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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
S gegen Landeshauptmann von Wien vom 14. November 1989, Zl. MA 70-8/319/89, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen den (Vorstellungs-)Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 21. Mai 1987 betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 vom 26. Mai 1986 bis 26. August 1987 (somit für 15 Monate) erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid in diesem Punkt bestätigt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vom Beschwerdeführer behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde ist nicht gegeben. Der an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr gerichtete Devolutionsantrag nach § 73 Abs. 2 AVG 1950, mit dem der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid vom 21. Mai 1987 behauptet hat, wurde mit Ministerialbescheid vom 21. April 1989, zugestellt am 28. April 1989, rechtskräftig abgewiesen. Daher war jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, dem 27. November 1989, die Zuständigkeit der belangten Behörde gegeben. Im übrigen wurde - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gegen den Bescheid vom 21. April 1989 mit Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0150, als unbegründet abgewiesen.
2. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens stützten die angefochtene Entziehungsmaßnahme darauf, daß der Beschwerdeführer am 8. Mai 1986 ein Alkoholdelikt im Sinne des § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe. Mangels Vorliegens einer rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers nahmen sie selbst im Wege der Vorfragenbeurteilung gemäß § 38 AVG 1950 als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe im Anschluß an einen von ihm verschuldeten Verkehrsunfall mit schwerem Personenschaden die Vornahme einer Blutabnahme verweigert.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Annahme. Er behauptet, die Vornahme der Blutabnahme nicht verweigert zu haben; der Amtsarzt habe vielmehr die Untersuchung abgebrochen, nachdem ihm der Beschwerdeführer mitgeteilt habe, er drohe bei der Blutabnahme zu kollabieren. Er bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern einer eingeschränkten Überprüfung, als der Verwaltungsgerichtshof neben der Vollständigkeit des erhobenen Sachverhaltes lediglich die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung, nicht aber auch deren Richtigkeit überprüfen kann. Ob die Verantwortung des Beschuldigten oder ein dieser widersprechendes Beweisergebnis zutreffend ist, ist der Kognition des Gerichtshofes entzogen (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Im Lichte dieser Einschränkung hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand. Im Vordergrund standen dabei drei Zeugenaussagen des Amtsarztes, in denen er jeweils von der Verweigerung der Vornahme der klinischen Untersuchung und der Blutabnahme sprach. Dazu kommt, daß ein entsprechender amtlicher Vordruck in der Weise ausgefüllt wurde, daß darin die Verweigerung der Blutabnahme durch den Beschwerdeführer dokumentiert wird. Die Richtigkeit dieses Vorganges wurde durch Unterschriften des Amtsarztes und eines Polizeibeamten als Zeugen bestätigt, der Beschwerdeführer hat die Leistung seiner Unterschrift auf dem Vordruck verweigert. Die weitere Aussage des Amtsarztes, ein beim Beschwerdeführer bestehendes Risiko der Kollabierung hätte an der Möglichkeit einer gefahrlosen Blutabnahme nichts geändert, ist nicht unschlüssig; eine Befürchtung in der Richtung, daß ihm im Falle eines Kollabierens eine schwere Gesundheitsbeeinträchtigung drohe, hat der Beschwerdeführer nicht geäußert. Daß demgegenüber ein vom Beschwerdeführer der Amtshandlung zugezogener Bekannter als Zeuge ausgesagt hat, der Beschwerdeführer habe auf die Erklärung, er müsse eine Blutabnahme dulden, erwidert, es bestehe bei ihm die Gefahr des Kollabierens und er gestatte eine Blutabnahme, "wenn der Arzt dies med. vertreten könne", vermag diese Beweisergebnisse schon deswegen nicht zu widerlegen, weil der Zeuge seiner eigenen Aussage zufolge nach diesen Äußerungen das Wachzimmer verlassen hat, sodaß er bei dem weiteren Geschehen und insbesondere bei Beendigung der Amtshandlung nicht anwesend war. Seine Aussage steht somit gar nicht im Gegensatz zu den Aussagen des Amtsarztes.
3. Was das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Ergebnis einer nach den genannten Vorgängen in einem Krankenhaus durchgeführten Blutabnahme betrifft, übersieht der Beschwerdeführer zweierlei: Erstens wurde nicht als erwiesen angenommen, er habe zum Unfallszeitpunkt ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; zweitens ist dieses Ergebnis nicht geeignet, das Gegenteil zu beweisen, weil es für einen ca. drei Stunden nach dem Verkehrsunfall liegenden Zeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 0,3 %o nachweist, sodaß die Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt immerhin ein Ausmaß haben konnte, welches in Verbindung mit anderen Umständen eine Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers zur Folge hätte haben können, was bei der klinischen Untersuchung, zu deren Vornahme es nach der Verweigerung der Blutabnahme nicht mehr gekommen ist, hätte beurteilt werden müssen.
4. Nach dem Gesagten lag eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor. Im Hinblick auf die besondere Verwerflichkeit aller Alkoholdelikte nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist im Rahmen der Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 von der durch die in Rede stehende bestimmte Tatsache begründete Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.
5. Das von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Alkoholdelikt vom 8. Mai 1986 war nach der Aktenlage das erste vom Beschwerdeführer begangene und der einzige von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid berücksichtigte Umstand. Dies allein rechtfertigte nicht die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit 15 Monaten, umso mehr, als es im gegebenen Zusammenhang auf die Schwere von Unfallsfolgen nicht ankommt (vgl. zu den bei der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 zu beachtenden Kriterien, insbesondere zur Irrelevanz von Unfallsfolgen, und zum Vorliegen eines erstmaligen Alkoholdeliktes die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa die Erkenntnisse vom 19. Februar 1988, Zl. 87/11/0247, vom 9. Mai 1989, Zl. 89/11/0010, sowie vom 5. Juli 1989, Zl. 89/11/0082).
Der angefochtene Bescheid war aus dem zuletzt genannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990110022.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
17.06.2009