TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/29 89/05/0241

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

1) Emma N und 2) Herbert N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 24. Oktober 1989, Zl. R/1-V-8948, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Gerhard R, 2) Marktgemeinde X).

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 27. September 1988 ersuchte der Erstmitbeteiligte beim Gemeindeamt X um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Zubaues auf dem Grundstück 629/4, KG X. Nach dem angeschlossenen Bauplan soll der hölzerne, 9,50 m lange und 8 m breite Zubau unmittelbar an das bestehende Hauptgebäude des Betriebes angebaut werden.

Zu der für 12. Oktober 1988 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerdeführer als Nachbarn unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen. Bei der Bauverhandlung wurde zunächst festgestellt, daß das zu bebauende Grundstück nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet ist. Nach dem Bebauungsplan ist die offene Bauweise, Bauklasse I oder II sowie eine Bebauungsdichte von 50 Prozent vorgesehen, außerdem eine vordere und hintere Baufluchtlinie. Nach kurzer Beschreibung des Projektes wurde festgehalten, daß entgegen der Plandarstellung die rückwärtige Gebäudewand massiv ausgeführt werde. Der Vertreter der Beschwerdeführer brachte vor, daß durch die weitere Verbauung der Freifläche Schwierigkeiten bei der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführer in der Weise zu befürchten seien, daß es bei mehreren gleichzeitig anfahrenden Lkw nicht mehr möglich sei, auf der verbleibenden freien Fläche zu parken bzw. abzuladen. Jedenfalls werde durch die weitere Zunahme der Lagerflächen das gelagerte Holzvolumen einerseits vergrößert, andererseits die Löschmöglichkeit für die Feuerwehr durch die weitere Verbauung eingeschränkt. Schließlich würden im Winter noch Schwierigkeiten mit der Schneeräumung befürchtet, da die Zufahrtsstraße nur eine Breite von ca. 3 m aufweise und bei starken Schneefällen der Schnee nicht ausreichend entfernt werden könne. Vor dem allfälligen Baubeginn habe jedenfalls die gewerbebehördliche Genehmigung vorzuliegen. Zu diesem Vorbringen stellte der bautechnische Amtssachverständige fest, daß es auf Grund der freibleibenden Flächen auf dem Grundstück des Bauwerbers durchaus möglich sei, daß zumindest ein Lkw, ohne den Verkehr auf der Zufahrtsstraße zu behindern, be- und entladen werden könne. Bei der gewerbebehördlichen Bewilligung wäre detailliert auf dieses Argument einzugehen (Betriebsvorschrift). Es sei jedoch durch das Zurückrücken des Lagerraumes um 8 m hinter die bestehende Gebäudefront und durch das Verbleiben einer freien Grundstücksfläche zwischen dem bestehenden Lagergebäude und dem Lagergebäudezubau über die gesamte Grundstückstiefe offensichtlich ausreichend Verkehrsraum für Lkw frei. Dadurch scheine auch das Argument bezüglich des Feuerwehreinsatzes entkräftet. Die öffentliche Verkehrsfläche dürfe ohnehin nur entsprechend der Straßenverkehrsordnung benützt werden. Für die ausreichende Schneeräumung sei der Bauwerber auf seinem Grundstück verantwortlich, sie scheine jedoch möglich.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. November 1988 erklärte der zuständige Feuerwehrkommandant, daß gegen den geplanten Zubau kein Einwand bestehe, die Löschmöglichkeiten für die Feuerwehr würden durch die weitere Verbauung nicht eingeschränkt. Zu dieser Stellungnahme gaben die Beschwerdeführer keine Äußerung ab.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1989 erteilte der Bürgermeister die angestrebte Baubewilligung und wies die Einwendungen der Beschwerdeführer als unbegründet ab. In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer insbesondere vor, daß durch den Zubau die Löschmöglichkeiten des gesamten Betriebsanwesens erheblich eingeschränkt würden, wodurch eine Gefährdung ihres Lebens und Eigentums möglich sei. Durch die im Zubau geplante Aufstellung einer Plattenschneidemaschine sei mit einer erhöhten Lärmbelästigung zu rechnen, wozu noch eine Geruchsbelästigung komme, wenn allenfalls in dem Zubau Lackierungsarbeiten ausgeführt werden sollten. Ein störungsfreies Passieren der durch das Betriebsanwesen führenden Straße sei nicht mehr gewährleistet. Diese Bedenken hätten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Brandwesens und aus dem Straßenverkehrswesen führen müssen. Im einzelnen wurden die vorgebrachten Befürchtungen näher begründet.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1989 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung verwies die Gemeindebehörde zweiter Instanz zunächst darauf, daß nach den Planunterlagen eindeutig nur ein Lagerraum baubehördlich bewilligt worden sei, nicht jedoch die Aufstellung einer Plattenschneidemaschine oder die Ausführung von Lackierungsarbeiten. Sollte der Bauwerber dies anstreben, so sei eine weitere Baubewilligung erforderlich. Auf die Berufungsausführungen betreffend Lärm- und Geruchsbelästigung sei daher nicht näher einzugehen gewesen. Bei der Bauverhandlung selbst hätten die Beschwerdeführer schließlich die Einholung eines Gutachtens aus dem Gebiet des Brandwesens und des Straßenverkehrswesens nicht gefordert, sondern lediglich die Löschmöglichkeit durch die weitere Verbauung angezweifelt