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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §22 Abs1;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1990/419;Betreff
S-OHG gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Jänner 1986, Zl. 6/1-1623/82, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Umsatzsteuer für das Jahr 1980
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft, an der im Streitjahr Gerhard P. mit 25 %, seine Ehegattin Gertraud P. mit ebenfalls 25 % und Gottfried B. zu 50 % beteiligt waren. Der Unternehmensgegensstand der Beschwerdeführerin war der Handel mit Metallen und Kunststoffen. Für die Jahre 1978 bis 1980 fand bei der Beschwerdeführerin eine Betriebsprüfung statt, bei der unter anderem folgende Feststellungen getroffen wurden:
Mit Notariatsakt vom 27. Dezember 1979 sei von Gerhard und Gertraud P. sowie von Dr. Franz L. die B-GmbH gegründet worden, deren Unternehmensgegenstand (ebenso wie der der Beschwerdeführerin) der Handel mit Metallen und Kunststoffen sei. Zwischen der Beschwerdeführerin und der GmbH sei eine Vereinbarung geschlossen worden, wonach die GmbH "den Außendienst für die ... (Beschwerdeführerin) besorgt und dafür Honorarnote legt". Die Vereinbarung sei auf einem nicht unterzeichneten Schriftstück festgehalten. Die von der Beschwerdeführerin bezahlte Entschädigung für diese Leistung der GmbH habe im Jahr 1980 S 725.500,-- betragen. Sie sei als Aufwand bei der Beschwerdeführerin geltend gemacht und die darauf entfallende Vorsteuer abgezogen worden. Tatsächlich seien die Leistungen der GmbH für die Beschwerdeführerin von Gerhard und Gertraud P. erbracht worden und zwar als Dienstnehmer der GmbH.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß ein Scheingeschäft im Sinne des § 23 BAO vorliege. Es sei davon auszugehen, daß Gerhard und Gertraud P. ihre Leistungen für die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Beschwerdeführerin und nicht als Dienstnehmer der GmbH, deren Gesellschafter sie ebenfalls seien, erbracht hätten. Die Einschaltung der GmbH diene lediglich der Steuerersparnis, weil bei üblicher Vorgangsweise die Leistungsvergütung als Gewinnvoraus bei der Beschwerdeführerin (§ 23 Z. 2 EStG) und daher nicht erfolgsmindernd zu behandeln wäre.
Die Leistungsvergütung an die GmbH wurde daher vom Prüfer nicht als Aufwand der Beschwerdeführerin anerkannt, sondern Gerhard und Gertraud P. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Beschwerdeführerin im Verhältnis 60 zu 40 zugerechnet.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Feststellungs- und Abgabenbescheide.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und bestritt das Vorliegen eines Scheingeschäftes. Die GmbH habe nicht nur Einkünfte aus der "Kundenstockbetreuung sowie Sonderleistungen" für die Beschwerdeführerin, sondern auch aus dem (selbständigen) Verkauf von Metallabfällen und Metallblöcken sowie Provisionen von anderen Firmen erzielt. Der Umsatz der Beschwerdeführerin habe sich durch die Tätigkeit der GmbH von S 15,460.147,25 im Jahr 1979 auf S 19,838.319,89 im Jahr 1980 erhöht. Auch sei darauf hinzuweisen, daß die GmbH bereits rechtskräftig zur Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer veranlagt worden sei und "die volle Steuer schon bezahlt" habe. Wollte man der Beurteilung des Finanzamtes folgen, so käme es zu einer "Doppelbesteuerung", die durch Berichtigung der die GmbH betreffenden Abgabenbescheide vermieden werden müßte.
Die Motive für die Gründung der GmbH seien im Konflikt mit einem am 31. August 1978 aus der Beschwerdeführerin ausgeschiedenen Gesellschafter zu sehen. Ebenso wie nunmehr die GmbH an die Beschwerdeführerin diverse Leistungen erbringe hätten bisher die Gesellschafter der Beschwerdeführerin diverse Leistungen erbracht. Dazu hätten auch Lieferungen zwischen den Einzelunternehmungen der Gesellschafter (insbesondere auch des Gottfried B.) und der Beschwerdeführerin gezählt, die von der Abgabenbehörde stets anerkannt worden seien.
