Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Juni 1989, Zl. 311.607/1-III/4/88, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß § 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 (mitbeteiligte Partei: A in Wien).
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Juni 1989 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über eine Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. August 1988, mit welchem der Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 3. September 1985, Z. MBA 4/5-Gew 39319/1/85, womit festgestellt wurde, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des (freien) Gewerbes "Aufstellung und Montage mobiler Trennwände und abgehängter Zwischendecken mittels einfacher Hantierungen" vorlägen, gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 i.Z. mit § 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 hinsichtlich der "Montage abgehängter Zwischendecken" als nichtig erklärt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahin, daß dieser Bescheid gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 behoben werde. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 sowie § 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 ausgeführt, im vorliegenden Fall habe die mitbeteiligte Partei mit 1. Juli 1985 die "Aufstellung und Montage mobiler Trennwände und abgehängter Zwischendecken mittels einfacher Hantierungen" als freies Gewerbe angemeldet. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 3. September 1985 sei gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1973 das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Gewerbes festgestellt worden. In einer Stellungnahme vom 25. Jänner 1988, die im Zuge eines anderen Anmeldungsverfahrens eingeholt worden sei, habe die Wiener Handelskammer die Ansicht vertreten, daß die Aufstellung und Montage mobiler Trennwände nur insoweit Gegenstand eines freien Gewerbes sein könne, als sich diese Tätigkeit auf die Aufstellung bzw. Montage mobiler Trennwände aus Fertigprofilen, welche lediglich verschraubt werden müßten, oder auf sogenannte Systemwände beschränke. Die Montage abgehängter Zwischendecken hingegen könne keinesfalls Gegenstand eines freien Gewerbes sein. Nur nach Konstruktion und Funktion des verwendeten Materials falle diese Tätigkeit in den Berechtigungsumfang des gebundenen Wärme-, Kälte- und Schallisolierergewerbes bzw. des Stukkateurgewerbes, bei in statischer Hinsicht belangreichen Konstruktionen in jenen des konzessionierten Baugewerbes. Denn es seien bei Ausführung dieser Tätigkeit spezielle Kenntnisse über Konstruktion und Festigkeit nicht nur bezüglich der Bauteile erforderlich, an denen die Aufhängung erfolge, sondern auch bezüglich des zu verarbeitenden Materials (einschließlich des Montagematerials). Dies setze "regelmäßig" die Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die Gegenstand des Befähigungsnachweises der angeführten Gewerbe seien. Damit sei klargestellt, daß sich die Montage abgehängter Zwischendecken nicht auf "einfache Montierungen" (gemeint offensichtlich: "einfache Hantierungen") beschränke, sondern erhebliches Fachwissen für die richtige Vornahme notwendig sei. Wenn man bedenke, daß abgehängte Zwischendecken auch Flächen von mehreren hunderten Quadratmetern (z.B. Großbüros, Kaufhäuser) aufweisen könnten, so erscheine es unumgänglich, deren Montage ausschließlich solchen Gewerben zuzuordnen, bei denen der Befähigungsnachweis die für den Schutz der Leistungsbezieher notwendige Ausbildung gewährleiste. Die Landesinnung der Bauhilfsgewerbe für Wien habe im Zuge des Nichtigerklärungsverfahrens (Stellungnahme vom 5. Juli 1988) darauf hingewiesen, daß sie in einer Reihe von Äußerungen während der vergangenen Jahre im Zuge von Gewerbeanmeldungen jeweils die Meinung vertreten habe, daß die Montage abgehängter Zwischendecken keinesfalls Gegenstand eines freien Gewerbes sein könne (wie dies in der oben erwähnten Stellungnahme der Wiener Handelskammer vom 25. Jänner 1988 dargetan worden sei). Dennoch sei während dieser Zeit eine größere Anzahl derartiger Gewerbeanmeldungen von den Gewerbebehörden positiv erledigt worden. Die Landesinnung spreche sich aber entschieden dagegen aus, auf Grund einer geänderten Meinung der Gewerbebehörde die teilweise seit mehreren Jahren bestehenden Gewerberechte "rückwirkend einzuschränken" (diese Ausführungen seien insofern unzutreffend, als nach ständiger Rechtsprechung die