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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §281 Abs1 impl;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 117;Betreff
X GmbH & Co KG gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 16. Jänner 1990, Zl. 6/1-1285/89-13, betreffend Aussetzung einer Berufungsentscheidung (Umsatzsteuer 1982 bis 1986):
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen ergibt sich im Zusammenhalt mit der gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeholten Äußerung der belangten Behörde und dem Inhalt des hg. Aktes Zl. 88/15/0081 folgendes:
Gegenstand des mit dem angefochtenen Bescheid ausgesetzten Berufungsverfahrens ist (auch von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme nicht bestritten) die Frage, ob betreffend Leasingverträge der Beschwerdeführerin pauschalierte Schadenersatzsummen umsatzsteuerpflichtig sind, die aus einem der folgenden Fälle vorzeitiger Vertragsauflösung herrühren:
Wenn der Leasingnehmer
"1.1. mit der Zahlung einer Leasingrate oder anderen fälligen Zahlungen, ganz oder teilweise, trotz Mahnung mehr als vier Wochen (bei Verbrauchergeschäften mehr als sechs Wochen) in Verzug ist
1.2. gegen sonstige Bestimmungen des Vertrages verstößt und trotz Mahnung und mindestens 14-tägiger Nachfristsetzung den vertragsgemäßen Zustand binnen dieser Nachfrist nicht wieder herstellt
1.3. eine Zahlungseinstellungserklärung abgibt, oder über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet bzw. abgewiesen wird, oder einen Offenbarungseid ablegt, oder gegen sein Vermögen ergebnislos Exekution geführt wird
1.4. seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) bzw. Firmensitz ins Ausland verlegt, oder verstirbt bzw. sonst handlungs- oder geschäftsunfähig wird.
Falls ein seitens der Beschwerdeführerin mit dem Kunden abgeschlossener Leasingvertrag aus einem der angeführten Gründe vorzeitig aufgelöst wird ist die Beschwerdeführerin berechtigt, sämtliche sonstige mit dem Kunden bestehende Leasingverträge zu den in dem jeweiligen Vertrag angeführten Rechtsfolgen vorzeitig aufzulösen."
In diesem Zusammenhang ist in den Leasingverträgen auch vorgesehen, daß das Leasingobjekt bei Beendigung des Leasingvertrages unverzüglich zurückzustellen ist.
Gegenstand des zur hg. Zl. 88/15/0081 anhängigen Verfahrens ist die Frage, ob Schadenersatzleistungen, die von Banken auf Grund von Garantien erbracht wurden, weil Leasingverträge durch die Leasingnehmer infolge Insolvenz nicht erfüllt wurden und wodurch ein großer Teil der ausgefallenen Mieteingänge beim Vermieter abgedeckt wurde, umsatzsteuerpflichtig sind.
Die belangte Behörde, die mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 6., 7. und 15. Bezirks betreffend Umsatzsteuer 1982 bis 1986 bis zur Beendigung des zur hg. Zl. 88/15/0081 schwebenden Beschwerdeverfahrens gemäß § 281 BAO ausgesetzt hat, vertrat in ihrer Stellungnahme dazu die Auffassung, daß "so gesehen ein vergleichbarer Sachverhalt vorliege".
Gegen den Aussetzungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, "daß eine Aussetzung des Abgabenverfahrens nur zulässig ist, wenn die Partei prüfen kann, ob tatsächlich eine ähnliche Rechtsfrage anhängig ist, und wenn überdies durch die Aussetzung nicht überwiegende Interessen der Partei verletzt werden".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 281 Abs. 1 BAO lautet: "Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen."
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde insbesondere vor, sie habe den angefochtenen Bescheid unzulänglich begründet und ihr vor Erlassung des Aussetzungsbescheides keine Gelegenheit geboten, ihre einer Aussetzung entgegenstehenden Interessen darzutun.
Eine auf Aussetzung zielende Ermessensentscheidung ist an sich wie jeder Bescheid zu begründen (§ 93 Abs. 3 lit. a und § 280 Abs. 1 lit. d BAO), weil ansonsten den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts die Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Aussetzungsbescheides verwehrt wäre (vgl. Stoll, BAO-Handbuch 672 unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1977, Zl. 1835/76).
