesenen) Beschwerdeführers gegen die Gesellschaft wegen (Bezahlung des Bestandzinses für die Monate Mai bis Juli 1987 in der Höhe von zusammen) S 33.000,-- s.A. überreicht worden. Auf dem betreffenden Schriftsatz waren zur Gerichtsgebührenentrichtung Gerichtskostenmarken im Werte von insgesamt S 1.200,-- aufgeklebt worden.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22. September 1987 hatte der Beschwerdeführer das erwähnte Klagebegehren um den inzwischen fällig gewordenen Bestandzins für die Monate August und September 1987 (zusammen S 22.000,--) auf S 55.000,-- s.A. und Räumung des betreffenden Bestandgegenstandes erweitert.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14. Dezember 1987 hatten die angeführten Prozeßparteien einen Vergleich geschlossen, mit dem sich die Gesellschaft verpflichtet hatte, dem Beschwerdeführer den für die Monate Oktober bis Dezember 1987 aufgelaufenen Bestandzins von (zusammen) S 31.350,-- (davon 10 % USt = S 2.850,--) bis längstens 31. Dezember 1987 zu bezahlen.
Weiters war in diesen Vergleich aufgenommen worden, in Abänderung des Punktes III. des eingangs dargestellten Bestandvertrages "ist" die Gesellschaft "verpflichtet, erst ab 1.2.1988" den Bestandzins von S 13.000,-- zuzüglich USt zu bezahlen.
Abschließend war in diesem Vergleich - abgesehen von der Bewertung des Vergleichsinteresses durch die Prozeßparteien mit S 40.000,-- - festgehalten worden, daß damit sämtliche wechselseitige Streitigkeiten aus dem Bestandvertrag (insbesondere die von der Gesellschaft getätigten Investitionen sowie die Bestandzinsforderung des Beschwerdeführers) verglichen und bereinigt seien.
Nachdem der Kostenbeamte des BG mit Zahlungsauftrag vom 19. Juli 1989 gegenüber dem Beschwerdeführer - abgesehen von der S 50,-- betragenden Einhebungsgebühr gemäß § 6 GEG 1962 - in bezug auf das dargestellte gerichtliche Verfahren die restliche Pauschalgebühr nach TP 1 des auf Grund des § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs (in der Folge: TP 1), ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 1,591.350,--, mit S 19.913,-- festgesetzt hatte, gab der Präsident des Kreisgerichtes ... (in der Folge: belangte Behörde) mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid dem gegen den angeführten Zahlungsauftrag rechtzeitig eingebrachten Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers teilweise Folge und wies den Kostenbeamten zur Löschung eines Teilbetrages von S 15.913,-- und Rückzahlung über den verbleibenden Betrag von S 4.050,-- hinaus allenfalls bereits bezahlter Beträge an. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:
Die Gesellschaft habe sich u.a. verpflichtet, "ab" 1. Februar 1988 den Bestandzins von S 13.000,-- monatlich zuzüglich USt zu bezahlen; laut dem vorliegenden Bestandvertrag bis 31. Oktober 1988.
Der Vergleich beinhalte in Geld bestehende, rein vermögensrechtliche Ansprüche und falle daher nicht unter die Bewertungsvorschrift des § 56 Abs. 2 JN, weshalb die Bewertung des Vergleichsinteresses (S 40.000,--) nicht als Bemessungsgrundlage herangezogen werden könne.
Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei daher der erste Vergleichspunkt mit S 31.350,-- und der zweite Vergleichspunkt mit S 117.000,-- (S 13.000,-- monatlich, für 9 Monate) anzunehmen, zusammen daher S 148.350,--.
Da die Pauschalgebühr nach TP 1 bei dieser Bemessungsgrundlage S 5.200,-- betrage, sei unter Berücksichtigung der beigebrachten Gebühr von S 1.200,-- ein Betrag von S 4.000,-- festzusetzen.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Gerichts- und Verwaltungsakten mit der von ihr erstatteten Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, bei sprachlich richtiger Interpretation des klaren und eindeutigen zweiten Vergleichspunktes sei der Punkt III. des Bestandvertrages dahin abgeändert worden, daß die Gesellschaft den Bestandzins von S 13.000,-- nicht schon am 1. November 1987, sondern erst ab 1. Februar 1988 zu bezahlen habe. Die belangte Behörde hätte daher zu dem einzig richtigen Schluß kommen müssen, mit dieser Vereinbarung sei der in Punkt III. des Bestandvertrages festgesetzte Beginn der erhöhten Bestandzinszahlung (1. November 1987) um drei Monate (erst ab 1. Februar 1988) hinausgeschoben worden. Damit hätte sich die Bemessungsgrundlage höchstens um S 3.500,-- x 3 (S 10.500,--) verringert. Die belangte Behörde hätte gemäß § 18 Abs. 1 GGG davon ausgehen müssen, daß die Bemessungsgrundlage gleichgeblieben sei bzw. eine Ausnahme nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG, also eine Erhöhung des Streitgegenstandes auf mehr als S 50.000,--, nicht eingetreten sei.
Der Beschwerdeführer scheint folgendes zu übersehen:
Gemäß Anmerkung 1. zu TP 1 - die Parteien des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen stillschweigend aber zutreffend davon aus, daß die Anmerkungen 2. bis 8. in ihrem Fall nicht in Betracht kommen - unterliegen der Pauschalgebühr nach TP 1 alle mittels Klage einzuleitenden Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen ... Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.
Auf Grund der TP 1 beträgt die Höhe der Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes u.a.
über 30.000 S bis 50.000 S 1.200 S
über 50.000 S bis 100.000 S 2.200 S
über 100.000 S bis 500.000 S 5.200 S .....
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.