Nichtigerklärung nur bewirke, daß der Bescheid im Sinne einer "ex nunc-Wirkung" für die Zukunft nicht mehr bestehe). Mit dem im vorliegenden Verfahren in Berufung gezogenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. August 1988 sei sodann der vorangeführte Feststellungsbescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 3. September 1985 für nichtig erklärt worden, "soweit darin die Montage abgehängter Zwischendecken als freies Gewerbe qualifiziert wurde". Zur Begründung sei - gestützt auf den Inhalt der bereits wiedergegebenen Stellungnahme der Wiener Handelskammer vom 25. Jänner 1988 - dargetan worden, daß nach den in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen die "Montage abgehängter Zwischendecken" keinesfalls Gegenstand eines freien Gewerbes sein könne. Somit stehe fest, daß die Gewerbebehörde erster Instanz die Zugehörigkeit dieser gewerblichen Tätigkeit zur Gruppe der freien Gewerbe unrichtig beurteilt habe, zumal der vom Mitbeteiligten selbst getroffenen rechtlichen Beurteilung, nämlich dem Beisatz "mittels einfacher Hantierungen", keine Aussagekraft über den Gewerbeumfang zukomme; es müsse deshalb im Sinne einer Nichtigerklärung entschieden werden. In seiner Berufung mache der Mitbeteiligte insbesondere geltend, die in der teilweisen Nichtigerklärung gelegene Einschränkung seiner Berechtigung stelle eine "außerordentliche Unbill dar", da sie auf seine persönliche Situation keine Rücksicht nehme. Es sei verabsäumt worden, im gegenständlichen Verfahren zu überprüfen, ob die Montage abgehängter Zwischendecken über einfache Hantierungen hinausgehe und dadurch nicht Gegenstand eines freien Gewerbes sein könne. Auch sei der rechtspolitische Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, wonach die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen habe, im gegenständlichen Fall nicht berücksichtigt worden. Das angemeldete Gewerbe sei nach § 31 GewO 1973 zu beurteilen, wonach einfache Teiltätigkeiten von Handwerken oder gebundenen Gewerben, deren ordnungsgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordere, den betreffenden Gewerben nicht vorbehalten seien. Hiezu sei festzuhalten, daß die dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien zugrundeliegende Stellungnahme der Wiener Handelskammer im Rechtssinn keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung darstellen könne, welche davon ausgehe, daß für die Montage abgehängter Zwischendecken in jedem Fall Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich seien, die nur im Rahmen eines an einen Befähigungsnachweis gebundenen Gewerbes erworben würden (abgesehen davon, daß derartige Kenntnisse dem Wortlaut der Stellungnahme zufolge "regelmäßig" als erforderlich erachtet würden und die Notwendigkeit dieser Kenntnisse insbesondere auch aus großflächigen Zwischendecken hergeleitet werde). Denn bei Beurteilung der Frage, ob bzw. inwieweit eine Montage abgehängter Zwischendecken auch mittels "einfacher Hantierungen" möglich sei und im Rahmen eines freien Gewerbes erfolgen könne, sei auf § 31 GewO 1973 Bedacht zu nehmen, wonach einfache Teiltätigkeiten von Handwerken oder gebundenen Gewerben, deren ordnungsgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordere, den betreffenden Gewerben nicht vorbehalten seien. Ob dies der Fall sei, könne nur unter Zuhilfenahme der im § 29 zweiter Satz GewO 1973 angeführten Gesichtspunkte geklärt werden, wovon auch der in Berufung gezogene Bescheid ausgegangen sei. Diese Frage könne deshalb nur in einem Umfangsverfahren gemäß § 349 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 gelöst werden. Es handle sich dabei um eine Vorfrage, deren Beurteilung nicht dem Nichtigerklärungsverfahren gemäß § 363 GewO 1973 überlassen bleibe (vgl. den ersten Satzteil des § 38 AVG 1950 i.V.m. § 349 Abs. 5 GewO 1973). Die Ansicht der Vorinstanz, daß es sich bei dem Zusatz "mittels einfacher Hantierungen" um eine (bloß) rechtliche Beurteilung handle, welcher (als solche) keine Aussagekraft über den Gewerbeumfang zukomme, werde allerdings nicht geteilt. Denn zum Unterschied von der sonst vielfach gebrauchten Ausschlußklausel ("unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit"), welcher keine Aussagekraft für den Gewerbeumfang beigemessen worden sei, handle es sich im vorliegenden Fall um eine Beschränkung der angemeldeten Tätigkeit ihrer Art nach (unter technologischem Gesichtspunkt). Bei Zugrundelegung der Beschränkung ergebe