TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/23 89/01/0366

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Index

L82809 Gas Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §309;
GasG Wr §4 Abs2 idF 1980/023;
GasG Wr §4 Abs3 idF 1980/023;
GasG Wr §4 Abs4 idF 1980/023;

Beachte

Fortgesetztes Verfahren: 90/01/0226 E 27. Februar 1991;

Betreff

1. GW, 2. AW gegen Wiener Landesregierung vom 14. Juli 1989, Zl. MA 64-B/137/88, betreffend Kostenersatz gemäß § 4 Abs. 4 Wiener Gasgesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von S 9.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid bestätigte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 25, vom 18. Oktober 1988 (mit geringfügigen, im Beschwerdefall nicht weiter interessierenden Änderungen). Mit dem erstinstanzlichen Bescheid war den Beschwerdeführern als Inhaber der Gasanlage in Wien X Kostenersatz im Ausmaß von S 58.549,26 für die unumgänglich notwendigen Maßnahmen betreffend die Wiederherstellung der Gasversorgung vorgeschrieben worden.

Die belangte Behörde ging bei ihrem Bescheid im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Im Zuge einer am 7. September 1987 durchgeführten Ortsaugenscheinsverhandlung sei vom Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 36 festgestellt worden, daß die Hausanschlußleitung des Hauses Wien X vom Hauptrohr der öffentlichen Gasversorgung getrennt sei, sodaß, dadurch bedingt, die Beheizung der Aufenthaltsräume einiger Wohnungen nicht möglich gewesen sei. Die unter dem Straßenniveau gelegene Hausanschlußleitung sei undicht gewesen. Es sei in weiterer Folge, bedingt durch die Unterbrechung der Gasversorgung, im Aufenthaltsraum der Wohnung top Nr. 9 zu einem Absinken der Raumtemperatur unter 15 Grad Celsius an drei aufeinanderfolgenden Tagen gekommen. Dadurch sei laut Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 15 eine Gefährdung der Gesundheit der Bewohner der obgenannten Wohnung anzunehmen gewesen. Der Magistrat habe deshalb im Wege einer notstandspolizeilichen Maßnahme am 22. Oktober 1987 die Reparatur der Hausanschlußleitung veranlaßt, sodaß die Gasversorgung in der Wohnung top Nr. 9 wieder aufgenommen habe werden können. Die Kosten dafür seien den Hauseigentümern als Inhaber der Gasanlage in Entsprechung des § 4 Abs. 5 des Wiener Gasgesetzes bescheidmäßig vorzuschreiben gewesen. Die Höhe der Reparaturkosten sei durch eine detailierte Rechnung der Wiener Stadtwerke-Gaswerke vom 29. Jänner 1988 ordnungsgemäß belegt.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde unter Berufung auf ein von ihr nicht näher zitiertes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, die Lage einer Hausanschlußleitung auf öffentlichem Grund schließe die Inhabereigenschaft der Hauseigentümer nicht aus und seien die Beschwerdeführer als Inhaber der Gasanlage deshalb anzusehen, weil diese in ihrer Gesamtheit zu betrachten sei; die lediglich einen unselbständigen Teil der gesamten Gasanlage darstellende, auf öffentlichem Grund verlegte Hausanschlußleitung sei Teil der unteilbaren Sache Gasanlage und befinde sich daher in der Macht und Gewahrsame der Hauseigentümer, denen auch die Verfügungsgewalt über die Gasanlage zustehe und die letztlich auch die Entscheidung über die Durchführung der Reparaturmaßnahmen zu treffen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht, keine Kosten für die Wiederherstellung der Hausanschlußleitung tragen zu müssen, verletzt und begründen dies u.a. damit, sie seien nicht Inhaber der auf öffentlichem Grund verlegten Hausanschlußleitung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die ersten fünf Absätze des § 4 des Wiener Gasgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. für Wien Nr. 23/1980 lauten:

"(1) Die Handhabung der Bestimmungen dieses Gesetzes obliegt dem Magistrat. Über Berufungen entscheidet die Landesregierung.

(2) Dem Magistrat steht insbesondere das Aufsichtsrecht über die Ausführung, den Betrieb und die Benützung der Gasanlage zu. Zu diesem Zweck dürfen Grundstücke und Räume betreten werden. Der Inhaber einer Gasanlage ist verpflichtet, alle erforderlichen Auskünfte zu geben.

