Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §29;Betreff
N gegen Landeshauptmann von Vorarlberg vom 6. Oktober 1989, Zl. VIb-215/74-1988, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem als Ersatzbescheid für den mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1989, Zl. 89/04/0030, aufgehobenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. Dezember 1988, ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 6. Oktober 1989 wurde der Beschwerdeführer (neuerlich) schuldig erkannt, am 15,. und 16. Juli 1987 in der A-Straße in X am Eckhaus "B" Betonsanierungen an Balkonbrüstungen durchgeführt und dadurch das Baumeistergewerbe ausgeübt zu haben, obwohl er die hiefür erforderliche Konzession nicht besessen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn nach dieser Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe 240 Stunden) verhängt wurde. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges im wesentlichen aus, es stehe fest, daß der Berufungswerber einen Gewerbeschein für das Gewerbe "Maler (Zimmermaler und Anstreicher)" mit dem Standort Y, Jägerstraße 1a, besitze. Das Gewerbe sei am 8. Juli 1972 vom Beschwerdeführer rechtswirksam angemeldet und der entsprechende Gewerbeschein von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 11. August 1972 ausgestellt worden. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat werde von ihm dem Grunde nach nicht bestritten und daher als erwiesen angenommen. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers sei die Berufungsbehörde jedoch ebenso wie die Innung der Baugewerbe in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg sowie die Strafbehörde erster Instanz der Auffassung, daß die den Gegenstand dieses Strafverfahrens bildenden Arbeiten nicht in den Berechtigungsumfang des Malerhandwerkes fielen. Für die Durchführung dieser Arbeiten bedürfe es nach Ansicht der Berufungsbehörde zweifelsohne einer Konzession für das Baumeistergewerbe. Wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst ausgeführt habe, seien von ihm Armierungseisen von Balkonbrüstungen, welche sich wenige Zentimeter unter dem Verputz befunden hätten, freigelegt, von Korosionen befreit und anschließend wieder zugespachtelt worden. Dazu habe die Innung der Baugewerbe in der Handelskammer Vorarlberg bereits im Zuge des Strafverfahrens festgestellt, es könne kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Tätigkeiten nicht Gegenstand des Malerhandwerkes seien. Vielmehr sei hiefür eine Konzession für das Baumeistergewerbe erforderlich, da es sich bei Armierungseisen sowohl für die Betonfestigkeit als auch in statischer Hinsicht um einen wichtigen Baustoff handle, dessen unfachmännische Freilegung unabsehbare Gefahren mit sich bringen könne. Dieser Auffassung schließe sich die Berufungsbehörde an, zumal auch in einer Reihe von Entscheidungen über den Umfang der Gewerberechte eine Abgrenzung des Berechtigungsumfanges der Maler zu dem der Baumeister, der Maurermeister oder der Verputzer in der aufgezeigten Richtung gezogen worden sei. So werde in einer dieser Entscheidungen festgehalten, das Bemalen von Mauerflächen einschließlich der Hausfassaden sei ein ausschließliches Recht der "Zimmermaler"; Fassaden und Mauerflächen aber, deren Verputz schadhaft sei, dürften vom Zimmermaler nur gefärbelt werden, wenn sie vorher vom Bau- oder Maurermeister instandgesetzt worden seien. Im vorliegenden Falle handle es sich um die Instandsetzung von Balkonbrüstungen aus Eisenbeton als Vorarbeiten zu den eigentlichen Malerarbeiten. In einer weiteren Entscheidung werde ausgeführt, die Berechtigung des Zimmermalers zur Färbelung von Fassaden und Mauerflächen sei an die Bedingung geknüpft, daß sich dieser auf die Verspachtelung von kleinen Rissen und Löchern in den Wänden beschränke, während die übrigen, den Malerarbeiten vorangehenden Verputzarbeiten nicht dem Maler zustünden. Auch hieraus könne nach Ansicht der Berufungsbehörde entnommen werden, daß die Freilegung von Armierungseisen, dessen Behandlung auf Korosionen sowie die anschließende Verschließung des Eisens nicht als "Verspachtelung von kleinen Rissen und Löchern in den Wänden" angesehen werden könne. Die Berufungsbehörde gehe daher auf Grund der Stellungnahme der Innung der Baugewerbe in der Handelskammer Vorarlberg sowie auf Grund der zitierten Entscheidungen über den Umfang der Gewerberechte davon aus, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegten Tätigkeiten in den Berechtigungsumfang des Baumeistergewerbes fielen und daher nicht im Rahmen der dem Beschwerdeführer zustehenden Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Maler (Zimmermaler und Anstreicher)" ausgeübt werden dürften. Bei dieser Sach- und Rechtslage würden die beantragte Zeugeneinvernahme und die Einholung eines Sachbefundes als entbehrlich erachtet. Es folgen sodann Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, entgegen der Bestimmung des § 366 GewO 1973 nicht bestraft zu werden. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, das Freilegen des vom Rost befallenen Eisens habe lediglich drei Stellen des oberen Teiles der Balkonbrüstung betroffen. Es handle sich dabei um keine tragenden Teile. Zudem sei das Eisen an der Oberfläche der Balkonbrüstung gelegen. Bei der gegenständlichen Tätigkeit handle es sich um eine derartig geringfügige, daß sich der Beschwerdeführer bei Ausführung dieser Tätigkeit an seine Gewerbeberechtigung gehalten habe, wonach es ihm erlaubt sei, kleinere Stellen freizulegen und diese auch wieder zu verspachteln. Die von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen träfen auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht zu. Der Verputz der Betonbrüstung sei nicht schadhaft gewesen, sondern es seien Rostablagerungen an der Oberfläche der Balkonbrüstung sichtbar gewesen. Es wäre geradezu absurd, wenn der Beschwerdeführer zuerst einen Baumeister hätte beauftragen müssen, die geringfügigen Maßnahmen zur Freilegung des Eisens vorzunehmen, dann selbst wiederum das Eisen von Korosion zu befreien und mit Rostschutzfarbe zu bemalen und wiederum dem Baumeister aufzutragen, die geringfügige Verspachtelung vorzunehmen. Die belangte Behörde sei ferner auf die Argumentation des Beschwerdeführers nicht eingegangen und habe einzig und allein die unzutreffenden Behauptungen der Innung der Baugewerbe ihrer Entscheidung zugrundegelegt. Dabei habe die belangte Behörde völlig außer acht gelassen, daß es ja gerade im Interesse dieser Innung sei, eine Verurteilung des Beschwerdeführers herbeizuführen. In seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis habe der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Ausführungen die Vernehmung eines Mitarbeiters angeboten. Weiters habe er die Einholung eines Sachbefundes zum Umfang seiner Tätigkeit und zum Beweis dafür, daß diese Tätigkeit derartig geringfügig sei und keine Verletzung der Gewerbeberechtigung darstelle, beantragt. Die belangte Behörde habe diese Beweismittel übergangen.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist, wer ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z. 2) ohne die erforderliche Konzession ausübt.
Nach § 29 GewO 1973 ist für den Umfang einer Gewerbeberechtigung der Wortlaut des Gewerbescheines (§ 340) - sofern dieser noch nicht ausgestellt worden ist, der Gewerbeanmeldung (§ 339) - oder des Bescheides, mit dem die Konzession erteilt worden ist (§ 343), im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen.
Gemäß § 349 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sind zur Entscheidung über den Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung schiedsgerichtliche Ausschüsse bei den Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft berufen. Zufolge Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist der Antrag auf schiedsgerichtliche Entscheidung von Amts wegen zu stellen, wenn die betreffende Frage eine Vorfrage in einem Verwaltungsverfahren ist und nicht ohne Bedachtnahme auf die im § 29 zweiter Satz enthaltenen Gesichtspunkte beurteilt werden kann, es sei denn, daß die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages gemäß Abs. 6 vorliegen.
Nach dem Abs. 6 der zitierten Gesetzesstelle kann der Ausschuß den Antrag zurückweisen, wenn nach seiner Ansicht ein ernst zu nehmender Zweifel über die zur Entscheidung gestellte Frage nicht besteht oder wenn über die Frage in den letzten fünf Jahren vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in letzter Instanz oder vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG) entschieden worden ist.
Aus dem Wortlaut der dem Beschwerdeführer zustehenden Gewerbeberechtigung "Maler (Zimmermaler und Anstreicher)" ergibt sich auch im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften im Verhältnis zum vorliegenden Beschwerdefall nicht eindeutig der Umfang der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers. Es sind daher zur Beurteilung des Umfanges dieser Gewerbeberechtigung die in § 29 zweiter Satz leg. cit. enthaltenen Auslegungskriterien heranzuziehen. In einem solchen Zweifelsfall hat aber die Behörde nach der zwingenden Anordnung des § 349 Abs. 5 leg. cit. zur Lösung dieser Vorfrage den zuständigen schiedsgerichtlichen Ausschuß bei der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzurufen, da weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens entnommen werden kann, daß über die im Beschwerdefall entscheidungserhebliche Umfangsfrage in den letzten fünf Jahren vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Entscheidung nach § 349 Abs. 6 GewO 1973 getroffen worden wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989040260.X00Im RIS seit
29.05.1990