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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
N gegen Landesarbeitsamt Vorarlberg vom 21. Dezember 1989, Zl. III/6702, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der ein Gartencenter betreibt, beantragte am 23. August 1989 beim Arbeitsamt Feldkirch für den am 20. Mai 1966 geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen T zur Verwendung als Kraftfahrer und Gartenarbeiter die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975. Mit Bescheid vom 1. September 1989 wies das Arbeitsamt Feldkirch gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG diesen Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, im Bundesland Vorarlberg liege der Anteil der Ausländerbeschäftigung über 13 %. Diese hohe Ausländerquote habe zu einer extremen Belastung der Infrastruktur des Landes geführt. Insbesonders stelle der angespannte Wohnungsmarkt in Vorarlberg ein schwer lösbares Problem dar, welches durch eine weitere "Hereinnahme" von Ausländern verschärft werden würde. Auch die Vorarlberger Landesregierung habe sich massiv gegen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Neu- und Wiedereinreisende ausgesprochen, da die ökonomischen Vorteile, welche erwüchsen, nicht die Nachteile, welche der Öffentlichkeit daraus entstünden, aufwögen, weshalb der Antrag aus Gründen des öffentlichen Interesses abzulehnen gewesen sei.
Gegen diesen (und zwei andere Ablehnungsbescheide betreffend andere beantragte Ausländer - diese Bescheide sind nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) Bescheid der Behörde erster Instanz erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, er benötige seit Jahren Arbeitskräfte für sein Garten- und Landschaftsbauunternehmen, um dem vermehrten Umweltschutzgedanken in Form von Anlagen Rechnung zu tragen. Seit Monaten suche der Beschwerdeführer 2 Lehrlinge und 3 bis 4 Gartenarbeiter für seinen Betrieb. Dieser Umstand sei dem Arbeitsamt bekannt; dennoch habe keine Besserung erreicht werden können. Nachdem auch nach Stellenanzeigen in der Tagespresse nicht der gewünschte Erfolg habe erreicht werden können, hätte er durch Dolmetscher unterstützt die beantragten Ausländer, die die erforderlichen Qualifikationen besäßen, aus den in Vorarlberg anwesenden Gastarbeitern ausgesucht. Da auch die Quartierfrage optimal gelöst sei, erwarte der Beschwerdeführer eine positive Entscheidung seiner Berufungen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 1989 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers (unter anderem auch gegen den Bescheid betreffende Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung für
T) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 1
AuslBG (in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 231/1988) keine Folge und bestätigte den (die) bekämpften Bescheid(e) der Behörde 1. Instanz. Nach Wiedergabe des § 4 Abs. 1 AuslBG führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Erteilung einer Beschäftigungsbewiligung stünden wichtige öffentliche Interessen entgegen: Derzeit betrage der Ausländeranteil an der Vorarlberger Wohnbevölkerung rund 13 % und an den im Land unselbständig Beschäftigten 14,7 %. Diese große Zahl von Ausländern habe zur extremen Belastung der Einrichtungen der Infrastruktur in Vorarlberg geführt. Besonders der angespannte Wohnungsmarkt stelle schon heute ein kaum lösbares Problem dar. In Anbetracht der drohenden Belastung der Infrastruktur sei ein weiterer Zuzug von Ausländern nicht mehr vertretbar. Einer Zulassung von weiteren Ausländern auf dem Vorarlberger Arbeitsmarkt stünden wegen der zu befürchtenden negativen Auswirkungen für die Vorarlberger Bevölkerung wichtige öffentliche Interessen entgegen. Diesen Überlegungen könne nicht entgegengehalten werden, daß die dargestellten Auswirkungen durch die Erteilung einer einzelnen Beschäftigungsbewilligung nicht ausgelöst werden könnten. Da von einer Vielzahl von gleich zu behandelnden Einzelfällen auszugehen sei, würde die Berücksichtigung einer solchen Argumentation im Einzelfall, in Summa gesehen, die Gesamtentwicklung in der bereits erwähnten nachteiligen Form beeinflussen.
Der Beschwerdeführer macht in seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, die sich ausdrücklich nur gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für T bezieht, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Die Erteilung einer Beschäftigung ist daher an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1) daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt UND
2) wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur zur Frage der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ausgesprochen hat (vgl. z. B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1979, Zl. 1298/78, vom 9. Oktober 1979, Zl. 548/78, vom 11. Juni 1980, Zl. 2637/79, vom 28. März 1984, Zl. 84/09/0040, vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051, u. v. a.), darf bei der Auslegung dieser Bestimmung nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber im Schlußteil der angeführten Gesetzesstelle erwähnten ins Spiel gebrachten wichtigen öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung KONKRET die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese KONKRETE Beschäftigung zuläßt. Dies wird zumindest immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, sie zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051, u. v. a.). Die Behörde hat daher bei der ihr im § 4 Abs. 1 AuslBG aufgetragenen Beurteilung, ob eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen oder zu verweigern ist, jedenfalls von der im Einzelfall angestrebten Bewilligung auszugehen (vgl. hiezu insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1984, Zl. 84/09/0040).
Im vorliegenden Fall hat weder die Behörde erster Instanz in ihrem Bescheid noch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt, für welche konkrete Beschäftigung die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG vorgenommen wurde. Die belangte Behörde stützt ihren Bescheid ausschließlich auf entgegenstehende (wichtige) öffentliche Interessen im Sinne der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG, ohne sich im konkreten mit der vom Beschwerdeführer beantragten Beschäftigung unter dem Gesichtspunkt der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG zu befassen.
Darüber hinaus stellt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes einen weiteren Begründungsmangel dar, wenn sich die belangte Behörde bei Darlegung der ihrer Rechtsansicht nach der beantragten Bewilligung entgegenstehenden wichtigen öffentlichen Interessen auf allgemeine, für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachprüfbare Feststellungen über Zustände im Lande Vorarlberg zurückgezogen hat. Ohne die von der Behörde hiebei nur in sehr abstrakter und nicht belegter Form vorgebrachten Erwägungen auf ihre Richtigkeit hin in Zweifel ziehen zu wollen, ist es doch - entsprechend ihrer aus den §§ 58, 60 und 67 AVG 1950 erfließenden Verpflichtung, ihren Bescheid zureichend, in einer der nachprüfenden Rechtskontrolle zugänglichen Art, zu begründen - Sache der belangten Behörde gewesen, in substantieller Weise im einzelnen darzulegen und aufzuzeigen, auf welche konkreten ökonomischen, demoskopischen oder sonstigen rechtserheblichen Daten sie ihren Bescheid gründet. Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht entsprochen (vgl. dazu im einzelnen insbesondere die Begründung in den Erkenntnissen vom heutigen Tag, Zl. 90/09/0010, und Zl. 90/09/0021, in denen die dortigen Beschwerdeführer von demselben Beschwerdevertreter vertreten wurden wie der Beschwerdeführer der vorliegenden Beschwerde, und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird); die zum Teil in der Gegenschrift nachgeholten Begründungslemente vermögen diesen Mangel nicht zu sanieren.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090026.X00Im RIS seit
31.05.1990