Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1990, 428;Betreff
A, B, C, D, E und F gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 5. Dezember 1988, Zl. 11/20/2-BK/D-1988, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 bis 1985
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern zu Handen des erstangeführten Beschwerdeführers Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem Namen "XY" zu einer Musikgruppe zusammengeschlossen. Das Finanzamt beurteilte die von der Musikgruppe in den Streitjahren erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die entsprechenden Abgabenbescheide betreffend Einkunftsfeststellung gemäß § 188 BAO und Gewerbesteuer Berufung und behaupteten im Rechtsmittelverfahren, im Rahmen der Musikgruppe eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 entfaltet zu haben. Sie trugen vor, zwar keine künstlerische Hochschulausbildung genossen, aber bereits einen künstlerischen Ruf erworben und bei künstlerischen Wettbewerben Preise erzielt zu haben. Bei einem internationalen "Grand Prix der Volksmusik" hätten sie unter 15 Konkurrenten den 2. Platz errungen. Vier der sechs Mitglieder der Musikgruppe wären als Komponisten und Textverfasser von Musikstücken tätig. Bei den Veranstaltungen trage die Musikgruppe zu rund 80 % eigene Kompositionen vor, sie habe auch Musikkassetten und Schallplatten produziert (darunter eine "goldene Schallplatte"). Die Einnahmen aus Schallplatten machten etwa 20 % aus, der Rest sei großteils bei Volksfestveranstaltungen (in Bierzelten, bei Weinmessen u.dgl.) eingespielt worden. Es werde zur Musik aber nicht getanzt, sondern nur zugehört. Die eigenen Kompositionen würden von den Beschwerdeführern auch instrumentiert und getextet, andere Musikwerke würden für eine andere Instrumentalbesetzung umgearbeitet. Geeignete Musikstücke stellten die Beschwerdeführer bei den Vorführungen szenisch dar. Die Beschwerdeführer seien im Rundfunk (Fernsehen) - auch im Ausland - aufgetreten und hätten Konzerttourneen in die Schweiz und nach Deutschland veranstaltet, wo sie (in der Bundesrepublik Deutschland) als Künstler besteuert worden wären. Die Beschwerdeführer verwendeten bei ihren Konzerten nicht nur Volksmusikinstrumente, sondern auch andere Instrumente (z.B. Hammondorgel, Schlagzeug, Trompete, Klarinette, Saxophon usw.). Jedes Gruppenmitglied beherrsche mehrere Instrumente. Die bisherige Unterscheidung in Unterhaltungsmusik und Kunstmusik lasse sich nicht mehr aufrechterhalten. Auch Volksmusik könne Kunst sein.
Zum Beweis für ihre künstlerische Tätigkeit legten die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung der Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) vor, daß die Musikgruppe vorwiegend eigene Kompositionen spiele und die szenisch gestalteten Konzerte als künstlerische Tätigkeit zu werten seien.
Der Österreichische Rundfunk, Landesstudio Oberösterreich, bescheinigte Auftritte der Musikgruppe im Rundfunk, bei denen in erster Linie eigene Kompositionen gespielt worden seien. Andere Musikstücke wären für die Auftritte vielfach anders instrumentiert worden als das Original.
