TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/7 89/18/0170

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Veröffentlicht am 07.06.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
35/02 Zollgesetz;
35/04 Zolltarifgesetz Präferenzzollgesetz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art20 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZollG 1988 §7 Abs1;
ZTG 1988 §4;
ZTG 1988 ZTNr0102;

Betreff

N gegen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Juli 1989, Zl. 31.120/21-IIIA1/89, betreffend zollfreie Einfuhr von Rindern

Spruch

Der Bescheid vom 12. Juli 1989 wird, insoweit er die Jungtiere (drei Kälber und zwei Kälber bei Fuß) betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte die Ausstellung einer Bestätigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Notwendigkeit der Einfuhr einer bestimmten Anzahl von Rindern zur Förderung der inländischen Viehzucht im Sinne der "Voraussetzungen" zu Tarifnummer 0102 der Zollbegünstigungsliste im Sinne des § 4 des Zolltarifgesetzes 1988, BGBl. Nr. 155 (Zollbegünstigungsliste Seite 1274ff BGBl. 1987). Mit Bescheid vom 12. Juli 1989 entschied der angerufene Bundesminister dahin, daß die Einfuhr der antragsgegenständlichen sechs Kühe zur Förderung der inländischen Viehzucht notwendig sei. Hinsichtlich der Jungtiere (drei Kälber und zwei Kälber bei Fuß) werde der Antrag abgelehnt. Die Begründung der Ablehnung lautete dahin, eine der Voraussetzungen zur Gewährung der Zollbestätigung sei, daß die Tiere unmittelbar zur Zucht verwendet werden könnten. Die Zollbestätigung der Jungtiere sei daher abzulehnen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der oben zitierten Stelle der Zollbegünstigungsliste ist die Einfuhr reinrassiger Zuchttiere sowie anderer Zuchttiere zollfrei, wenn eine Bestätigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Notwendigkeit der Einfuhr zur Förderung der inländischen Viehzucht erteilt wird.

Zum Begriff "reinrassiges Zuchttier" im Sinne des Zolltarifgesetzes 1988 ist zu sagen:

Der Zolltarif enthält unter Nr. 0102 "Rinder, lebend" und unter der Untergruppe 10 "reinrassige Zuchttiere". Laut Fußnote 2 zur letztgenannten Bestimmung ist hiebei eine Bestätigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vorzulegen, daß sie für andere Zwecke als zum Schlachten bestimmt sind. Die Anmerkung 1 zum Abschnitt I des Zolltarifes bestimmt, daß in diesem Abschnitt durch die Anführung einer bestimmten Tiergattung oder Tierart, vorbehaltlich gegenteiliger Bestimmungen, auch die betreffenden Jungtiere erfaßt werden.

Mangels einer gegenteiligen Bestimmung fallen demnach unter den Begriff "Rinder, lebend, reinrassige Zuchttiere" auch die betreffenden Jungtiere, zum Beispiel Kälber und Kälber bei Fuß.

Es besteht kein Anlaß, innerhalb des Zolltarifgesetzes 1988 von verschiedenen Begriffsbestimmungen einerseits im Zolltarif, andererseits in der Zollbegünstigungsliste auszugehen. Stellt daher die Zollbegünstigungsliste reinrassige Zuchttiere zollfrei, so sind unter Zuchttieren auch die betreffenden Jungtiere zu verstehen.

Allerdings hat als Voraussetzung für die Zollfreistellung der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eine Bestätigung über die Notwendigkeit der Einfuhr zur Förderung der inländischen Viehzucht zu erteilen. In der Frage der Beurteilung dieser Notwendigkeit ist dieser Bundesminister nicht an die Begriffsbestimmungen des Zolltarifgesetzes 1988 gebunden. Insoweit vermag die Rechtsrüge der Beschwerde nicht zu überzeugen.

Die aus zwei Sätzen bestehende Begründung des angefochtenen Bescheides vertritt offenbar die Ansicht, die Förderung der inländischen Viehzucht trete nur dann ein, wenn eingeführte Tiere unmittelbar zur Zucht verwendet werden könnten; Jungtiere fielen daher überhaupt nicht unter die mögliche Begünstigung.

Diese Begründung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht schlüssig, könnte es doch der Förderung der inländischen Viehzucht dienen, zur (späteren) Zucht geeignete Jungtiere begünstigt einzuführen.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift versucht, eine umfangreiche Begründung zum angefochtenen Bescheid nachzureichen. Dies ersetzt aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 S 607/3, 4 genannten Entscheidungen) nicht eine im Bescheid fehlende Begründung. Darüber hinaus ist die belangte Behörde darauf zu verweisen, daß die von ihr in der Gegenschrift mehrfach zitierten verschiedenen "Bestimmungen, Richtlinien, Bedingungen" keine die Rechtsunterworfenen bindenden Normen darstellen, sondern nur Weisungen innerhalb einer Behördenorganisation (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, Rz 594).

Die Beschwerde bemängelt ferner, es sei nicht festgestellt worden, ob die drei Kälber nicht bereits als Zuchttiere anzusehen seien. Der Verwaltungsgerichtshof kann, aus der derzeit gegebenen - mangelhaften - Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen, daß dieser Feststellungsmangel für den Bescheidinhalt kausal war; steht doch im Vordergrund die bisnun nicht gelöste Frage, ob nicht vielleicht auch der Import von Jungtieren der Förderung der inländischen Viehzucht dienen kann.

Unrichtig ist die weiter von der Beschwerde vertretene Ansicht, weil die während des Transportes geborenen zwei Kälber "bei Fuß" zur Zeit des Kaufvertragsabschlusses "noch nicht vorhanden" gewesen seien, stellten sie keinen eigenen Wert dar. Maßgebend ist vielmehr der Wert zur Zeit der Einfuhr nach Österreich (§ 7 Abs. 1 ZollG).

Aus dem weiter oben aufgezeigten Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelParteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180170.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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