TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/23 89/13/0161

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §93;
FinStrG §96;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 26;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Juni 1989, GZ. GA 10-324/1/89 betreffend Beschwerde gegen einen Hausdurchsuchungsbefehl.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Pächter einer Gastwirtschaft in Wien. Mit Hausdurchsuchungsbefehl vom 10. Februar 1989 wurde in der Finanzstrafsache gegen den Beschwerdeführer "wegen § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz" die Durchsuchung von vier Objekten zu dem Zweck angeordnet, "sämtliche Unterlagen zur Feststellung der Umsätze und Gewinne des Verdächtigen als selbständiger Buchhalter sicherzustellen (§ 93 Abs. 1 und 2 Finanzstrafgesetz)". In der Begründung dieses Hausdurchsuchungsbefehles wurde im wesentlichen ausgeführt:

Auf Grund "einer Anzeige und den nachfolgenden Erhebungen" bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer für eine große Anzahl von Abgabepflichtigen eine Buchhaltungs- und Steuerberatungstätigkeit leiste und dafür honoriert werde, "ohne diese Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit den Finanzbehörden angezeigt" und die in diesem Zusammenhang erzielten Umsätze und Gewinne in den Steuererklärungen für die Jahre 1980 bis 1987 offengelegt zu haben. Auch Umsatzsteuervoranmeldungen "für die Monate des Jahres 1988" habe der Beschwerdeführer nicht abgegeben.

Demnach bestehe der begründete Verdacht "einer Verkürzung von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz sowie einer wissentlichen Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer und der Nichtabgabe von Voranmeldungen nach § 33 Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz". Es sei zu erwarten, daß bei Durchsuchung des dem Verdächtigen gehörenden Hauses in der T-Straße, wo auch eine EDV-Anlage sein solle, des Gasthauses in der S-Straße, der Wohnung in der H-Straße und der weiteren Wohnung in der M-Gasse, unter welcher Adresse der Beschwerdeführer ebenfalls gemeldet sei, der Aufklärung dienendes Beweismaterial sichergestellt werden könne.

Im Zuge der Hausdurchsuchung stellten die einschreitenden Beamten auch fest, daß der Beschwerdeführer in seinem Gasthof nicht angemeldetes Personal beschäftigte. Da damit der Verdacht eines weiteren Finanzvergehens, nämlich die Nichtabfuhr der lohnabhängigen Abgaben für diese Bediensteten gerechtfertigt erschien, wurden auch in diesem Zusammenhang Unterlagen beschlagnahmt.

Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer gegen den Hausdurchsuchungsbefehl Beschwerde, in welcher er rügt, daß einerseits der in Rede stehende Bescheid "begründungslos geblieben" sei und andererseits im Zuge der Hausdurchsuchung Gegenstände beschlagnahmt worden seien, die nicht im Zusammenhang mit seiner angeblichen "Tätigkeit als selbständiger Buchhalter" stünden, sondern seine Tätigkeit als Gastwirt betreffen würden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Begründend wurde ausgeführt, daß, soweit der Beschwerdeführer "als Mangel des Hausdurchsuchungsbefehles den Verdachtsvorwurf bekämpft", darauf hingewiesen werde, daß vor Erlassung dieses Befehles umfangreiche Erhebungen durchgeführt und in deren Rahmen auch Auskunftspersonen vernommen worden seien, wobei sich eindeutig ergeben habe, daß der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren Buchhaltungsarbeiten erledigt und "eine Beratungstätigkeit gleich einem Steuerberater" durchgeführt habe. Diese Erhebungsergebnisse seien Grundlage für die Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehles gewesen.

Was den Vorwurf betreffe, die einschreitenden Beamten hätten, ohne durch den Wortlaut des Hausdurchsuchungsbefehles gedeckt zu sein, Unterlagen beschlagnahmt, die nicht die selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Buchhalter, sondern seine gewerbliche Tätigkeit als Gastwirt betroffen hätten, werde bemerkt, daß die Erhebungsbeamten festgestellt hätten, beim Beschwerdeführer sei "nicht angemeldetes" Personal beschäftigt, für welches "keine lohnabhängigen Abgaben entrichtet" worden seien. Es habe sich demnach auch für diesen Bereich der Verdacht eines Finanzvergehens ergeben, "sodaß auch diesbezüglich die Beschlagnahme unbedenklich ist".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 93 Abs. 1 Finanzstrafgesetz bedarf die Durchführung einer Hausdurchsuchung eines mit Gründen versehenen Befehles des Vorsitzenden des Spruchsenates, dem gemäß § 58 Abs. 2 unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegen würde.