Professor Mag. Gattermeyer von der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien bezeichnete die Tätigkeit der "XY" als überwiegend (zu mehr als 80 %) künstlerisch. Inhaltlich seien die Auftritte in den Rundfunksendungen zu 100 %, bei Konzertabenden zu mehr als 80 % als rein künstlerische Tätigkeit zu bezeichnen. Die Eigenständigkeit der Auftritte zeige sich im professionellen Niveau der Darbietung der mit fünf Musikern und einer Sängerin besetzten Musikkapelle, deren Mitglieder insgesamt 12 Instrumente spielten und beherrschten. Weiters dokumentiere sich die Qualität der Kapelle auch in der Produktion der vorliegenden 15 Schallplatten mit eigenen Kompositionen, Texten und Arrangements. Zur Qualität der verschiedenen Aktivitäten sei festzustellen, daß die Präsentation der Musik durchwegs originell sei und die Arrangements mit professionellem Sachverstand und künstlerischem Format erstellt würden. Besondere Qualität stelle die Kapelle bei Auftritten im Fernsehen sowie bei internationalen Musikveranstaltungen seit vielen Jahren unter Beweis. Die verschiedenen Placierungen bei internationalen Wettbewerben (2. Platz beim Grand Prix der Volksmusik 1987) bewiesen das hohe künstlerische Niveau der Gruppe, die ständig Einladungen zu internationalen Veranstaltungen erhalte, wie Fernsehauftritte beim SRG, ZDF, ARD und ORF. Die Kapelle präsentiere überdies bei Konzertauftritten eine "Mitternachtsshow", bei der mit Szenen-Regie multimediale künstlerische Elemente zum Tragen kämen. Innerhalb dieser Musikgattung gehörten die "XY" zu den österreichischen Spitzenensembles.
Professor Mag. Sulzer vom Oberstufenrealgymnasium für Studierende der Musik in Linz wertete die Tätigkeit der "XY" ebenfalls als künstlerisch. Er begründete dies damit, daß die fünf Mitglieder eine professionelle Ausbildung genossen hätten. Die Musiker komponierten bzw. arrangierten ihre Stücke selbst. Sie verfügten über ein umfassendes instrumentaltechnisches Können, das es jedem Mitglied erlaube, mehrere Instrumente zu handhaben. Die "XY" erarbeiteten auch ihre Texte selbst. Die Gruppe habe bislang 15 Schallplatten produziert. Man könne auf zahlreiche Einladungen seitens des ORF hinweisen.; dazu kämen Auftritte beim ZDF, ARD und SRG. Auch Professor Mag. Sulzer verwies auf das erfolgreiche Abschneiden der Musikgruppe beim Grand Prix der Volksmusik.
Aktenkundig sind weiters die Titel der von der Musikgruppe komponierten und/oder gespielten Stücke, die jedoch für sich über den Inhalt und künstlerischen Wert der Stücke keine Auskunft geben. Mehrere Titel lassen auf typische Volksmusik schließen.
Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge, da der Großteil der Einnahmen aus Volksfest- bzw. Ballveranstaltungen erzielt worden wäre, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Annahme einer künstlerischen musikalischen Tätigkeit entgegenstehe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß eine Vielzahl der "Werkstücke" Eigenkompositionen darstellten, die von vier der sechs Mitglieder der Musikgruppe instrumentiert bzw. getextet würden. Da es für die steuerliche Beurteilung keinen Unterschied mache, ob die Musikstücke direkt vor Publikum aufgeführt oder über Tonträger übermittelt würden, wären auch die Einnahmen aus den Schallplattenverkäufen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Das Gutachten des Professor Mag. Gattermeyer beantworte nicht die konkrete Frage, für welche Art der Tätigkeit die Beschwerdeführer in den Streitjahren ihre Einnahmen erzielten.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführer vertreten vor dem Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen ihren schon im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt und wiederholen, daß ihre Musikgruppe keine Tanzkapelle wäre.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:
