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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §119 Abs1;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1990, 461;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Jänner 1989, Zl. GA 7-1908/88 betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO.
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt zog die Beschwerdeführerin als ehemalige Geschäftsführerin (nunmehrige Liquidatorin) der H-GmbH gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft in Höhe von S 441.600,68 heran.
Über eine Berufung gegen den Haftungsbescheid erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung, worauf die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und setzte den Haftungsbetrag auf S 404.263,68 herab. Sie schied aus der Haftung Abgaben aus, hinsichtlich derer sowohl die Entstehung des Abgabenanspruches als auch die Festsetzung in einen Zeitraum fiel, in dem die Gesellschaft bereits vermögenslos gewesen sei; dieser Zeitraum begann nach dem angefochtenen Bescheid mit dem Jahr 1985. Bezüglich des von der Haftung umfaßten Zeitraumes (bis Ende 1984) hielt die belangte Behörde den Einwänden der Beschwerdeführerin im Rechtsmittelverfahren, die bereits im Oktober 1984 stillgelegte GmbH hätte im zweiten Halbjahr 1985, als die Abgaben vorgeschrieben worden seien, keine Mittel mehr zu ihrer Entrichtung zur Verfügung gehabt, der Abgabenrückstand beruhe überdies auf einer Schätzung und allfällige Mängel bei den Aufzeichnungen der GmbH seien auf eine Krankheit der Beschwerdeführerin zurückzuführen, die auch eine schuldhafte Pflichtverletzung durch die Beschwerdeführerin ausschließe, entgegen, daß auch die Abgabenbehörde nicht behaupte, der GmbH bzw. der Beschwerdeführerin wären zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung Geldmittel zur Verfügung gestanden. Wesentlich sei vielmehr, daß der Großteil der Abgaben, für die die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen worden sei, aus Tatbeständen resultiere, die in den Jahren 1981 bis 1984 verwirklicht worden seien. Daß die Abgaben in diesen Jahren wegen fehlender Mittel nicht entrichtet hätten werden können, werde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Außerdem zeige die Tatsache, daß in den Jahren 1981 bis 1984 am Abgabenkonto der GmbH durchwegs ein Guthaben der Gesellschaft bestanden habe, deutlich, daß in diesen Jahren durchaus Geldmittel zur Abgabenentrichtung zur Verfügung gestanden wären. Das Argument, daß Abgaben erst zu einem Zeitpunkt vorgeschrieben worden seien, als die GmbH bereits vermögenslos gewesen sei, könne nicht zugunsten der Beschwerdeführerin geltend gemacht werden, da Ursache der verspäteten Abgabenfestsetzung eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) durch die Beschwerdeführerin gewesen sei. Zur Wahrnehmung dieser Pflichten wäre die Beschwerdeführerin aber auf Grund der Bestimmung des § 80 BAO verpflichtet gewesen. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, daß sie diesen Pflichten wegen ihrer Krankheit nicht nachkommen hätte können, sei entgegenzuhalten, daß sie erst Ende Dezember 1984 erkrankte. Gründe, warum sie in den Jahren 1981 bis 1984 ihren Pflichten nicht habe nachkommen können, habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Die Prüfung der Behauptung, daß die Abgaben der GmbH nicht richtig festgesetzt worden seien, sei nicht Gegenstand dieses Haftungsverfahrens. Da die Abgabenbescheide der GmbH in Rechtskraft erwachsen seien, wäre die Beschwerdeführerin jedenfalls auf Grundlage dieser Bescheide zur Haftung für die Abgaben der GmbH heranzuziehen.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Zu den Vorschriften der §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, daß es Sache des Vertreters ist, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (siehe zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0212, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die Abgabenschuldigkeiten seien sämtliche im Schätzungsweg - unrichtig - ermittelt worden. Aus diesem Einwand ist für die Beschwerdeführerin deshalb nichts zu gewinnen, weil Einreden gegen die Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen sind, wie (neben § 257) besonders deutlich § 248 BAO zeigt, der unbeschadet des Rechtes, gegen die Haftungsinanspruchnahme zu berufen, das Recht des Haftungspflichtigen vorsieht, auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Berufung einzulegen. Daraus geht klar hervor, daß sich Einwendungen, die gegen den - wenn auch im Schätzungsweg - durch Abgabenfestsetzung konkretisierten Abgabenanspruch gerichtet sind, allein im Verfahren betreffend die Abgabenfestsetzung und nicht im Haftungsverfahren als relevant erweisen (siehe auch Stoll, BAO-Handbuch, S. 612).
