Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Landeshauptmann von Vorarlberg vom 2. Juni 1989, Zl. Ib-277-38/88, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. Juni 1989 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm vor Ablauf eines Jahres ab Zustellung des Bescheides keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gelangte die belangte Behörde nach Darstellung der Ermittlungsergebnisse zu dem Schluß, daß beim Beschwerdeführer die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Die vom Beschwerdeführer beantragte Beobachtungsfahrt sei nicht durchgeführt worden, weil die bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vorhandenen technischen Geräte besser geeignet seien, die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen zu überprüfen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Befunde könnten das amtsärztliche Gutachten nicht widerlegen, weil in ihnen auf die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen nicht eingegangen werde.
Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, daß es sich bei dem Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle nicht um ein Gutachten im Sinne des AVG 1950 handelt, sondern daß ein derartiger Befund im Sinne des § 67 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 im Rahmen des zu erstattenden ärztlichen Gutachtens zu verwerten ist. Wird ein derartiger Befund durch die Übernahme in das amtsärztliche Gutachten zu dessen Bestandteil, dann muß er insoweit auch denselben Anforderungen entsprechen, die sonst an ein Sachverständigengutachten nach dem AVG 1950 zu stellen sind. Er muß also insbesondere einen Befund, das sind die vom Sachverständigen getroffenen Tatsachenfeststellungen, und ein Gutachten im engeren Sinn, das sind die vom Sachverständigen auf Grund seiner besonderen Sachkenntnisse und Erfahrungen aus dem Befund gezogenen Schlußfolgerungen, enthalten (vgl. dazu u. a. das Erkenntnis vom 24. September 1984, Zl. 83/11/0186). Der Beschwerdeführer vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die Befunde der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (Vorarlberg) vom 7. Februar und 10. Mai 1989 entsprächen nicht den genannten Anforderungen, weil die dort enthaltenen Beurteilungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen bereits Schlußfolgerungen darstellten, die der "Verfasser" aus den Ergebnissen der durchgeführten Tests gewonnen habe. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welchem Wege der "Verfasser" und mit ihm der ärztliche Sachverständige zu diesen Schlußfolgerungen gelangt seien.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß in den zitierten Befunden der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle jeweils beschrieben wird, welche Tests durchgeführt wurden, welche Ergebnisse der Beschwerdeführer erzielt hat und welche Schlußfolgerungen sich daraus für die einzelnen kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen ergeben. Die Schlüssigkeitsprüfung der Befunde und damit auch des darauf aufbauenden ärztlichen Sachverständigengutachtens ist somit möglich. Der vorliegende Sachverhalt ist völlig anders gelagert als jener, der dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 22. Dezember 1982, Slg. Nr. 10.939/A, (= ZVR 1983/272) zugrundegelegen ist. In jenem Fall ging nämlich aus dem Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle nicht hervor, welche Tests tatsächlich durchgeführt wurden, welche Werte diese Tests ergaben und welche Schlußfolgerungen aus welchen Tests im einzelnen gezogen wurden.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das ärztliche Sachverständigengutachten sei deshalb mangelhaft und unbrauchbar, weil es die Schlußfolgerungen des Verfassers der verkehrspsychologischen Befunde "unsubstantiiert" übernommen habe, vermag er damit keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der amtsärztliche Sachverständige der belangten Behörde hat nämlich dadurch, daß er in der Begründung seines Gutachtens vom 14. Dezember 1988 auf den im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle und im Ergänzungsgutachten vom 20. Februar 1989 auf das Ergebnis des verkehrspsychologischen Befundes vom 7. Februar 1989 Bezug genommen hat, klar zu erkennen gegeben, daß er vom ärztlichen Standpunkt aus keine Bedenken gegen die von der Untersuchungsstelle gezogenen Schlußfolgerungen hegt und er sich daher die darin vertretene Ansicht zu eigen macht (vgl. das Erkenntnis vom 16. Mai 1989, Zl. 89/11/0051). In der Tatsache, daß die belangte Behörde den verkehrspsychologischen Befund vom 10. Mai 1989 dem ärztlichen Sachverständigen nicht zur Kenntnis gebracht hat, liegt kein relevanter Verfahrensmangel, weil die Testwerte in diesem Befund im Vergleich zu den Vorbefunden keine Verbesserung aufwiesen; im Bereich der Reaktionszeit ergab sich gegenüber dem Befund vom 7. Februar 1989 sogar eine gravierende Verschlechterung.
Der Beschwerdeführer erblickt im Unterbleiben der von ihm am 18. Mai 1989 beantragten Beobachtungsfahrt einen wesentlichen Verfahrensmangel. Diesbezüglich ist ihm entgegenzuhalten, daß eine Verpflichtung zur Anordnung einer derartigen Beobachtungsfahrt gemäß § 67 Abs. 2 KFG 1967, der gemäß § 75 Abs. 2 leg. cit. auch im Entziehungsverfahren anzuwenden ist, nur dann besteht, wenn das ärztliche Gutachten eine Beobachtung des Besitzers einer Lenkerberechtigung beim Handhaben von Betätigungsvorrichtungen des Kraftfahrzeuges erfordert. Ferner ist eine Beobachtungsfahrt gemäß § 35 Abs. 7 KDV 1967 anzuordnen, wenn die Kompensierbarkeit des mangelnden oder fehlenden Hörvermögens beurteilt werden soll, sowie nach § 35 Abs. 3 KDV 1967, wenn die Kompensierbarkeit des Verlustes eines Auges geprüft wird. Daß das Ergebnis einer Beobachtungsfahrt im gegebenen Zusammenhang auch sonst als Beweismittel im Sinne des § 46 AVG 1950 dienen kann, bedeutet nicht, daß die belangte Behörde dem darauf gerichteten Beweisantrag hätte stattgeben müssen, zumal der Beschwerdeführer nicht hinreichend dargetan hat, daß das schlüssige Gutachten dadurch hätte entkräftet werden können (vgl. auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 16. Mai 1989).
Soweit der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid auch deshalb für rechtswidrig hält, weil die belangte Behörde im Hinblick auf seine langjährige Fahrpraxis vom Ausgleich des allenfalls bestehenden Mangels hätte ausgehen müssen, genügt gemäß § 43 Abs. 2 VwGG der Hinweis, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ein Ausgleich durch erlangte Geübtheit nicht in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis vom 3. Februar 1989, Zl. 88/11/0035, sowie das oben zitierte Erkenntnis vom 16. Mai 1989).
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Gutachten Auswertung fremder BefundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110194.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
18.06.2009