und Schwierigkeiten bei der Zufahrt zur ihrem Grundstück befürchtet. Die Baubehörde erster Instanz habe daher eine Stellungnahme der örtlich zuständigen Feuerwehr eingeholt, wonach die Löschmöglichkeiten für die Feuerwehr durch die weitere Verbauung nicht eingeschränkt würden. Diese Stellungnahme sei den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht worden und sie hätten hiezu keine Äußerung erstattet. Nach Ausführungen über die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG 1950 wies die Berufungsbehörde bezüglich der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführer auf die Straßenverkehrsordnung 1960 hin, wonach die Zufahrt jederzeit freizubleiben habe. Die Baubehörde könne daher mit dem Gutachten des Bausachverständigen das Auslangen finden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die NÖ Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im Hinblick auf die eindeutige Stellungnahme der örtlich zuständigen Feuerwehr, wonach durch den geplanten Zubau keine erhöhte Brandgefahr entstehe, sich eine neuerliche Befassung des bautechnischen Amtssachverständigen mit dieser Frage erübrigt habe. Die Baubehörden hätten somit durch die Nichtbeiziehung eines Amtssachverständigen aus dem Gebiet des Brandwesens die Beschwerdeführer nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Zu dem Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach durch das Bauvorhaben eine schwere Beeinträchtigung der Zufahrt zu ihrem Anwesen zu befürchten sei, stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde fest, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Anrainer keinen Rechtsanspruch darauf besitze, daß sich durch das Bauvorhaben die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht verschlechtern. Die Baubehörden hätten in diesem Zusammenhang zu Recht auf die jedermann treffende Pflicht zur Einhaltung der Straßenverkehrsordnung 1960 hingewiesen. Die Aufstellung einer Plattenschneidemaschine bzw. die Durchführung von Lackierungsarbeiten im Lagerzubau seien schließlich nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens, wie sich aus den Projektsunterlagen eindeutig ergebe. Einer allenfalls konsenswidrigen Benützung des Zubaues hätte die Behörde durch geeignete Maßnahmen (Verwaltungsstrafverfahren) entgegenzuwirken.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gegenstand des auf Verwaltungsebene durchgeführten Baubewilligungsverfahrens war der in der Sachverhaltsdarstellung näher beschriebene Zubau eines Lagergebäudes auf dem Grundstück des Erstmitbeteiligten. Zu der in erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die beschwerdeführenden Nachbarn unter Hinweis auf die Rechtsfolgen der Präklusion nach § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen, sodaß Gegenstand der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur jene Einwendungen sein können, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 84/05/0043, BauSlg. Nr. 1021). Wenn die Beschwerdeführer daher erstmals in der Beschwerde vorbringen, durch das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten würde die höchstzulässige Bebauungsdichte überschritten, so erweist sich eine derartige Einwendung als präkludiert. Dasselbe gilt für das Vorbringen in der Beschwerde, wonach die vom Betrieb des Erstmitbeteiligten ausgehenden Lärm- und Geruchsbelästigungen über das in einem Betriebsgebiet zulässige Ausmaß hinausgehen. Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweisen, der Erstmitbeteiligte beabsichtige, in dem Lagerzubau eine Maschine aufzustellen, hat die belangte Behörde schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend festgestellt, daß die Aufstellung einer solchen Maschine nicht Gegenstand des bewilligten Bauvorhabens ist, weil der Zubau ausschließlich Lagerzwecken dienen soll. Eine Änderung des Verwendungszweckes der Baulichkeit bedürfte aber einer neuerlichen Baubewilligung nach § 92 Abs. 1 Z. 5 der NÖ Bauordnung 1976. Mit dem diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde kann daher eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht dargetan werden.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblicken die Beschwerdeführer darin, daß auf Grund ihres Vorbringens weder das Gutachten eines Verkehrssachverständigen noch das Gutachten eines Amtssachverständigen für Fragen der Brandgefahr und der Löschmöglichkeiten beigezogen worden ist. Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, durch die Errichtung des Lagergebäudes werde die freie Fläche verringert und dadurch die Zufahrtsmöglichkeit verschlechtert, hat schon der bautechnische Amtssachverständige in der Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz zutreffend festgestellt, daß durch das Zurückrücken des Lagerraumes um 8 m hinter die bestehende Gebäudefront die verbleibende freie Grundstücksfläche offensichtlich ausreichend Verkehrsraum für Lkw frei läßt. Bei dieser, mit dem Bauplan übereinstimmenden Feststellung vermag der Verwaltungsgerichtshof keinen Verfahrensmangel darin zu erblicken, daß die Einholung des Gutachtens eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen unterblieben ist, ergab sich doch hiefür keine Notwendigkeit. Es konnte sohin unerörtert bleiben, ob den Beschwerdeführern in dieser Beziehung überhaupt ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zusteht.