Die Beschwerdeführerin ist weiters der Meinung, es sei unzulässig, daß bei der Heranziehung zur Haftung von der Schätzung ausgegangen werde, wenn die Behörde damit argumentiere, es komme bei der Heranziehung zur Haftung nicht darauf an, wann die Abgabenschuldigkeiten vorgeschrieben worden seien, sondern darauf, wann sie entstanden seien; gerade dieser Zeitpunkt falle hinsichtlich der Beschwerdeführerin (wohl der GmbH) mit dem Zeitpunkt der Vorschreibung zusammen.
Die Beschwerdeführerin verkennt bei diesen Ausführungen, daß der Standpunkt der belangten Behörde wie schon jener des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung darauf hinausläuft, daß die GmbH die haftungsgegenständlichen Abgaben zu einer Zeit entrichten hätte können, zu der sie noch über die notwendigen Mittel verfügte, wenn sie bzw. die Beschwerdeführerin nicht abgabenrechtliche Pflichten - Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht - verletzt hätte. Diesen Standpunkt konnte die Beschwerdeführerin nicht entkräften. Den in der Berufungsvorentscheidung festgehaltenen Aufzeichnungsmängeln und der Feststellung, daß eine Schätzung erfolgte, da keine Bücher geführt wurden, daß (also) die Abgabenrückstände der GmbH durch grobe Pflichtverletzungen der Beschwerdeführerin entstanden sind (Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, Verletzung der Pflicht zur Führung von ordnungsmäßigen Büchern und Aufzeichnungen etc.), hielt die Beschwerdeführerin im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Behauptung entgegen, die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht verletzt zu haben; bezüglich der Aufzeichnungs- und Buchführungsmängel (der fehlenden BuchführungÜ) heißt es in diesem Antrag lediglich, "wenn Mängel bei Aufzeichnungen und Aufschreibungen vorhanden waren, so sind diese auf die schwere Krankheit der Geschäftsführerin zurückzuführen". Dazu stellte aber die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, daß die Beschwerdeführerin erst Ende Dezember 1984, also erst zu Ende des Zeitraumes, in dem die belangte Behörde eine Abgabenentrichtung noch für möglich hielt, erkrankte. Dieser Feststellung widerspricht die Beschwerde nicht. Damit ist aber auch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung nicht widerlegt, daß die Beschwerdeführerin abgabenrechtliche Pflichten verletzte und daß auf Grund dieser Pflichtverletzung Abgaben nicht rechtzeitig bzw. nicht zu einer Zeit entrichtet wurden, zu der bei der GmbH dafür noch Geldmittel vorhanden waren, was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unwidersprochen auch noch für das Jahr 1984 auf Grund der bestehenden Steuerguthaben annahm.
Den Beweis, daß die rechtzeitige Abgabenentrichtung ohne Verschulden der Beschwerdeführerin unterblieb, hatte nach dem bereits Gesagten sie selbst zu führen. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang insbesondere rügt, die belangte Behörde habe nicht einwandfrei festgestellt, zu welchen Zeitpunkten für sie (die Beschwerdeführerin) die Verpflichtung zur Abführung der Abgabenschuldigkeiten erkennbar war und ob sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt über die entsprechenden Mittel verfügte, ist ihr entgegenzuhalten, daß nicht die Abgabenbehörde, sondern wohl nur die Beschwerdeführerin selbst anhand von Unterlagen der GmbH derartiges dartun hätte können.
Die Beschwerdeführerin vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130250.X00Im RIS seit
23.05.1990