TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/31 90/09/0033

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Veröffentlicht am 31.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
67 Versorgungsrecht;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §2 Abs1;
KOVG 1957 §90 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 29. Dezember 1989, Zl. SV-2053/19-1989, betreffend Feststellung der Behinderteneigenschaft

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen ist zur Vorgeschichte des nunmehrigen Beschwerdefalles auf das den Verfahrensparteien bekannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 88/09/0140, hinzuweisen. Mit diesem Erkenntnis ist der damals angefochtene Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 16. August 1988 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden, weil dem Beschwerdeführer ein Vorhalt der belangten Behörde infolge eines Zustellfehlers nicht ordnungsgemäß zugegangen war.

Im fortgesetzten Verfahren hat nun die belangte Behörde dem Beschwerdeführer "neuerlich" Gelegenheit gegeben, zur Stellungnahme des leitenden Arztes des Landesinvalidenamtes vom 28. Juli 1988 Stellung zu nehmen. Dieser Stellungnahme vom 26. Juli 1989 schloß der Beschwerdeführer ein Attest Dris. T zum Nachweis seines Leberzellschadens und einer Funktionseinschränkung der Gallenblase an.

Daraufhin holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten des Facharztes für innere Medizin DDr. A ein, welches die Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers wie folgt beurteilte:

1 geringgradige Spondylose der Wirbelsäule RS. 190 20 %

2 Fettleber                         analog RS. 361 30 %

3 leichte Gastritis                        RS. 347 10 %

Gesamtgrad der Behinderung                         40 %

    Dazu führte der Sachverständige begründend aus:

"Bei Post. 190 wurde der untere Rahmensatz von 20 % beibehalten, da derzeit keine Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule besteht.

Bei Analog-Pos. 361 wurde der untere Rahmensatz mit 30 % angenommen, da die Transaminasen nur mäßiggradig erhöht sind.

Bei Pos. 347 wurde der untere Rahmensatz um eine Stufe auf 10 % angehoben, da immer wieder Oberbauchbeschwerden bestehen.

Die dyspeptischen Beschwerden erscheinen durch die Pos. 347 mitberücksichtigt.

Der Röntgenologe Dr. F fand am 10.1.1989 eine vollkommen unauffällige Gallenblase und unauffällige Gallenwege, sodaß die Pos. 365 entfällt.

Die führende Analog-Pos. 361 mit 30 % erscheint durch die Pos. 190 um eine Stufe auf eine Gesamtbehinderung von 40 % angehoben."

Der Beschwerdeführer wendete sich in einer niederschriftlichen Stellungnahme zu diesem Gutachten am 5. Dezember 1989 gegen die angenommene Gesamtbehinderung mit 40 % und beantragte eine neuerliche ärztliche Untersuchung, weil sich sein Gesundheitszustand wieder verschlechtert habe. Durch eine Erkältung sei eine Ischiasnerventzündung wieder akut geworden, was eine Gehbehinderung ausgelöst habe. Diese Beschwerden träten jedoch nicht dauernd, sondern nur etwa 3 bis 4 mal jährlich in der Dauer von ein bis zwei Wochen ein. Alle anderen Feststellungen im Gutachten entsprächen dem Gesundheitszustand. Seine Behinderung mache insgesamt 50 % aus.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 1989 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers neuerlich keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer gemäß den §§ 2 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) ab 1. Juni 1988 nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Diesen Bescheid begründete die belangte Behörde nach einer Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und der Gesetzeslage im wesentlichen mit Zitaten aus den eingeholten Gutachten Dris. K, Dris. Z und des leitenden Arztes, sowie insbesondere unter Hinweis auf das zuletzt eingeholte Gutachten DDris. A, welchem der leitende Arzt nicht widersprochen habe. Dem zuletzt vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen müsse entgegengehalten werden, daß nach § 3 Abs. 1 BEinstG eine Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung sei, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruhe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Die vom Beschwerdeführer zuletzt angegebenen Leidenszustände (Ischiasnerventzündung) träten nach seiner eigenen Angabe nur fallweise auf und seien von relativ kurzer Dauer. Es bestehe daher keine Veranlassung, neuerlich ärztliche Gutachten einzuholen, zumal der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nunmehr durch mehrere Untersuchungen ausreichend geklärt erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, infolge seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % weiter dem Kreis der begünstigten Behinderten anzugehören, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH.

Liegt - wie im Falle des Beschwerdeführers - ein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 BEinstG über die Einschätzung seiner Behinderung nicht vor, dann hat nach § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Landesinvalidenamt unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (§ 3) festzustellen. § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, gilt sinngemäß.

Nach dem ersten Satz des § 90 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 haben die Landesinvalidenämter, soweit die Berechtigung von Versorgungsansprüchen von der Beantwortung von Vorfragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, ärztliche Sachverständige zu befragen.

