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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EFZG §9;Betreff
Steiermärkische Gebietskrankenkasse gegen Landeshauptmann von Steiermark vom 14. März 1989, GZ 5 - 226 Gu 64/17 - 89, betreffend Rückforderung von zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträgen gemäß § 9 EFZG (mitbeteiligte Partei: S-GmbH)
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. März 1986 hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die mitbeteiligte Partei (eine Ges.m.b.H.) verpflichtet, im Zeitraum vom 12. November 1975 bis 7. September 1981 für drei im Bescheid namentlich genannte Dienstnehmer aufgrund fingierter Krankmeldungen zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge im Betrag von S 59.071,02 an die Beschwerdeführerin rückzuerstatten.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe die mitbeteiligte Partei für die genannten Dienstnehmer gehäuft und wiederholt die Erstattung des vermeintlich fortgezahlten Entgelts beantragt. Bei einer routinemäßigen Überprüfung der Erstattungsanträge im April 1985 sei zutage getreten, daß hinsichtlich der Krankenstände bis zu drei Tagen Ungereimtheiten vorliegen könnten. Aufgrund einer von der Beschwerdeführerin erstatteten Strafanzeige sei der Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei am 6. März 1986 von einem Schöffensenat des Landesgerichtes Graz wegen schweren und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dabei sei als erwiesen angenommen worden, daß die zur Erstattung gemeldeten Krankenstände fingiert gewesen seien. Die im Spruch des Bescheides ausgewiesene Differenz ergebe sich aus der Differenz des vom Strafgericht der Verurteilung des Geschäftsführers letztlich zugrundegelegten Schadensbetrages von S 244.044,66 und der tatsächlichen, auch von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift festgestellten Summe der zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträge in der Höhe von S 303.579,60.
Gegen diesen Bescheid hat die mitbeteiligte Partei Einspruch erhoben, welchem mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und der Bescheid der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (somit ersatzlos) aufgehoben wurde. In der Begründung ihres Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, daß die Staatsanwaltschaft in der gegen den Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der mitbeteiligten Partei abgeführten Hauptverhandlung die Anklage auf (eine Schadenssumme von) S 244.044,66 eingeschränkt habe. Danach habe die Beschwerdeführerin als Privatbeteiligte erklärt, sich zufolge Zahlung dieses Betrages durch den Angeklagten am Strafverfahren nicht weiter zu beteiligen und auch keine weiteren Ansprüche gegen den Angeklagten mehr geltend zu machen. Das Recht der Beschwerdeführerin, den Betrag von S 59.071,02 geltend zu machen, hänge aber nicht allein von dieser Erklärung des Vertreters der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung gegen den Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei ab, sondern es sei der Spruch des rechtskräftig gewordenen "zivilgerichtlichen Urteils" (gemeint offenbar: strafgerichtlichen Urteils) für die Beurteilung dieser Frage maßgeblich, an welches die Verwaltungsbehörde selbst dann gebunden sei, wenn gegen dessen Rechtmäßigkeit Bedenken bestünden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Gebietskrankenkasse. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 9 EFZG lautet:
"Rückforderung zu Unrecht geleisteter Erstattungsbeträge.
§ 9. Der Krankenversicherungsträger hat zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber zurückzufordern. Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Krankenversicherungsträger bekannt geworden ist, daß der Erstattungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist. Der Krankenversicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers, auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichten oder die Rückzahlung des zu Unrecht bezahlten Betrages in Teilbeträgen zulassen."
Die mitbeteiligte Partei hat im gesamten Verwaltungsverfahren nicht bestritten, daß sie als Dienstgeber der drei im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannten Dienstnehmer, um deren Lohnfortzahlung es im Verfahren geht, die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannten Beträge nach den Bestimmungen des EFZG erstattet bekommen hat. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hing damit (aus der Sicht der belangten Behörde) die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides ausschließlich von der Frage ab, ob die Erstattungsbeträge zu Unrecht, d.h. ohne das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere eines Anspruches des Dienstnehmers auf Entgeltfortzahlung im Sinne des § 2 EFZG und der tatsächlichen Leistung des Dienstgebers im Sinne des § 8 Abs. 4 EFZG geleistet worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1976, Zl. 515/76, Slg. 9129/A).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid in beiden, von der belangten Behörde erwogenen Begründungselementen als rechtswidrig:
Erklärungen der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung gegen den GESCHÄFTSFÜHRER der mitbeteiligten Partei über noch offene bzw. über bereits beglichene Schadensbeträge konnten sich offenkundig nur auf jenen Rechts- und Tatsachenkomplex beziehen, der in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zur Debatte stand, nämlich die Höhe jenes Schadensbetrages, der der Beschwerdeführerin durch Betrugshandlungen des Geschäftsführers der mitbeteiligten Partei entstanden ist. Da der Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 9 EFZG gegen die mitbeteiligte Gesellschaft nicht davon abhängt, daß die Erstattung vom Geschäftsführer der Gesellschaft durch strafbare Handlungen veranlaßt wurde, kann schon deshalb zwischen der Erklärung der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung gegen den Geschäftsführer und dem Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 9 EFZG gegen die Gesellschaft kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang hergestellt werden.
Das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1978, Zl. 1651/77, ist für die hier maßgebende Rechtsfrage nicht einschlägig, behandelt es doch u.a. lediglich die Frage der Bindung der Behörde an eine rechtskräftige Entscheidung einer anderen Behörde in einer Sache, welche von dieser als Hauptfrage zu entscheiden war, für jene aber als Vorfrage von Bedeutung ist. Die rechtskräftige Verurteilung des Geschäftsführers der mitbeteiligten Partei durch das Strafgericht steht aber mit der Frage, ob abgesehen von dem im Strafurteil festgestellten Schadensbetrag weitere Erstattungsbeträge an die mitbeteiligte Partei zu Unrecht geleistet wurden, gerade nicht im Verhältnis der Vorfrage zur Hauptfrage: Der Umstand, daß dem Geschäftsführer der verfahrensgegenständliche Restbetrag von S 59.071,02 nicht als ein durch seine strafbare Handlung verursachter Schadensbetrag angelastet wurde, ist weder Gegenstand des Spruchs des Strafurteils, noch hängt der Rückforderungsanspruch gegenüber der mitbeteiligten Partei davon ab, ob die Erstattungsbeträge aufgrund strafbarer Handlungen ihrer Organe geleistet wurden.
Dadurch, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die belangte Behörde wird unter Zugrundelegung des Einspruchsvorbringens der mitbeteiligten Partei im fortgesetzten Verfahren die Frage zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 9 EFZG in Ansehung des von der Beschwerdeführerin rückgeforderten Betrages vorliegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere dessen Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989080116.X00Im RIS seit
22.05.1990