I. Der Gerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung zu der Frage, ob bzw. wann Unterhaltungsmusik eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 bilden kann, in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/14/0090, zusammengefaßt. Danach hängt die Wertung einer musikalischen Tätigkeit als künstlerisch einerseits von der Befähigung der Ausübenden, andererseits von der Art dieser Tätigkeit ab. Kunstausübung verneinte der Gerichtshof nach der Art der Tätigkeit bei reiner Unterhaltungsmusik, wie sie bei Tanzveranstaltungen, Kirtagen, auf Ausstellungen, bei Weinmessen, beim Heurigen und ähnlichen Veranstaltungen normalerweise, gleichgültig von wem und mit welchen Instrumenten, vorgeführt wird: Die Musik wird in diesen Fällen nämlich grundsätzlich nicht um des Kunstgenusses, sondern um der Stimmung willen geboten und stellt daher keine künstlerische musikalische Betätigung dar. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung sprach der Verwaltungsgerichtshof - wie im Erkenntnis Zl. 86/14/0090 wiedergegeben - im Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0255, einer aus Absolventen von Musikhochschulen gebildeten Mitunternehmerschaft (Musikkapelle), die in einem Gaststättenbetrieb tätig wurde, eine künstlerische Betätigung im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ab. Die Musiker hätten dort lediglich die an solchen Orten übliche Unterhaltungsmusik geboten, die nicht so sehr der Vermittlung eines Kunstgenusses, sondern nur der Hebung der Stimmung der Lokalbesucher gedient hätte. Da die damalige Beschwerdeführerin (Mitunternehmerschaft) keine freiberufliche Tätigkeit hauptberuflich ausübte, kam nach Meinung des Gerichtshofes auch die Ausnahmebestimmung des § 22 Abs. 1 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 nicht zum Zug. Nicht ausdrücklich, aber schlüssig auf dem Erkenntnis Zl. 82/13/0255 aufbauend enthielt dann das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1983, Zlen. 82/14/0323, 0339 (und mittelbar auch das Erkenntnis vom selben Tag Zlen. 83/14/0018, 0041) den Rechtssatz, daß die Darbietung bloßer Unterhaltungsmusik durch selbständig Tätige in aller Regel gewerbliche Tätigkeit ist; sie ist entgegen dieser allgemeinen Regel als freiberufliche Tätigkeit nur zu werten, wenn
1. die Darbietung, wenn auch im Rahmen von Unterhaltungsveranstaltungen, durch einen in seinem Fach anerkannten Künstler, UND
2. tatsächlich als Kunstmusik um der Kunst willen und nicht - wie bei Tanzveranstaltungen, Kirtagen, auf Ausstellungen, bei Weinmessen, beim Heurigen oder ähnlichen Veranstaltungen - um der Stimmung willen geboten wird.
Aufbauend auf der in der eben skizzierten Weise wiedergegebenen Vorjudikatur gelangte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Zl. 86/14/0090 zum Ergebnis, daß Tanzmusik bei Tanzveranstaltungen, da um der Stimmung willen geboten, selbst dann keine künstlerische Tätigkeit wäre, wenn die Musiker anerkannte, hochschulmäßig ausgebildete Künstler wären.
Der Verwaltungsgerichtshof kann diese seine bisherige Rechtsprechung aus nachstehenden Überlegungen nicht mehr aufrechterhalten:
Der Gerichtshof hat seit seinem Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0255, - wie eben dargetan - darauf abgestellt, ob (Unterhaltungs-)Musik um des Kunstgenusses oder um der Stimmung willen geboten wird. Gegen eine solche Abgrenzung künstlerischer von einer nicht künstlerischen Tätigkeit sprechen jedoch folgende Gründe:
1. Mißt man die musikalische Tätigkeit daran, ob sie um des Kunstgenusses oder um der Stimmung willen geboten wird, so beurteilt man nicht die Musik als solche; es wird nicht aus der Qualität des musikalischen Vortrages, sondern aus dem Zweck der musikalischen Tätigkeit auf den künstlerischen Wert geschlossen. Wie problematisch eine solche Folgerung ist, macht folgendes Beispiel deutlich:
Würden die Wiener Philharmoniker den Donauwalzer im Rahmen eines Konzerts aufführen, wäre dies nach dem Gesagten eine künstlerische Tätigkeit. Sie wäre es nicht, wenn dasselbe Orchester den Donauwalzer in gleicher Qualität am Philharmonikerball spielte, um die Stimmung der Tänzer zu heben.
