TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/22 89/11/0193

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Veröffentlicht am 22.05.1990
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1978 §37 Abs2 litb;

Betreff

V gegen Bundesminister für Landesverteidigung vom 6. Juni 1989, Zl. 677.716/1-2.5/88, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1970 geborene Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner Stellung am 25. Februar 1988 für tauglich befunden. Mit Eingabe vom 10. Mai 1988 stellte er den Antrag, ihn wegen seiner Unabkömmlichkeit im Landwirtschaftsbetrieb seines Vaters von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes zu befreien. Er sei in diesem Betrieb seit der Entlassung aus der Pflichtschule tätig, sei als Betriebsnachfolger vorgesehen und werde diesen Betrieb in einigen Jahren auch übernehmen. Sein im

65. Lebensjahr stehender Vater beziehe von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern eine Erwerbsunfähigkeitspension. Seine Mutter stehe im

53. Lebensjahr. Der Vater habe den Landwirtschaftsbetrieb bereits seit 1. August 1980 verpachtet, und zwar zunächst an einen Schwager und sodann an eine Schwester des Beschwerdeführers. Diese habe das Pachtverhältnis mit 30. April 1988 im Hinblick auf ihre Familie (drei minderjährige Kinder) gelöst. Der Beschwerdeführer habe daher mit 1. Mai 1988 den Landwirtschaftsbetrieb gepachtet und führe ihn seither auf eigene Rechnung und Gefahr.

Dieser Antrag vom 10. Mai 1988 wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 6. Juni 1989 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

1. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers für die beantragte Befreiung sprechen. Der Beschwerdeführer sei zwar seit 1. Mai 1988 Pächter des Landwirtschaftsbetriebes, wodurch wirtschaftliche Interessen auf seiner Seite gegeben seien. Diesen fehle es aber an der besonderen Rücksichtswürdigkeit, weil dem Vater des Beschwerdeführers ein ebenso großes Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung des Betriebes zugebilligt werde und weil es dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die bevorstehende Präsenzdienstleistung, von der er seit seiner Stellung am 25. Februar 1988 gewußt habe, zumutbar gewesen sei, entsprechende Dispositionen zu treffen, um so für den Fall der Einberufung zum Präsenzdienst vorhersehbare Schwierigkeiten zu vermeiden.

Die Behörde ist zwar insofern nicht im Recht, als sie meint, mit dem Hinweis auf ein Eigeninteresse seines Vaters die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers verneinen zu können. Sie ist dazu auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Umstand, daß neben eigenen wirtschaftlichen Interessen des Wehrpflichtigen auch wirtschaftliche Interessen dritter Personen betroffen sind, eine besondere Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen des Wehrpflichtigen nicht ausschließt (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0095, und vom 12. Jänner 1988, Zl. 87/11/0206). Zutreffend ist hingegen das Argument, der Beschwerdeführer hätte im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so zu besorgen gehabt, daß ihm im Falle seiner Einberufung zum Präsenzdienst keine vorhersehbaren Schwierigkeiten erwachsen (vgl. die die Pachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes betreffenden Erkenntnisse vom 12. Jänner 1988, Zl. 87/11/0206, vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0069, und vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/11/0094). Entgegen dieser Verpflichtung zur Harmonisierung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Dispositionen mit seiner Präsenzdienstpflicht hat der Beschwerdeführer durch die Pachtung des Landwirtschaftsbetriebes beginnend ab 1. Mai 1988 Tatsachen geschaffen, die seine Befreiung aus wirtschaftlichen Gründen rechtfertigen sollen. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß er zu dieser Maßnahme aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gezwungen gewesen sei. Die Erstbehörde hat in ihrer Begründung ausgeführt, es sei nicht schlüssig, daß seiner Schwester, Elisabeth L., die Weiterführung des väterlichen Betriebes als Pächterin nunmehr, nachdem der Beschwerdeführer zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes heranstehe, nicht mehr möglich sei, obgleich sie dazu bisher in der Lage gewesen sei, und zwar trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer in den Wintermonaten 1987/1988 einer unselbständigen Berufstätigkeit nachgegangen sei. Der Bfr hat im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht, daß es seiner Schwester nicht möglich oder zumutbar gewesen sei, den väterlichen Betrieb weiterzuführen. Eines solchen Vorbringens hätte es aber insbesondere deshalb bedurft, weil nach der Aktenlage das jüngste Kind dieser Schwester beim Abschluß des Pachtvertrages durch den Beschwerdeführer bereits ca. vier Jahre alt war. Auch in der Beschwerde findet sich kein Vorbringen dahin, weshalb der Beschwerdeführer mit der Pachtung des Landwirtschaftsbetriebes, nachdem dieser bereits seit dem Jahre 1980 zunächst von einem Schwager und sodann von einer Schwester des Beschwerdeführers pachtweise geführt wurde, nicht bis zur Beendigung des Grundwehrdienstes zuwarten konnte. Da die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers schon aus dem angeführten Grunde zu verneinen ist, bedurfte es keiner näheren Prüfung der Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit der Heranziehung einer Ersatzarbeitskraft während seiner Abwesenheit infolge Ableistung des Grundwehrdienstes. Daher bildet entgegen der Meinung des Beschwerdeführers das Fehlen von Erörterungen darüber keinen Verfahrensmangel.

2. Von einem familiären Interesse im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 kann - unabhängig von der besonderen Rücksichtswürdigkeit - nur dann gesprochen werden, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf. Als besonders rücksichtswürdig ist dieses Interesse nur dann zu werten, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0094).

Soweit die belangte Behörde familiäre Interessen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit seiner Eltern (60 % beim Vater und 30 % bei der Mutter) als gegeben erachtet, übersieht sie, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, daß es sich im vorliegenden Fall im Hinblick auf die durch den Pachtvertrag geschaffene Rechtslage nicht um den Betrieb der Eltern, sondern den des Beschwerdeführers handelt (unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt der Führung des gepachteten Betriebes). Daß die Eltern des Beschwerdeführers bei seiner Abwesenheit vom Betrieb infolge Ableistung des Grundwehrdienstes wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage sind, den Beschwerdeführer (vollwertig) zu ersetzen, stellt daher kein familiäres, sondern ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0093). Eine Gefährdung lebenswichtiger Belange von Familienangehörigen des Beschwerdeführers - nach dem Beschwerdevorbringen kämen diesbezüglich nur seine Eltern in Betracht -, wenn er den ordentlichen Präsenzdienst leistet, ist bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht anzunehmen. Nach der Aktenlage bezieht nämlich der Vater des Beschwerdeführers schon seit Jahren eine Berufsunfähigkeitspension und wurde sein landwirtschaftlicher Betrieb bereits seit 1980 nicht mehr von ihm selbst, sondern von anderen Familienangehörigen pachtweise geführt.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110193.X00

Im RIS seit

22.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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