sich, daß die Montage abgehängter Zwischendecken von vornherein nur dann von der gegenständlichen Gewerbeberechtigung umfaßt sein könne, wenn diese mittels einfachster Hantierungen bewerkstelligt werden könne. Inwieweit dies der Fall sei bzw. ob im für den Gewerbeinhaber ungünstigsten Fall dieser Teil seiner Berechtigung völlig inhaltsleer sein sollte, könne jedoch nur im Rahmen des erwähnten Gewerbeumfangsverfahrens geklärt werden. Die Entscheidung auf Grundlage des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 sei in das freie Ermessen der Behörde gestellt. Der Begriff des (Verwaltungs-)Ermessens werde durch Art. 130 Abs. 2 B-VG indirekt definiert - Ermessen liege demnach vor, wenn die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absehe und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlasse. Unter Ermessenstatbeständen würden solche Regelungen verstanden, deren Sinn darin liege, daß der Verwaltung in der Hauptsache ihrer Entscheidung ein Freiraum für alternatives Verhalten bei ihrer eigenen Wertentscheidung eingeräumt werde. Daraus ergebe sich aber, daß die unrichtige rechtliche Beurteilung der Zugehörigkeit einer gewerblichen Tätigkeit zu einer Gruppe der Gewerbe (§ 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973) nicht zwingend zu einer Nichtigerklärung des Bescheides über die Gewerbeanmeldung führen müsse, sondern daß diese Maßnahmen ins Ermessen der Behörde gestellt werde. Bei Handhabung dieses Ermessens werde sowohl auf das öffentliche Interesse an der Beseitigung von mit gravierenden Mängeln behafteten Bescheiden (unter Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft) als auch auf die konkreten Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen sein. Ausgehend davon, daß die Montage abgehängter Zwischendecken, soweit diese nicht mittels einfacher Hantierungen erfolgen könne (womit wohl die nach Art der Konstruktion des verwendeten Materials die Kenntnisse befähigungsnachweisgebundener Gewerbe umfassenden Tätigkeiten ausgeschlossen sein würden), von der Gewerbeberechtigung der mitbeteiligten Partei von vornherein nicht umfaßt seien und die Einhaltung dieses Gewerbeumfanges im Wege eines Verwaltungsstrafverfahrens gewährleistet werden könne, liege nicht ein derart schwerwiegender Mangel vor, daß eine Gebrauchnahme von dem der Behörde eingeräumten Ermessen im Sinne einer Nichtigerklärung als gerechtfertigt erscheine. Unter Bedachtnahme auf die zuvor angeführten Gründe sowie auf das in § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 eingeräumte Ermessen sei der Bundesminister daher zum Schluß gelangt, daß im gegenständlichen Fall der Berufung im Ergebenis Folge zu geben und der vorinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückzuweisen, allenfalls sie aber als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin ficht den Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, in dem hier in Rede stehenden Verwaltungsverfahren sei ihr keine Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden. Dies ergebe sich aus den Begründungsausführungen des angefochtenen Bescheides, wonach sich der vorinstanzliche Bescheid offensichtlich lediglich auf eine Stellungnahme vom 25. Jänner 1988 stütze, "welche im Zuge eines anderen Anmeldungsverfahrens eingeholt wurde". Eine Zustellung dieses Bescheides an sie sei nicht erfolgt. Aber auch in dem zum angefochtenen Bescheid führenden Verfahren sei ihr keine Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt worden. Es sei ihr der angefochtene Bescheid lediglich zugestellt worden. Es seien daher die ihr gemäß § 363 Abs. 3 GewO 1973 und §§ 8, 37 AVG 1950 eingeräumten Parteienrechte nicht berücksichtigt worden. Gemäß § 56 AVG 1950 habe der Erlassung eines Bescheides regelmäßig ein Ermittlungsverfahren voranzugehen, für welches u. a. der Grundsatz des Parteiengehörs gemäß § 37 AVG 1950 gelte. Das Parteiengehör müsse von der Behörde in förmlicher Weise gewährt werden, sodaß es hiezu nicht genüge, wenn der Partei der maßgebliche Sachverhalt in irgendeiner Weise bekannt werde. Ihrer Nichtberücksichtigung im Verfahren liege offensichtlich die rechtsirrige Auffassung der belangten Behörde zugrunde, daß gemäß § 68 Abs. 7 AVG 1950 niemand einen Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG 1950 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes zustehe. Dabei werde außer acht gelassen, daß § 363 GewO 1973 infolge ausdrücklicher Regelung der