Folgerungen aus dem Zweck einer Tätigkeit auf ihr Ergebnis hat der Verwaltungsgerichtshof im übrigen auf dem Gebiet der bildenden Künste bisher abgelehnt: Eine künstlerische Schöpfung bleibt auch dann ein Kunstwerk, wenn es wirtschaftlichen bzw. Gebrauchszwecken dient (siehe
Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Seite 488 zweiter Absatz und die dort zitierte Rechtsprechung).
Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, daß der kunstvolle Vortrag eines Musikstückes auch dann den Charakter einer künstlerischen Tätigkeit nicht verliert, wenn er um der Stimmung willen geboten wird.
2. In seinem Erkenntnis vom 7. Juni 1983, Zl. 82/14/0323, 0339, schloß zwar der Verwaltungsgerichtshof nicht aus, daß auch Musikdarbietungen im Rahmen von Unterhaltungsveranstaltungen eine künstlerische Tätigkeit darstellen könnten. Die Beispiele, die der Gerichtshof in diesem Erkenntnis und auch schon im Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0255, dafür angeführt hatte, daß Musik um der Stimmung (und nicht der Kunst) willen geboten werde und daher keine Kunst wäre, stellen aber - im zuletzt zitierten Erkenntnis besonders deutlich - doch wieder auf die Art der Veranstaltung ab, in deren Rahmen die musikalische Tätigkeit entfaltet wird: Tanzveranstaltungen, Kirtage, Ausstellungen, Weinmessen, Heurigen "und ähnliche Veranstaltungen". Die Art der Veranstaltung, in deren Rahmen eine musikalische Tätigkeit entfaltet wird, darf jedoch seit dem Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes 1972 der Annahme freiberuflicher (künstlerischer) Tätigkeit nicht mehr abträglich sein. Normiert doch § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ausdrücklich, daß eine freiberufliche und damit eine künstlerische Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn ein Angehöriger eines freien Berufes in seinem Beruf im Rahmen von Veranstaltungen tätig wird, denen die für das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit erforderlichen Eigenschaften fehlen. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Einkommensteuergesetzes 1972, 474 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII. GP, trafen hiezu folgende Aussage:
Neu ist der zweite Satz im Abs. 1 Z. 1 (des § 22), der eingefügt werden soll, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe vor allem die Erkenntnisse vom 28. September 1965, Zl. 47/65, und vom 17. November 1967, Zl. 725/67) insbesondere einer Tätigkeit die künstlerische Eigenschaft abzusprechen ist, wenn sie im Rahmen von Veranstaltungen ausgeübt wird, die nicht als künstlerisch zu beurteilen sind (z.B. Modenschauen, Werbeveranstaltungen, Begräbnisse). Eine derartige Rechtsanwendung, welche das nach dem Gesetzeswortlaut für die Tätigkeit (Berufsausübung) geforderte künstlerische Moment auf die Veranstaltung überträgt, in deren Rahmen die Tätigkeit ausgeübt wird, erscheint jedoch unbefriedigend. Sie wirft zu den bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit an sich schon gegebenen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber anderen Einkunftsarten weitere Abgrenzungsprobleme auf, die nun der zweite Satz im Abs. 1 Z. 1 vermeiden soll.
Schlüsse aus der Art der Veranstaltung, in deren Rahmen eine musikalische Darbietung erfolgt, auf den (gegebenen oder fehlenden) künstlerischen Charakter der Darbietung erscheinen danach unzulässig.
