Index
44 ZivildienstNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, insbesondere nicht durch einen Verfahrensfehler gravierender Natur; keine Verletzung im Gleichheitsrecht; durch Verfassungsbestimmung (§43 Abs4) wird bereits in erster Instanz eine zentrale Behörde vorgesehen - Ausschaltung der Entscheidungsbefugnis des Landeshauptmannes von verfassungswegen, da ein Instanzenzug einer zentralen Behörde mit bundesweiter Kompetenz an den Landeshauptmann nicht in Betracht kommt; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Dezember 1986 den - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974 (nunmehr mit BGBl. 67/1986 als Zivildienstgesetz 1986 - ZDG wiederverlautbart) gestellten - Antrag des Bf. auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 leg.cit. ab.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1.a) Der Bf. macht zunächst geltend, in dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein.
b) Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10021/1984, 10111/1984).
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH liegt eine Verletzung des in §2 Abs1 ZDG gewährleisteten
Grundrechtes dann vor, wenn die Behörde die in dieser Verfassungsbestimmung umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - da die für den Nachweis der Voraussetzung maßgebliche Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Grundrechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (zB VfSlg. 10379/1985).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 9985/1984, 11222/1987), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
d) Die bel. Beh. geht nun im Ergebnis richtig davon aus, daß der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren gebührend in Betracht, deutlich erkennbar den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).
e) Die ZDOK legte dem Sinn nach einläßlich dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.
Entgegen der in der Beschwerdeschrift der Sache nach schwergewichtig verfochtenen Auffassung ließ sich die bel. Beh. dabei aber keine gravierenden prozessualen Rechtsverletzungen zu Schulden kommen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials: Der Bf. bekämpft nämlich nach der unverkennbaren Zielsetzung der Beschwerdeeinreden in Wahrheit in der Hauptsache bloß die - nicht zu seinen Gunsten ausgefallene - behördliche Beweiswürdigung, indem er - in breit gehaltenen Ausführungen - tatsächliche Schlußfolgerungen der ZDOK in der Glaubhaftmachungsfrage als unrichtig und verfehlt hinstellen will. Er vermag damit den Umständen nach allerdings keineswegs aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen. Nur in diesem Fall aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des VfGH - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9732/1983, 9985/1984, 10111/1984).
f) Des weiteren trifft es - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht zu, daß die bel. Beh. ihren Bescheid besonders mangelhaft begründet und entscheidungswichtiges Bescheinigungsmaterial vollkommen übergangen habe, wie das Studium der - wenngleich knapp formulierten - Bescheidbegründung und eine Durchsicht der Administrativakten zeigen.
g) Der VfGH kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf dem Boden seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983, 10111/1984, 11222/1987).
h) Abschließend folgt daraus, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.
2.a) Der Bf. behauptet weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen unter dem Aspekt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots wurden nicht geltend gemacht und kamen - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - auch sonst nicht hervor. Bei dieser Betrachtung schied im übrigen die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, von vornherein aus.
c) Da es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das - vom Bf. relevierte - Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7466/1974, 9233/1981, 11222/1987) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
Es finden sich jedoch keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die bel. Beh. bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Bf. gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.
d) Daher ergibt sich, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht ebenfalls nicht verletzt wurde.
3.a) Schließlich meint der Bf. noch, er sei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter deshalb verletzt worden, weil das ZDG entgegen dem Art102 B-VG - den Landeshauptmann als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung bei der Vollziehung des Gesetzes weitestgehend ausschalte.
b) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
Hier hat in erster Instanz die Zivildienstkommission, in zweiter Instanz die ZDOK eine Sachentscheidung getroffen. Beide Behörden waren hiezu kompetent (vgl. §6 Abs1, §43 Abs2 Z1, §43 Abs3 Z1, §53 Abs2 ZDG).
c) Auch der eigentliche, vom Bf. erhobene Vorwurf, der Landeshauptmann sei bei der Entscheidung über Anträge auf Befreiung von der Wehrpflicht (§2 Abs1 ZDG) ausgeschaltet worden - was in Widerspruch zu Art102 B-VG stehe -, ist ungerechtfertigt: Der als Verfassungsbestimmung erlassene §43 Abs4 ZDG richtet als Behörde erster Instanz die Zivildienstkommission ein, die örtlich für das gesamte Bundesgebiet zuständig ist. Durch Verfassungsrecht wird also bereits in erster Instanz eine zentrale Behörde vorgesehen; damit wird aber in diesen Angelegenheiten von verfassungswegen eine Entscheidungsbefugnis des Landeshauptmannes ausgeschaltet, da ein Instanzenzug von einer zentralen Behörde mit bundesweiter Kompetenz an den Landeshauptmann von vornherein nicht in Betracht kommt.
4. Angesichts des Umstandes, daß auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
5. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des VfGH bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Zivildienst, Zivildienstkommission, Bundesverwaltung mittelbareEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B278.1987Dokumentnummer
JFT_10128995_87B00278_00