Hausdurchsuchungen dürfen gemäß § 93 Abs. 2 leg. cit. unter anderem nur dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht besteht, daß sich in den betreffenden Räumlichkeiten Gegenstände befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen.

Werden die gesuchten Beweismittel vorgefunden, so sind sie gemäß § 96 leg. cit. zu beschlagnahmen, ohne daß es hiezu einer besonderen Anordnung bedarf. Andere Beweismittel, die auf die Begehung eines Finanzvergehens schließen lassen, sind nur dann in Beschlag zu nehmen, wenn Gefahr im Verzug ist.

In der vorliegenden Beschwerde wird der angefochtene Bescheid zunächst deshalb bekämpft, weil die belangte Behörde mit diesem die Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbefehl, ungeachtet des Umstandes, daß dieser Befehl nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht entsprechend begründet war, abwies.

Der Gerichtshof vermag in diesem Zusammenhang eine Rechtswidrigkeit im Verhalten der belangten Behörde nicht zu erkennen; denn der Hausdurchsuchungsbefehl enthält einerseits schon in seinem Spruch eine eindeutige Aussage darüber, zu welchem Zweck die strittige Durchsuchung angeordnet wurde und sie verweist andererseits in der Begründung des betreffenden Bescheides auf den Inhalt einer Anzeige und das Ergebnis von Erhebungen - im angefochtenen Bescheid wird ergänzend ausgeführt, daß es sich bei diesen um die Vernehmung von Auskunftspersonen handelte -, aus welchem sich ergibt, daß der Beschwerdeführer für verschiedene Personen Buchhaltungs- und Steuerberatungsarbeiten leistete. Daß er die für diese Tätigkeit offenbar vereinnahmten Entgelte steuerlich deklariert hätte, geht aus den entsprechenden Abgabenerklärungen unbestrittenermaßen nicht hervor. Auf Grund dieser Tatsache durfte die Finanzverwaltung unbedenklich davon ausgehen, es bestehe begründeter Verdacht, daß der Beschwerdeführer Abgabenhinterziehungen begangen habe und sich in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers, hinsichtlich welcher die Durchsuchung angeordnet wurde, die diesen Verdacht erhärtenden Beweismittel finden würden.

Zu Recht wurde demnach im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertreten, daß der bekämpfte Hausdurchsuchungsbefehl eine ausreichende Begründung enthalten habe.

Der belangten Behörde ist aber auch beizustimmen, wenn sie die Ansicht vertritt, daß im Zuge der Hausdurchsuchung zu Recht Beweismittel beschlagnahmt wurden, die durch "den Wortlaut des Hausdurchungsbefehles" deshalb nicht gedeckt waren, weil sie nicht die Buchhaltungstätigkeit des Beschwerdeführers, sondern seine Tätigkeit als Gastwirt im Zusammenhang mit der Beschäftigung von nicht gemeldetem Personal betraf; ließen die Beweismittel doch deshalb auf die Begehung eines Finanzvergehens schließen, weil nach den unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid die lohnabhängigen Abgaben für die in Rede stehenden Bediensteten des Beschwerdeführers nicht entrichtet wurden.

Es ist aber auch davon auszugehen, daß die in Rede stehende Beschlagnahme durch das Vorliegen von Gefahr im Verzug gerechtfertigt war. Eine solche liegt nämlich dann vor (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, S. 299 ff), wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgendeinem Grund gefährdet erscheint. Schon die geringste Gefahr reicht zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag aus, weil der Sicherungszweck dominiert. Dieser Zweck kann z. B. durch ein auf Vereitlung oder Erschwerung der Beweissicherung gerichtetes Verhalten irgendeiner Person gefährdet sein. Daß eine solche Gefährdung bei der gegebenen Sachlage - Beschäftigung von nicht gemeldetem Personal, für welches die lohnabhängigen Abgaben bisher nicht abgeführt wurden - wohl angenommen werden durfte, erscheint nach den Erfahrungen des täglichen Lebens so offenkundig, daß es eines weiteren Beweises nicht bedarf.

Da demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erscheint, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130161.X00

Im RIS seit

23.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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