3. a) Im Falle des Erkenntnisses vom 17. September 1986, Zl. 84/13/0213, hatte die belangte Behörde die vom Verwaltungsgerichtshof festgehaltene Auffassung vertreten, daß die Tätigkeit eines Friedhofsängers deswegen keine künstlerische Tätigkeit darstelle, weil Gesangsdarbietungen im Rahmen von Begräbnissen nicht um der Kunst, sondern UM DER STIMMUNG WILLEN geboten werden. Der Verwaltungsgerichtshof hielt dem jedoch die durch das Einkommensteuergesetz 1972 geschaffene neue Gesetzeslage und die Gesetzesmaterialien hiezu (siehe Punkt 2) entgegen; der Gesetzgeber wollte dementsprechend (so das Erkenntnis Zl. 84/13/0213) eine künstlerische Tätigkeit unabhängig vom Charakter der Veranstaltung, in deren Rahmen sie erbracht werde, als freiberufliche Tätigkeit gewertet wissen.
b) In seinem Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0255, brachte der Gerichtshof zum Ausdruck, ein freiberuflich tätiger, anerkannter Künstler, der in seinem Fach auch im Rahmen von Veranstaltungen tätig werde, denen die für das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit erforderlichen Eigenschaften fehlten, entfalte ebenfalls eine freiberufliche Tätigkeit, weil dann diese NEBENTÄTIGKEIT von der freiberuflichen HAUPTTÄTIGKEIT NACHGEZOGEN werde. Da im damaligen Beschwerdefall die Beschwerdeführerin keine freiberufliche Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt hatte, kam der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, daß die Ausnahmebestimmung des § 22 Abs. 1 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 (betreffend Unbeachtlichkeit der Veranstaltung, in deren Rahmen eine Tätigkeit entfaltet wird) nicht zum Zug komme.
Nach dem hg. Erkenntnis vom 18. März 1987, Zl. 86/13/0009, hatte die belangte Behörde in diesem Fall die Auffassung vertreten, daß es sich bei der Tätigkeit des damals in Rede stehenden Friedhofsängers um keine künstlerische Tätigkeit handelte, weil der Friedhofsänger seine Tätigkeit als solcher nicht neben einer freiberuflichen künstlerischen Haupttätigkeit ausübte. Dem hielt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Zl. 86/13/0009 (abermals) - wie der Gerichtshof nunmehr meint:
zu Recht - entgegen, daß der Gesetzgeber (schlechthin) eine künstlerische Tätigkeit unabhängig vom Charakter der Veranstaltung, in deren Rahmen sie erbracht wird, als freiberufliche Tätigkeit gewertet wissen wolle. Ebenso deutlich gab der Gerichtshof im Erkenntnis vom 14. September 1988, Zl. 86/13/0101, zu erkennen, daß auch ein ausschließlich als Friedhofsänger wirkender Steuerpflichtiger künstlerisch tätig sein könne.
II.1. Der Verwaltungsgerichtshof ist nunmehr aus den in Punkt I dargestellten Gründen der Auffassung, daß auch Musik, die um der Stimmung willen geboten wird, Kunst sein KANN. Die Frage, wann im einzelnen eine musikalische zur künstlerischen Tätigkeit wird, ist freilich nicht immer leicht zu beantworten, weil darüber, was Kunst ist, in den jeweiligen Gesellschaften und Epochen unterschiedliche - von den jeweiligen historischen Bedingungen abhängige - Maßstäbe gelten (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1984, Zl. 84/14/0083, Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19. August 1982, IV R 64/79, BStBl. 1983 II Seite 7). Auszugehen ist aber davon, daß nicht schon eine musikalische, sondern erst eine künstlerische Tätigkeit eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ist; den Weg, eine musikalische Tätigkeit gleich einer schriftstellerischen Tätigkeit unabhängig von ihrem künstlerischen Wert der selbständigen Arbeit zuzuordnen, hat der Gesetzgeber bisher nicht beschritten.