Bei dieser Rechtslage weist der Beschwerdeführer mit Recht auf den Umstand hin, daß für die Beurteilung seines Falles von ausschlaggebender Bedeutung sei, ob der Grad seiner Behinderung über den 1. Juni 1988 hinaus nur mehr mit 40 oder weiterhin mit 50 % einzuschätzen ist.

Der Beschwerdeführer zeigt aber auch zutreffend auf, daß das dem angefochtenen Bescheid vorangegangene Verfahren in der Frage der abschließenden medizinischen Beurteilung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers in zweifacher Hinsicht mangelhaft geblieben ist, und zwar sowohl in der Frage der Beurteilung der vom Beschwerdeführer ergänzend geltend gemachten Ischiasnerventzündung als auch in der Frage der richtlinienmäßigen Einschätzung der Veränderungen an der Wirbelsäule des Beschwerdeführers.

Die belangte Behörde gesteht in ihrer Gegenschrift zu, daß im letztlich entscheidenden Gutachten DDris. A bezüglich einer Ischiasnerventzündung nichts enthalten sei. Es fehlt daher an einer medizinischen Beurteilung dieses vom Beschwerdeführer behaupteten regelwidrigen Gesundheitszustandes. Die belangte Behörde, die selbst über kein ärztliches Fachwissen verfügt, hätte sich nicht damit begnügen dürfen, diesen Leidenszustand des Beschwerdeführers einzig und allein aus der am 6. Dezember 1989 protokollierten Darstellung des Beschwerdeführers selbst (für diesen negativ) zu beurteilen, sondern sie hätte dazu einer vorangegangenen fachmedizinischen Begutachtung bedurft. Mit den Ausführungen in der Gegenschrift, mit welchen das Gutachten DDris. A diesbezüglich dahin interpretiert wurde, daß "offenbar" eine Ischiasnerventzündung nicht habe festgestellt werden können, daß vielmehr "mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen" sei, daß die Behandlung des Beschwerdeführers inzwischen Wirkung gezeigt habe und daß "offenbar" zum Zeitpunkt der Untersuchung durch DDr. A dieses Leiden nicht akut gewesen sei, konnte dem Mangel entsprechender fachkundig untermauerter Feststellungen nicht wirksam begegnet werden.

Was die Veränderungen an der Wirbelsäule des Beschwerdeführers anbelangt, weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, daß der leitende Arzt in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 1988 auf Grund des vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachtens des Prim. Dr. Z die Richtsatzposition 190 gegenüber dem vorangegangenen Gutachten Dris. K von 20 auf 30 % erhöht hat, weil die Beschwerden durchaus glaubhaft seien. Im zuletzt eingeholten Gutachten DDris. A heißt es dazu ohne jede Auseinandersestzung mit der zuletzt genannten Einschätzung, bei Position 190 würde der untere Rahmensatz von 20 % "beibehalten", weil derzeit keine Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule bestehe. Auch hier ergeht sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in einer Interpretation dessen, was der Sachverständige DDr. A damit "offenbar" habe zum Ausdruck bringen wollen, nämlich, daß eben zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 18. Oktober 1989 gegenüber dem Vorjahr eine Besserung des Leidens des Beschwerdeführers festgestellt worden sei. Entgegen der von der belangten Behörde dazu vertretenen Ansicht wäre es sehr wohl die Pflicht des Sachverständigen gewesen, darzulegen, warum er im Gegensatz zu früher erstellten Gutachten von anderen Gutachtern zu diesem Ergebnis seiner Untersuchung gekommen ist. Abgesehen vom Bestehen der diesbezüglichen Begründungspflicht geht es im Beschwerdefall auch nicht bloß um den Zustand des Beschwerdeführers im Zeitpunkt einer bestimmten ärztlichen Untersuchung, sondern in der Zeit ab dem 1. Juni 1988. Denn mit dem den erstinstanzlichen Bescheid bestätigenden angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer ab diesem Tag nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei einer näheren Prüfung des zusätzlich vom Beschwerdeführer behaupteten Leidens einer - wie in der Beschwerde ausgeführt wird, "chronischen" - Ischiasnerventzündung und bei einem näheren, fachkundig untermauerten Eingehen auf die bei der Beurteilung des Wirbelsäulenleidens des Beschwerdeführers aufgetretenen Widersprüche zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Der angefochtene Bescheid erweist sich deshalb als mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß der Beschwerdeführer zu Unrecht auch den Ersatz der Stempelmarken für eine (entbehrliche) vierte Ausfertigung der Beschwerde und für eine bereits im vorangegangenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verwendete Vollmacht verlangt hat.

Schlagworte

Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und Beilagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990090033.X00

Im RIS seit

07.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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