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu zuletzt in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 88/16/0193, unter Hinweis auf zahlreiche Vorjudikatur ausgesprochen, daß es dabei nicht ausreicht, wenn zur deutlichen Bezeichnung des "Anlaßfalles" nur die Rechtsfrage beschrieben wird, um die es in der betreffenden Sache geht. Einerseits ist dem von einer Aussetzung der Berufungsentscheidung betroffenen Berufungswerber vor Erlassung des Aussetzungsbescheides Gelegenheit zur Darlegung seiner Interessen zu geben und andererseits ist im Aussetzungsbescheid das Verfahren, das Anlaß zur Aussetzung gibt, auf solche Weise eindeutig zu bezeichnen, daß es dadurch unmittelbar und ohne Zuhilfenahme des der Berufungsbehörde, nicht jedoch dem Berufungswerber zur Verfügung stehenden Wissens individualisierbar ist. Andernfalls wäre nämlich das Ende der Aussetzung und damit der Zeitpunkt des Wiedereintrittes der Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde nicht bestimmt. Allerdings ist nach der gerade zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) eine Aussetzung, die erfolgt, ohne zu begründen, weshalb der Ausgang des anderen Verfahrens von wesentlicher Bedeutung sei, auch ohne Einräumung des Parteiengehörs nicht rechtswidrig, wenn die Behörde auch bei Gewährung des rechtlichen Gehörs gegenüber der betroffenen Partei zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.
Zu prüfen ist im vorliegenden Fall daher, ob die belangte Behörde bei Wahrung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können oder nicht.
In dem unter der hg. Zl. 88/15/0081 anhängigen Verfahren ist die Frage strittig, ob Schadenersatzleistungen, die von Banken auf Grund von Garantien für insolvent gewordene Leasingnehmer geleistet werden, umsatzsteuerpflichtig sind. Dieses Problem unterscheidet sich wegen der Besonderheit einer von einem Kreditinstitut in Erfüllung einer übernommenen Garantiehaftung geleisteten Zahlung sehr wesentlich von der Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht vertraglich vereinbarter pauschalierter Schadenersatzleistungen, die ein Vertragsparter (hier der Leasingnehmer) unmittelbar an den anderen (hier den Leasinggeber) zu entrichten hat. Eine Bankgarantie begründet nämlich nach herrschender zivilrechtlicher Lehre und Judikatur (vgl. z.B. OGH HS 12495 = EvBl 1982/23 = QHGZ 1982/4, 807 und die dort zitierte Literatur und Judikatur) im Wege eines einseitig verpflichtenden Schuldvertrages selbständige Rechte des aus der Garantie Begünstigten gegenüber dem Garanten, den wiederum eine sogenannte nicht akzessorische Haftung trifft und der daher dem Berechtigten keinerlei Einwendungen und Einreden aus dem Grundgeschäft (zwischen dem aus der Garantie Begünstigten und jener Person, über deren Auftrag die Bank die Garantie übernimmt) oder aus seinem Rechtsverhältnis zum Auftraggeber der Garantie entgegensetzen kann. Leistungen aus einer Bankgarantie haben sohin ihren Rechtsgrund allein in der von der garantierenden Bank vertraglich übernommenen Verpflichtung und können daher umsatzsteuerrechtlich nicht ohne weiteres den von einem Vertragsteil des Grundgeschäftes seinem Partner vertragsmäßig zu erbringenden pauschalen Schadenersatzbeträgen gleichgesetzt werden (dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des § 6 Z. 8 lit. f UStG 1972).
In diesem Sinn kann daher keine Rede davon sein, daß der Ausgang des im angefochtenen Bescheid zitierten Beschwerdeverfahrens von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die in Rede stehende Berufung der Beschwerdeführerin ist. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, wenn sie der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Aussetzungsbescheides rechtliches Gehör gewährt hätte, angesichts der von der Beschwerdeführerin jetzt in der Beschwerde unter Hinweis auf die in ihren Leasingverträgen konkret formulierten Vertragsstraffälle vorgetragenen Argumente zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG belastet. Da sich dies bereits aus dem angefochtenen Bescheid ergab und die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme nichts vorgebracht hat, was geeignet war, das Vorliegen dieser Rechtsverletzung als nicht gegeben erkennen zu lassen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Konventionalstrafe VertragsstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990150029.X00Im RIS seit
21.05.1990Zuletzt aktualisiert am
19.11.2009