Hievon treten aber u.a. nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG folgende Ausnahmen ein:
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Im Falle der Überschreitung der in TP 1 jeweils normierten Wertgrenzen durch eine Erweiterung des (ursprünglichen) Klagebegehrens - als eine solche ist auch der zweite Fall des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG ("oder ist ...") anzusehen - ist daher der entsprechende Differenzbetrag auf die insgesamt zu entrichtende Pauschalgebühr ergänzend zu entrichten.
Auf Grund des § 18 Abs. 3 GGG tritt eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren nicht ein, wenn das Klagebegehren zurückgezogen oder eingeschränkt wird oder wenn ein Teil- oder Zwischenurteil gefällt wird.
Die Formulierung des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG unterstreicht u. a. die vom Gesetzgeber gewollte Verknüpfung von Klägerrolle und Zahlungspflicht auch im Falle eines Vergleiches, wobei diese Regelung erkennbar den Normalfall im Auge hat, in welchem der Beklagte zugleich jener ist, der die im Vergleich zugesagten Leistungen übernimmt (siehe z.B. das in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1988, Zl. 86/16/0157, ÖStZB 19/1988, S. 415).
Wie der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem zu § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG ergangenen Erkenntnis vom 8. Februar 1990, Zl. 89/16/0057, u.a. unter Hinweis auf sein - an sich noch einen auf Grund der TP 4 des gemäß § 1 GJGebGes 1962 einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs zu beurteilenden Fall betreffendes - Erkenntnis vom 16. November 1989, Zl. 88/16/0147, dargetan hat, kommt es für den Bereich des GGG auf Grund der in seinem § 18 Abs. 2 Z. 2 gewählten Formulierung "... ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung ..." auf die im Vergleich übernommenen VERPFLICHTUNGEN an. Z.B. in dem zuletzt angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof als Bemessungsgrundlage für die Vergleichsgebühr den Wert der Leistungen verstanden, zu denen sich die Parteien im Vergleich verpflichten.
Wenngleich § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG - wie bereits oben ausgeführt - den Normalfall im Auge hat, in welchem der Beklagte zugleich jener ist, der die im Vergleich zugesagten Leistungen übernimmt, dürfen jedoch Leistungen des Klägers (siehe z.B. das bedeutungsvoll gebliebene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1973, Zlen. 1155, 1156/72, Slg. Nr. 4516/F), die Gegenstand des Vergleiches sind und deren Wert das Klagebegehren übersteigt, bei der Festsetzung der Pauschalgebühr nach TP 1 - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall einer Verbindung mehrerer Rechtsstreite gemäß § 187 ZPO (dieszüglich siehe z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom 11. Februar 1988) - nicht unberücksichtigt bleiben.
So wie im Geltungsbereich der zitierten TP 4 (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1985, Zl. 84/15/0138, ÖStZB 20/1986, S. 335) ist es auch für die Gerichtsgebührenpflicht eines Vergleiches nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG völlig unmaßgeblich, ob damit ein exekutionsfähiger Titel geschaffen wurde oder nicht.
Nun hatte - wie bereits erwähnt - im Falle des Beschwerdeführers der Wert des Streitgegenstandes im Sinne der TP 1 ursprünglich S 33.000,-- (Bestandzins für die Monate Mai bis Juli 1987) und nach Erweiterung des Klagebegehrens gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 erster Fall GGG um (den Bestandzins für die Monate August und September 1987 in Höhe von insgesamt) S 22.000,-- zuzüglich S 6.000,-- (Bemessungsgrundlage für die Räumungsklage nach § 16 Z. 1 lit. c GGG in der hier maßgebenden Fassung vor Art. I Z. 2 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1987) bereits S 61.000,-- betragen.
Darüberhinaus hatte sich die Gesellschaft mit dem erwähnten ersten Vergleichspunkt zur Zahlung des Bestandzinses für die weiteren Monate Oktober bis Dezember 1987 in Höhe von insgesamt S 31.350,-- (monatlich S 9.500,-- zuzüglich S 950,-- USt) verpflichtet, sodaß die Bemessungsgrundlage im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG schon S 92.350,-- betragen hatte.
Da mit diesem ersten Vergleichspunkt bereits der Bestandzins für die Monate November und Dezember 1987 (im Sinne des § 1380 ABGB WECHSELSEITIG) verglichen war, kann in dem erwähnten zweiten Vergleichspunkt lediglich ein Verzicht des Beschwerdeführers auf S 3.500,-- (zuzüglich S 350,-- USt) für Jänner 1988 erblickt werden. Da auch dieser Teilerlaß oder -verzicht, der wie jede andere Leistung eine bewußte Vermögenszuwendung ist, Gegenstand des Vergleiches ist (siehe z. B. das bedeutungsvoll gebliebene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1966, Zl. 1771/65, ÖStZB 13/1966, S. 94), erhöht sich die Bemessungsgrundlage von S 92.350,-- auf einen Betrag von S 96.200,--.
Ganz abgesehen davon, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides bei der Wiedergabe des zweiten - gewiß nicht optimal formulierten - Vergleichspunktes in der Wortfolge "erst ab 1.2.1988" die Anführung des Wortes "erst" unterließ, ist dieser Vergleichspunkt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes so zu lesen, daß er nur den erwähnten Teilverzicht des Beschwerdeführers enthält, nicht aber auch eine Leistung, zu der sich die Gesellschaft (im Vergleich) verpflichtet hatte.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß vom Beschwerdeführer für die hier in Rede stehende - insgesamt zu entrichtende - Pauschalgebühr nicht ein Differenzbetrag in Höhe von S 4.000,-- sondern bloß einer in Höhe von S 1.000,-- ergänzend zu entrichten gewesen wäre.
Daher ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160226.X00Im RIS seit
24.10.2001Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008