Zu der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage einer allenfalls verringerten Löschmöglichkeit hat schon der bautechnische Amtssachverständige bei der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz die Auffassung vertreten, daß die verbleibenden Freiräume auf dem Bauplatz des Erstmitbeteiligten einen ordnungsgemäßen Feuerwehreinsatz gewährleisten. Wie in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, hat auch der ergänzend befragte Vertreter der örtlich zuständigen Feuerwehr diese Ansicht vertreten. Da hinsichtlich der Zufahrtsmöglichkeit auf der öffentlichen Verkehrsfläche eine Veränderung nicht eingetreten ist und der Zubau im Bereich der rückwärtigen Grundgrenze zu liegen kommt, kann der Baubehörde nicht zu Recht vorgeworfen werden, das Verfahren sei deshalb mangelhaft geblieben, weil ein brandtechnischer Amtssachverständiger dem Verfahren nicht beigezogen worden ist. Zutreffend hatten die Baubehörden weiters davon auszugehen, daß schon auf Grund der Straßenverkehrsordnung 1960 eine rechtswidrige Benützung der öffentlichen Verkehrsfläche nicht anzunehmen ist. Damit verkennt der Verwaltungsgerichtshof keinesfalls, daß ein derartiges rechtswidriges Verhalten schon in der Vergangenheit wiederholt gesetzt worden ist, wie die Beschwerdeführer insbesondere durch die Vorlage von Fotos im Zuge des Vorstellungsverfahrens bewiesen haben. In diesem Zusammenhang wird es allerdings Aufgabe der zuständigen Behörden sein, die Einhaltung der Rechtsordnung zu gewährleisten. Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich auch in dieser Beziehung das Beschwerdevorbringen als nicht begründet, wobei zu bemerken ist, daß die Beschwerdeführer gar nicht behauptet haben, eine konkrete Bestimmung der NÖ Bauordnung 1976 über den Brandschutz sei nicht eingehalten.

Wenn die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde darauf hinweisen, daß bei der Bauverhandlung einige Mißstände auf der Liegenschaft des Erstmitbeteiligten festgestellt worden seien, so hat die belangte Behörde hiezu in ihrer Gegenschrift zutreffend bemerkt, daß ein Zusammenhang mit dem durchgeführten Verfahren nicht gegeben ist. Das gleiche gilt hinsichtlich der Ausführungen der Beschwerdeführer, wonach bezüglich eines anderen Grundstückes des Erstmitbeteiligten ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt worden sei, dem sie zu Unrecht nicht beigezogen worden seien. Hier wird die Baubehörde auf die Herbeiführung des gesetzmäßigen Zustandes zu dringen haben, eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid kann jedoch damit nicht dargetan werden.

Da sich sohin die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050241.X00

Im RIS seit

29.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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