TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/23 89/13/0015

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §22;
BAO §23;
BAO §26 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1990, 413;

Betreff

S gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Oktober 1988, GZ. 6/4 - 2419/2/86, betreffend Einkommensteuer 1983

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bis zum Jahre 1982 hatte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt stets Einkommensteuererklärungen für unbeschränkt Steuerpflichtige vorgelegt. Erstmals 1983 gab die Beschwerdeführerin eine Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige ab und führte als ihre Wohnanschrift MB Enterprises, M, Afrika, an.

In einem Vorhalt an die Beschwerdeführerin vertrat das Finanzamt hierauf die Ansicht, daß sie "als unbeschränkt Steuerpflichtige zu veranlagen" sei, weil sie in A, FX-Straße, eine Eigentumswohnung besitze. Hiezu führte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. Februar 1986 aus, sie habe die genannte Wohnung an ihren Vater vermietet und daher nicht die Möglichkeit, dieselbe jederzeit zu benutzen. Sie habe demzufolge keinen Wohnsitz im Inland.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1983, in welchem die Beschwerdeführerin als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt wurde, wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In dieser vertrat die Beschwerdeführerin, ebenso wie in ihrem Schriftsatz vom 28. Februar 1986, die Auffassung, sie habe keinen Wohnsitz in Österreich.

Am 9. Oktober 1986 gab der Vater der Beschwerdeführerin, W, niederschriftlich bekannt, daß er seit ca. drei Jahren in der Wohnung A, FX-Straße, wohne. Mietvertrag sei keiner errichtet worden, weil er "unentgeltlich in der Wohnung wohne". Nach seiner Ansicht sei er "Wohnungseigentümer", während seiner Tochter, der Beschwerdeführerin, "das Nutzungsrecht" zustehe. Die Genannte halte sich durchschnittlich zwei bis drei Monate im Jahr, vor allem von Dezember bis Februar, in A auf. Das Schlafzimmer stehe ihr "ständig zur Verfügung". In den Kästen dieses Raumes befände sich Winterbekleidung der Beschwerdeführerin.

In der Folge wurde, ungeachtet der diesbezüglich gegenteiligen Aussage des W, ein zwischen ihm und der Beschwerdeführerin abgeschlossener Mietvertrag vom 23. Februar 1983 vorgelegt, laut dem die schon mehrfach genannte Wohnung (Nutzfläche 120 m2) um S 1,-- pro Monat auf unbestimmte Zeit an W vermietet wurde. Der Beginn des Mietverhältnisses wurde mit 1. Jänner 1983 angegeben.

Mit Berufungsvorentscheidung gab das Finanzamt dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zwar teilweise statt, vertrat jedoch hinsichtlich der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein noch strittigen Frage der Art der Steuerpflicht der Beschwerdeführerin die Ansicht, daß die Genannte als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sei.

Fristgerecht beantragte hierauf die Beschwerdeführerin ihre Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Ergänzend führte sie in dem betreffenden Schriftsatz noch aus, es könne keine Rede davon sein, daß sie sich "regelmäßig" in A aufhalte; denn auch während der Monate Dezember bis Februar verbringe sie wenigstens sechs Wochen in Deutschland und England. Im übrigen würde nur "in ca. einem Fünftel der Schlafzimmerkästen" Winterkleidung von ihr aufbewahrt.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde gab der Vertreter der Beschwerdeführerin bekannt, die Letztgenannte komme fallweise nach Österreich und benütze das Schlafzimmer in der schon mehrfach angeführten Wohnung in A. Dieser Raum sei als Gästezimmer eingerichtet. In zwei Einbauschränken dieses Zimmers, in welchem sich insgesamt 10 solcher Schränke befänden, habe die Beschwerdeführerin ihre Winterkleidung untergebracht. Sie besitze für die Wohnung keinen Schlüssel.

Die Beschwerdeführerin sei britische Staatsbürgerin, ihr Ehegatte Großwildjäger in Afrika. Dort befände sich auch ihr Wohnsitz.

Während der Monate ihres Aufenthaltes in Österreich, Deutschland und England "würden die Projekte für Afrika organisiert".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung zwar teilweise Folge, vertrat jedoch, ebenso wie das Finanzamt, die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

Strittig sei im vorliegenden Fall, ob die Beschwerdeführerin beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Im Rahmen ihrer Argumentationen stütze sich die Beschwerdeführerin vor allem auf das "sogenannte Mietverhältnis" mit ihrem Vater. Da ein solches jedoch Entgeltlichkeit voraussetze, der Vater der Beschwerdeführerin jedoch weder im Streitjahr noch in den Folgejahren Zahlungen geleistet habe, liege "eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung vor".