(3) Der Magistrat hat nötigenfalls den Inhaber einer Gasanlage zu verhalten, diese innerhalb angemessener, drei Monate nicht übersteigender Frist in guten, den gesetzlichen Vorschriften und den Erfahrungen der technischen Wissenschaften entsprechenden Zustand zu versetzen.

(4) Bei unmittelbarer Gefahr ist der Magistrat berechtigt, alle zu ihrer Beseitigung notwendigen Maßnahmen, wie die Absperrung der Gasanlage, ohne vorausgegangenes Verfahren gegen nachträgliche Vorschreibung der Kosten an den Verpflichteten durchzuführen. Die Vorschreibung der Kosten hat mit Bescheid zu erfolgen.

(5) Eine unmittelbare Gefahr im Sinne des Abs. 4 ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn durch die Unterbrechung der Gasversorgung die notwendige Beheizung von Aufenthaltsräumen unmöglich wird und deshalb eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen nicht auszuschließen ist. Der Magistrat hat sich bei der Wiederherstellung der Gasversorgung auf die hiezu unumgänglich notwendigen Maßnahmen zu beschränken."

Die maßgebenden Rechtsgrundlagen für die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Kostenvorschreibung finden sich in § 4 Abs. 3 bis 5 leg. cit. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem - offenbar auch der belangten Behörde bekannten - Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 85/04/0124 (gestützt auf sein Erkenntnis vom 21. September 1977, Zl. 1823/76), klargestellt hat, bezieht sich § 4 Abs. 2 leg. cit. auf die Rechtsfigur der Innehabung (des Inhabers). Wie nun aus dem Regelungszusammenhang der Absätze 3 und 4 der oben wiedergegebenen Gesetzesstelle folgt, ist der jeweilige Inhaber einer Gasanlage auch als jener Verpflichtete anzusehen, an den die in Abs. 4 leg. cit. vorgesehene Vorschreibung der Kosten einer Sofortmaßnahme zu erfolgen hat.

Es bedarf also nicht nur bei Aufträgen im Sinne des § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz, sondern auch bei Kostenvorschreibungen gemäß Abs. 4 der zitierten Gesetzesstelle der Klarstellung, ob der betreffenden Person die rechtliche Eigenschaft des Inhabers der betreffenden Gasanlage zukommt oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem oben zitierten Erkenntnis vom 27. Jänner 1987 ausdrücklich betont, daß dabei die Lage einer Hauszuleitung auf öffentlichem Grund die Inhaberschaft des Hauseigentümers nicht ausschließt und daß es zur Klärung dieser Frage entsprechender Darlegungen der Verwaltungsbehörde bedarf. Diese vom Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vermißten Darlegungen versucht die belangte Behörde in dem jetzt vorliegenden Fall dadurch zu geben, daß sie mit zivilrechtlichen Argumenten arbeitet die Gasanlage als Gesamtheit betrachtet und darin eine unteilbare Sache erblickt, wobei die Hauszuleitung deren unselbständiger Bestandteil ist. Daraus leitet die belangte Behörde eine Verfügungsgewalt des Hauseigentümers über die Gasanlage ab.

Die belangte Behörde übersieht dabei grundlegend, daß man zivilrechtlich unter Innehabung im Sinne des § 309 ABGB das nach der äußeren Erscheinung der Herrschaft (vgl. Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum ABGB I, 2. Auflage, Rz. 2 zu § 309 ABGB) zu beurteilende räumlich-körperliche Naheverhältnis ("corpus") zwischen Subjekt und Objekt versteht. Die Frage der Innehabung stellt sohin auf rein äußerliche, faktische Herrschaftsverhältnisse ab (vgl. Koziol-Welser, Grundriß II,

8.

Auflage, 17; Schey-Klang in Klang, Kommentar zum ABGB,

2.

Auflage, II 59) und ist vollkommen losgelöst von der nach anderen Kriterien zu beurteilenden Frage der Teilbarkeit einer Sache und ihrer Qualität als selbständiger oder unselbständiger Bestandteil zu beurteilen. Indem die belangte Behörde ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht die erforderlichen konkreten Tatsachenfeststellungen über jene faktischen Umstände unterließ, anhand derer die Frage einer allfälligen Innehabung der Beschwerdeführer auch betreffend die in öffentlichem Grund verlegte defekte Hauszuleitung zu klären gewesen wäre, hat sie ihren Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel und damit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß. Auf die übrigen Beschwerdeausführungen braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010366.X00

Im RIS seit

31.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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