In der mündlichen Berufungsverhandlung wurde der Steuerberaterin der Beschwerdeführerin vorgehalten, daß die gewählte Vertragskonstruktion nach Auffassung der belangten Behörde nicht als Scheingeschäft, sondern als Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen sei. Die Steuerberaterin der Beschwerdeführerin bzw. Gerhard P. brachten vor, die GmbH habe dazu gedient, daß Leistungen des Gerhard P. an die Beschwerdeführerin ebenso steuerlich anerkannt würden wie dies schon bisher bei den Leistungen des dritten Gesellschafters, Gottfried B., der zusätzlich ein Einzelunternehmen betreibe, der Fall gewesen sei.
Der Gesellschafter der GmbH Dr. Franz L. sei der Bruder der Gertraud P. und von Beruf Chemiker. Es bestehe die Absicht, "Produkte, die in diese Branche passen", über die GmbH zu verkaufen. Dr. L. sei Gesellschafter der GmbH geworden, weil Gerhard und Gertraud P. mit einem Umsatzzuwachs gerechnet hätten "durch ein Produkt, das wir derzeit noch nicht kennen".
Die belangte Behörde wies die Berufung im oben aufgezeigten Streitpunkt ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzustellen, daß der Bescheid der belangten Behörde nicht ausdrücklich nur hinsichtlich des Jahres 1980 angefochten wird; aus dem Beschwerdepunkt und der Beschwerdebegründung geht aber eindeutig hervor, daß nur die (erstmals im Jahr 1980 relevante) Frage der Anerkennung der Leistungsbeziehungen zwischen der Beschwerdeführerin einerseits und der GmbH bzw. deren Gesellschaftern andererseits Gegenstand der Beschwerde ist. Von der Beschwerde betroffen sind daher nur der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und der Umsatzsteuerbescheid beide für das Jahr 1980.
Die belangte Behörde erblickt in der von der Beschwerdeführerin und ihren Gesellschaftern gewählten vertraglichen Konstruktion einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes gemäß § 22 BAO. Diese rechtliche Beurteilung ist aus folgenden Gründen nicht rechtswidrig:
§ 22 Abs. 1 BAO bestimmt, daß durch den Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden kann; liegt ein Mißbrauch vor, sind - nach Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle - die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.
Demnach ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht gehindert, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts so einzusetzen, daß er die geringste Steuerbelastung erzielt. Als Mißbrauch anzusehen ist hingegen eine rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet; es ist dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabenersparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. September 1985, Zl. 85/14/0032 und die darin zitierte Vorjudikatur).
Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so zeigt sich, daß die Gesellschafter der Beschwerdeführerin Gerhard und Gertraud P. einen wesentlichen Teil jener Aufgaben der Beschwerdeführerin wahrnahmen, der eine Unternehmertätigkeit und damit auch die Tätigkeit eines Mitunternehmers kennzeichnet, nämlich den "kompletten Kundenstock zu betreuen und unter vollem Einsatz den Warenverkauf zu forcieren (sowie) die Wünsche der Kunden entgegenzunehmen" (= Wortlaut der Vereinbarung vom 1. Jänner 1980).
Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, wenn sie meint, daß auch diese Unternehmeraufgaben an dritte (unternehmensfremde) Personen übertragen werden können. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer solchen Vorgangsweise ist aber, daß die übertragenen Aufgaben auch tatsächlich von dritter Seite erbracht werden bzw. zu erbringen sind. Werden hingegen wiederum nur jene natürlichen Personen tätig, die zur Wahrnehmung der genannten Aufgaben schon in ihrer Eigenschaft als Unternehmer (Mitunternehmer) berufen sind, so ist in der "Zwischenschaltung" einer GmbH, deren Gesellschafter und Dienstnehmer die Mitunternehmer sind, eine rechtliche Konstruktion zu erblicken, die einerseits von der üblichen Gestaltungsweise abweicht - dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der im Abgabenrecht geltenden Gestaltungsfreiheit für sich allein noch kein Grund für die Annahme eines Mißbrauchstatbestandes -, andererseits aber das wirtschaftliche Geschehen insofern unberührt läßt, als sie weder bezüglich des Inhaltes und des Umfanges der tatsächlich erbrachten Leistung noch bezüglich der natürlichen Personen, die tatsächlich die Leistung erbringen, noch bezüglich der tatsächlichen Umstände, unter denen diese Personen tätig werden, eine Änderung bewirkt. Mit anderen Worten, der von der üblichen Gestaltung abweichende Weg tritt nur in einer abweichenden rechtlichen Konstruktion, nicht aber in einem abweichenden Geschehnisablauf zur Erreichung desselben wirtschaftlichen Zieles in Erscheinung. Es erübrigt sich daher in solchen Fällen die Prüfung der Frage, ob ein von der üblichen Vorgangsweise abweichendes wirtschaftliches Geschehen einzig und allein mit Rücksicht auf steuerliche Erwägungen verwirklicht wurde (und deswegen einen Mißbrauchstatbestand darstellt), weil in Wirklichkeit kein vom üblichen abweichender Geschehnisablauf beschritten wurde, der gemäß § 22 BAO in einen üblichen Geschehnisablauf und dessen angemessene rechtliche Gestaltung umzudeuten wäre. Zu prüfen ist vielmehr nur, ob für den unverändert gebliebenen Geschehnisablauf eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt wurde.
Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu. Gemäß § 23 Z. 2 EStG gehören Vergütungen, die die Gesellschafter einer Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen haben, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Dabei sind die Worte "im Dienste der Gesellschaft" nicht im Sinne einer Dienstnehmerleistung zu verstehen, sondern bringen lediglich das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft an der Tätigkeit des Gesellschafters zum Ausdruck. Ein solches Interesse der Beschwerdeführerin bestand zweifellos an der Tätigkeit ihrer Gesellschafter Gerhard und Gertraud P., das insbesondere die Betreuung der Kunden und den Verkauf der Waren der Beschwerdeführerin umfaßte. Die angemessene rechtliche Gestaltung war durch das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Gesellschaftern vorgezeichnet. Gehörte es doch gemäß den §§ 114 ff HGB grundsätzlich zu den Rechten und PFLICHTEN der Gesellschafter alle Handlungen vorzunehmen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Dieser Verpflichtung sind die Gesellschafter Gerhard und Gertraud P. nachgekommen; die dafür bezogenen Vergütungen waren solche nach § 23 Z. 2 EStG. Für eine abweichende und unübliche rechtliche Konstruktion durch "Zwischenschaltung" einer GmbH, deren vereinbarungsgemäß übernommene Aufgaben dann wiederum durch die Gesellschafter P. zu erfüllen gewesen wären, bestand kein außersteuerlicher Grund; sie kann daher nicht als angemessene rechtliche Gestaltung bezeichnet werden.
Das erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Argument, daß auch sozialversicherungsrechtliche Aspekte für die gewählte rechtliche Konstruktion maßgebend gewesen seien, fällt unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG; es war daher bei Prüfung des angefochtenen Bescheides außer Betracht zu lassen.
Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen erübrigt es sich auch, auf jenes Beschwerdevorbringen einzugehen, das sich nicht unmittelbar mit der Frage der rechtlichen Subsumtion der Vergütungen der Gesellschafter P. unter die Zurechnungsvorschrift des § 23 Z. 2 EStG befaßt, wie z.B. auf die anderen Motive und Erwägungen, aus denen die Gründung der GmbH erfolgte.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1986130046.X00Im RIS seit
30.05.1990