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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §29;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1990, 441;Betreff
S gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 4. Dezember 1986, Zl 10/26/2-BK/Rt-1986, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1984
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren für eine in der Bundesrepublik Deutschland (in der Folge: BRD) ansässige Firma als Angestellter im Inland tätig. Außer Streit steht, daß die Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber in der BRD erfolgte und der Arbeitslohn von dort überwiesen wurde. Der Beschwerdeführer bezog für seine Tätigkeit unter anderem Vergütungen für Diensterfindungen, deren Behandlung er als sonstige Bezüge im Sinn des § 67 Abs 7 EStG beantragte.
Strittig ist, ob die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn (und nicht - wie erfolgt - im Veranlagungsweg) wegen Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte im Sinn des § 81 leg cit zu erheben und daher die Bestimmung des § 67 Abs 7 leg cit zufolge der Norm des § 67 Abs 11 leg cit anwendbar ist. Während die belangte Behörde allein auf den Betriebsstättenbegriff des § 81 leg cit abgestellt und diese Frage verneint hat, ist der Beschwerdeführer von der Auffassung ausgegangen, wenn ein ausländischer Arbeitgeber im Inland eine Betriebsstätte nach § 29 BAO bzw Art 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der BRD, BGBl Nr 221/1955, (in der Folge: DBA-BRD) unterhalte, so sei diese Betriebsstätte zwingend auch Betriebsstätte im Sinn des § 81 leg cit, was die Vornahme eines Lohnsteuerabzuges zur Folge habe.
In der Beschwerde wird sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde als unbegründet und kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 47 Abs 1 EStG wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), sofern im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) vorhanden ist. Betriebsstätte ist für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn nach der Bestimmung des § 81 leg cit der Betrieb oder Teil des Betriebes des Arbeitgebers, in dem die Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer vorgenommen wird.
Der Begriff "Betriebsstätte" wird im Abgabenrecht an verschiedenen Stellen mit verschiedenem Inhalt verwendet; der Betriebsstättenbegriff des § 81 leg cit muß von jenem des § 29 BAO streng unterschieden werden (vgl Reichel, Finanzjournal 4/1978, S 49 f). Selbst wenn § 29 BAO keine Bestimmung enthält, daß die Begriffsbestimmungen in den einzelnen Abgabengesetzen den Begriffsbestimmungen der Bundesabgabenordnung vorangehen, kommt spezialgesetzlichen Bestimmungen nach dem in der Rechtslehre verankerten Grundsatz, daß ein Sondergesetz dem allgemeinen Gesetz vorgeht, in ihrem Rechtsbereich gegenüber den allgemeinen Umschreibungen der Bundesabgabenordnung der Vorrang zu (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Juni 1964, Zl 134/63, sowie Schwarz, Finanzjournal 4/1984, S 60).
Eine Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer (und somit die Voraussetzung für eine Betriebsstätte im Sinn des § 81 EStG) im INLAND liegt im Beschwerdefall unbestrittenermaßen NICHT vor. Damit fehlt es aber auch an dem Erfordernis für die Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn gemäß § 47 Abs 1 EStG. Der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, daß ein ausländischer Arbeitgeber, der über eine inländische Betriebsstätte im Sinn des § 29 BAO bzw des Art 4 DBA-BRD verfügt, stets gleichzeitig über eine solche nach § 81 EStG verfüge, würde darauf hinauslaufen, daß der Bestimmung des § 81 leg cit nur ein eingeschränkter, nämlich vom Ergebnis dieser Vorfrage abhängiger spezialgesetzlicher "Vorrang" eingeräumt werden könnte. Für eine derartige Abhängigkeit lassen sich jedoch dem Gesetz keine Anhaltspunkte entnehmen.
Weder durch die Bestimmung des § 29 BAO noch des Art 4 DBA-BRD läßt sich die Annahme stützen, daß die Erhebung der Einkommensteuer durch Lohnsteuerabzug und nicht im Veranlagungsweg zu erfolgen hätte. Gegen die Auffassung, daß bei Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte im Sinn der eben zitierten Bestimmungen JEDENFALLS auch eine Betriebsstätte nach § 81 EStG im Inland vorzuliegen hat, spricht schon der ausdrückliche Gesetzeswortlaut des § 47 Abs 1 leg cit, der darauf abstellt, daß im Inland eine Betriebsstätte im Sinn des § 81 leg cit vorhanden ist (Einfügung im Zug der Entstehung des Einkommensteuergesetzes 1972, vgl 547 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP), also durchaus (ohne Nennung weiterer Voraussetzungen) die Möglichkeit beinhaltet, daß eine Betriebsstätte im Sinn des § 81 leg cit im AUSLAND vorliegen kann. Eine Einschränkung im Sinn der Beschwerdeausführungen läßt sich der gesetzlichen Regelung ebensowenig entnehmen wie ein Anhaltspunkt für die in der Beschwerde vertretene Meinung, daß die Bestimmung des § 81 leg cit LEDIGLICH der Abgrenzung der örtlichen Zuständigkeit der Finanzämter diene. Entspricht die inländische Betriebsstätte zwar § 29 BAO, nicht jedoch § 81 EStG, weil die Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer im Ausland erfolgt, wären die Bestimmungen des § 86 ff leg cit im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip nicht vollziehbar. Es spricht daher auch der Zweck der Norm des § 81 leg cit gegen die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung.
Nach dem eben Gesagten hat die belangte Behörde keine Verfahrensvorschriften verletzt, wenn sie lediglich auf das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinn des § 81 leg cit abstellte und dadurch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Einkommensteuer im Veranlagungsweg zu erheben war. Die in der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene - im Verwaltungsverfahren unbestrittene - Tatsache, daß der ausländische Arbeitgeber die Kosten für einen vom Beschwerdeführer angemieteten Arbeitsraum bezahlt (vgl Punkt 14 des Angestelltenvertrages vom 19. Jänner 1976), hat mit der zu lösenden Rechtsfrage nichts zu tun, weswegen die diesbezüglichen Ausführungen betreffend die Verletzung von Verfahrensvorschriften ins Leere gehen.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl Nr 206, insbesondere deren Art III.
Hinsichtlich des nicht in der Amtlichen Sammlung enthaltenen zitierten hg Erkenntnisses wird an Art 14 Abs 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl Nr 45/1965, erinnert.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1987140022.X00Im RIS seit
13.06.2001