Durch die "rechtlich nicht gesicherte Benutzungsbewilligung" des Vaters sei die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Wohnung in A nicht eingeschränkt worden. Sie habe diese Wohnung auch regelmäßig genutzt. Unwesentlich sei die jeweilige Dauer des Inlandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin trage auch sämtliche im Zusammenhang mit der Wohnung anfallende Kosten (Betriebskosten, Kosten der Darlehensrückzahlung etc.).

Auf die Frage, ob der Beschwerdeführerin ständig ein Zimmer in der in Rede stehenden Wohnung zur Verfügung stehe oder nicht, sei nicht weiter einzugehen, weil - wie oben dargelegt - die Beschwerdeführerin "die gesamte Wohnung innehat".

Es läge aber auch kein Anzeichen dafür vor, daß die Beschwerdeführerin beabsichtigt hätte, 1983 ihre Wohnung aufzugeben; vielmehr benutze die Beschwerdeführerin nach Aussage ihres Vaters die Wohnung jährlich zwei bis drei Monate hindurch.

Zusammenfassend sei zu sagen, daß die Beschwerdeführerin in Österreich eine Wohnung innehabe "unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird". Die Beschwerdeführerin sei somit unbeschränkt steuerpflichtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen

Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1972 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. beschränkt einkommensteuerpflichtig mit inländischen Einkünften im Sinne des § 98.

Einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften hat gemäß § 26 Abs. 1 BAO jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführerin eine Eigentumswohnung in A gehört und daß diese Wohnung 1983 und auch in den folgenden Jahren von ihrem Vater bewohnt wurde. In Streit steht lediglich die Frage, ob diese Eigentumswohnung einen Wohnsitz der Beschwerdeführerin in Österreich darstellt und diese daher unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nicht.

Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 1 EStG 1972, Tz 7 f, Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,

2. Auflage, Seite 3, Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 71 und die dort jeweils angeführte hg. Judikatur, insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom 4. November 1980, Zl. 3235/79) ist steuerrechtlich das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung des Besitzes - hier gleichbedeutend mit Innehabung - einer Wohnung geknüpft. Die polizeiliche Meldung oder die Unterlassung derselben ist ebensowenig für die Frage des Wohnsitzes entscheidend, wie der Umstand, ob Miete bezahlt wird oder nicht. Der Wohnsitzbegriff des Steuerrechtes ist demnach auf keine bestimmte rechtsgeschäftliche Form abgestellt, sondern knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der TATSÄCHLICHEN VERFÜGUNGSGEWALT über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten. In diesem Sinn können auch Untermietzimmer, im Fall einer Dauermiete sogar Hotelzimmer eine Wohnung und damit einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO darstellen. Wird aber eine Wohnung durch ihren Eigentümer vermietet und hat der Eigentümer nicht die Möglichkeit zur jederzeitigen Benutzung der Wohnung, dann liegt für ihn hinsichtlich dieser Wohnung kein Wohnsitz vor.

Während im Beschwerdefall die belangte Behörde die Auffassung vertrat, daß die Beschwerdeführerin sehr wohl die tatsächliche Verfügungsgewalt über ihre Eigentumswohnung in A innehabe, sie dieselbe daher jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nutzen könne und das auch immer wieder getan habe, bestritt dies die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis, daß die in Rede stehende Wohnung von ihrem Vater bewohnt werde und legte diesbezüglich einen zwischen ihrem Vater und ihr abgeschlossenen, auch das Streitjahr umfassenden Mietvertrag vor.

Wenn nun der Ansicht der belangten Behörde auch beizustimmen ist, daß der angeführte Mietvertrag im Hinblick auf die Höhe des ausbedungenen Mietzinses in der vorliegenden Form zwischen Fremden wohl nicht geschlossen worden wäre, so mangelt es vorliegendenfalls doch an konkreten Feststellungen darüber, ob und inwieweit die tatsächliche Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin über ihre Eigentumswohnung und damit die Möglichkeit, dieselbe, für welche sie angeblich nicht einmal einen Schlüssel besaß, jederzeit für ihre Wohnzwecke nutzen zu können, durch den unbestrittenen Umstand beseitigt wurde, daß ihr Vater in dieser Wohnung wohnte.

Die von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellten Tatsachen allein, wonach sie einerseits sich während ihres Urlaubes zeitweise in einem Zimmer der in Rede stehenden Wohnung - von welchem allerdings bestimmt nie festgestellt wurde, ob es, wie W ausführte, der ausschließlichen Benutzung der Beschwerdeführerin diente oder, wie diese behauptete, ein Gästezimmer darstellte - bei ihrem Vater aufhielt und andererseits in dieser Wohnung auch Winterbekleidung aufbewahrte, vermögen die Annahme eines Wohnsitzes der Beschwerdeführerin im Inland nicht ohne weiteres zu stützen.

Da sich nach dem Dargelegten der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist, war derselbe gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130015.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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