Nicht jede musikalische Tätigkeit muß eine künstlerische sein. Der "Werkelmann" (Leierkastenmann), der lediglich zugekaufte Tonträger (Walzen) abspielt ("herunterleiert"), wird zwar musikalisch, nicht aber künstlerisch tätig. Nur eine Tätigkeit, die einen bestimmten - durch das jeweilige Kunstverständnis vorgegebenen - QUALITÄTSSTANDARD nicht unterschreitet, ist als künstlerisch anzusehen (siehe nochmals die beiden zuletzt erwähnten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und Bundesfinanzhofes). Nimmt man den Qualitätsstandard zum Maß, so ist nach der QUALITÄT des musikalischen Vortrages und nicht nach der Art des Musikstückes (klassische oder moderne, ernste oder unterhaltende Musik einschließlich Volksmusik) zu bestimmen, ob eine künstlerische Tätigkeit vorliegt. Ob nun im einzelnen Fall eine musikalische Tätigkeit künstlerische Schaffenshöhe erreicht, wird im Zweifel erst ein Sachverständigenbeweis ergeben (siehe abermals das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofes sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1987, Zl. 84/13/0287).
Zur Volksmusik im besonderen sei noch angemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof diese Musik bzw. die auf "Volksmusikinstrumenten" gespielte Musik ursprünglich vom Begriff der "Kunstmusik" ausgeschlossen hatte (Erkenntnisse vom 7. April 1961, Zl. 616/60, Slg. 2409/F, und vom 23. September 1964, Zl. 1319/63). Von diesem Standpunkt rückte der Verwaltungsgerichtshof allerdings in weiterer Folge ab. Nach dem Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0255, kann auch beim Spielen von Volksmusikinstrumenten eine künstlerische Tätigkeit entfaltet werden, wenn ein Musiker kraft besonderer Begabung für ein solches Instrument in Konzerten ein breites, kunstverständiges Publikum und damit allgemeine Anerkennung als Künstler findet. Aus dem hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1983, Zl. 83/14/0018, 0041, wieder geht hervor, daß auch die Ausübung der Volksmusik eine künstlerische Tätigkeit sein kann, wenn sie um der Kunst und nicht bloß um der Stimmung willen geboten wird. Der Gerichtshof ist nunmehr der Auffassung, daß auch der Vortrag von Volksmusik Kunst ist, wenn dieser im Sinne der vorstehenden Ausführungen einen bestimmten Qualitätsstandard nicht unterschreitet (siehe auch Herrmann-Heuer-Raupach, Kommentar zum EStG und KStG19, Erg. Anm. 64 zu § 18 EStG, sowie Anm. 200 zu § 18 EStG, Stichwort "Musiker, Musikkapelle").
2. Der angefochtene Bescheid beruht auf der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß um der Stimmung willen gebotene Musik keine künstlerische Tätigkeit wäre. Diese Rechtsprechung ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dies bewirkt die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grund kann auch nicht deshalb unterbleiben, weil etwa nach der Aktenlage oder den Angaben der Beschwerdeführer schon aus anderen Gründen deren künstlerische Tätigkeit zu verneinen wäre.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, sie hätten selbst Musikstücke komponiert und Texte dazu verfaßt, ist zu bemerken, daß die Darlegungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht erkennen lassen, es hätte die Musikgruppe Einnahmen aus den Kompositionen (Texten) erzielt. Es kommt daher nur auf den künstlerischen Wert ihres Vortrages an.
Sollten allein aus den Kompositionen Einnahmen erzielt werden, dann bestimmte, wie der Verwaltungsgerichtshof unabhängig vom Beschwerdefall bemerkt, die Komposition selbst den künstlerischen Wert.
Erlöse aus dem Verkauf von Schallplatten und Musikkassetten führen jedenfalls dann zu Einkünften aus einer freiberuflichen (künstlerischen) Tätigkeit, wenn die Tonträger (wie im Beschwerdefall behauptet) eigene künstlerische Produktionen oder Reproduktionen der Musiker wiedergeben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1983, Zl. 83/14/0018, 0041).
III. Aus dem bereits angeführten Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof absehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989140022.X00Im RIS seit
29.05.1990Zuletzt aktualisiert am
24.10.2014