Parteistellung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft im Abs. 3 der Charakter einer lex specialis zu § 68 Abs. 7 AVG 1950 zukomme. Aus dieser ausdrücklichen Einräumung einer Parteistellung ergebe sich nämlich die allgemein jeder Partei in einem Verwaltungsverfahren zugestandene Entscheidungspflicht der Behörde (§ 73 Abs. 1 AVG 1950). Da den angeführten Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes bzw. der Gewerbeordnung auch nicht zu entnehmen sei, daß ihr diese Parteistellung nur dann zustehen sollte, wenn sie selbst den Antrag auf Einleitung des Nichtigerklärungsverfahrens gestellt habe, nicht aber, wenn dieses Nichtigerklärungsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden sei, habe die belangte Behörde dadurch, daß sie ihr im vorliegenden Verfahren keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben habe, die Verfahrensvorschrift des § 37 AVG 1950 verletzt. Sie vertrete die Auffassung, daß die hier gerügte Verletzung des Parteiengehörs einen wesentlichen Verfahrensmangel bilde, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt von vornherein klar gegeben sei. Die belangte Behörde stütze nämlich ihren Bescheid u.a. auf die Ansicht, daß die Frage der Montage von Zwischendecken mittels einfacher Hantierungen nur unter Zuhilfenahme der im § 29 zweiter Satz GewO 1973 angeführten Gesichtspunkte hätte geklärt werden können. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre diese Vorfrage in einem Umfangsverfahren gemäß § 349 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 vom schiedsgerichtlichen Ausschuß der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien zu lösen gewesen. Bei Wahrung des Parteiengehörs hätte hingegen die Beschwerdeführerin durchaus sachliche Argumente ins Treffen führen können, daß die Beurteilung der Zuordnung der vorgenannten Tätigkeit zu einer bestimmten Gewerbegruppe nicht als "Zweifelsfrage" zu qualifizieren sei. Die Montage von abgehängten Zwischendecken erschöpfe sich nämlich niemals in einfachen Handgriffen, sondern setze regelmäßig Kenntnisse betreffend die Belastbarkeit derjenigen Bauteile, an denen diese Zwischendecke montiert werden solle, sowie die jeweils anzuwendenden Befestigungstechniken voraus. Diese Kenntnisse seien aber zweifelsfrei je nach Art der Zwischendecke im Regelfall Gewerben, die an einen Befähigungsnachweis gebunden seien, wie Tischlern, Schlossern, Stukkateuren sowie allenfalls den konzessionierten Baugewerben zuzuordnen. Ebenso hätte sie vorzubringen gehabt, daß in abgehängten Zwischendecken regelmäßig Beleuchtungseinrichtungen installiert würden, sodaß allenfalls auch die Rechte der Elektroinstallateure zu berücksichtigen wären. Es sei daher nicht nur auszuschließen sondern mit Gewißheit anzunehmen, daß die belangte Behörde bei richtiger rechtlicher Würdigung derartiger Argumnente bei ihrer Entscheidung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Des weiteren müsse entgegen der Annahme der belangten Behörde auch einer Ermessensentscheidung ein einwandfreies Ermittlungsverfahren vorangehen. Eine Ermächtigung zur Ermessensausübung dürfe die Behörde nämlich nicht zu Willkürakten verleiten, vielmehr sei die Freizügigkeit der Behörde dadurch eingeschränkt, daß sie "im Sinne des Gesetzes" (Art. 130 Abs. 2 B-VG) vorzugehen verhalten sei. Übe die Behörde das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes, lasse sie sich also einen Ermessensfehler zuschulden kommen, dann liege, wie sich daraus ergebe, eine Rechtswidrigkeit vor. Die belangte Behörde habe darüber hinaus auch übersehen, daß aus dem Recht einer Partei auf Erlassung eines Bescheides zwangsläufig auch ein Rechtsanspruch auf eine materielle Entscheidung der Behörde erfließe. Wie bereits ausgeführt, stelle § 363 Abs. 3 GewO 1973 eine lex specialis zu § 68 Abs. 7 AVG 1950 dar, wodurch die Kannbestimmung des § 68 Abs. 4 AVG 1950 nur mehr die Qualifikation einer Entscheidung im Rahmen des gebundenen Ermessens erhalte. Im übrigen schiene es auch nicht zulässig, daß die Oberbehörde in ihrer Funktion als Berufungsbehörde das bereits durch den Landeshauptmann von Wien ausgeübte Ermessen unter Berufung auf die Möglichkeit einer Entscheidung im freien Ermessen beseitige. Demnach hätte sich die belangte Behörde lediglich mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob im gegenständlichen Fall die Nichtigerklärungsgründe des § 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 releviert worden seien oder nicht.
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig.
Gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Nach Abs. 7 dieser Gesetzesstelle steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu.
Im Grunde des § 363 Abs. 1 GewO 1973 sind Bescheide, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, u.a. mit Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 bedroht, wenn (Z. 2) die Zugehörigkeit einer gewerblichen Tätigkeit zu einer Gruppe der Gewerbe (§§ 5 und 6) unrichtig beurteilt worden ist und überdies der Gewerbeinhaber den erforderlichen Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder die Nachsicht vom Befähigungsnachweis nicht erlangt. Nach Abs. 3 ist in einem Verfahren betreffend die Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 Z. 2 die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Partei und es steht ihr das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG wegen Rechtswidrigkeit zu.
Nach dieser Gesetzeslage ist - da sich die Bestimmung des § 363 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 ihrem normativen Inhalt nach als eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 darstellt - für die Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 4 lit. d zustehenden Behebungsrechtes ausschließlich diese Bestimmung maßgebend. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß nach der Anordnung des § 363 Abs. 3 GewO 1973 in einem derartigen Verfahren der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Parteistellung und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG wegen Rechtswidrigkeit zusteht, da nach dieser Bestimmung in ihrem systematischen Zusammenhang mit der dargestellten Rechtslage gesehen der jeweiligen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft lediglich die Parteistellung in einem derartigen Verfahren und die Beschwerdelegitimation gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG WEGEN RECHTSWIDRIGKEIT zuerkannt wird, ohne daß aber etwa hiedurch das der Behörde im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. d und Abs. 7 AVG 1950 zustehende Behebungsrecht als solches berührt wird. Dies gilt aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 uneingeschränkt auch für die auf Grund einer oberbehördlichen Entscheidung einschreitende Berufungsbehörde.
Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde die spruchmäßige Behebung des erstbehördlichen Bescheides durch den angefochtenen Bescheid - unabhängig von Fragen der materiellen Richtigkeit des erstbehördlichen Bescheides - nach den dargestellten Begründungsausführungen darauf gestützt, in Ansehung des in Rede stehenden, über die Gewerbeanmeldung der mitbeteiligten Partei ergangenen Bescheides des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 3. September 1985 liege nicht ein derart schwerwiegender Mangel vor, daß die Ingebrauchnahme von dem der Behörde eingeräumten Ermessen gerechtfertigt erscheine und daß im gegenständlichen Fall der Berufung des Mitbeteiligten daher im Ergebnis Folge zu geben und der erstbehördliche Bescheid ersatzlos zu beheben sei.
Im Hinblick auf diese den Abspruch des angefochtenen Bescheides tragende Begründung kommt aber zufolge der durch § 68 Abs. 4 lit. d und Abs. 7 AVG 1950 bestimmten Rechtslage der Beschwerdeführerin keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung im Sinne des § 363 Abs. 3 AVG 1950 zu, da über diesen Regelungsbereich hinausgehende Fragen einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht berührt werden, was insbesondere auch in Ansehung der in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrüge zutrifft.
Die Beschwerde war daher ohne Erörterung des materiellen Beschwerdevorbringens gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989040196.X00Im RIS seit
29.05.1990