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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131a;Betreff
Z gegen die Bundespolizeidirektion Wien wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aufgrund des Vorbringens der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, soweit es übereinstimmt, steht folgender Sachverhalt fest:
Am 2. September 1989 gegen 0.15 Uhr fuhr der für den Beschwerdeführer zugelassene Pkw Marke VW von der Hameaugasse in Wien 19 kommend nach links abbiegend in die Keylwerthgasse ein. Angesichts dort befindlicher Sicherheitswachebeamter hielt der Pkw an. Die sechs Insassen des Pkws verließen das Fahrzeug. Der von einem Sicherheitswachebeamten angesprochene Beschwerdeführer leugnete, den Pkw gelenkt zu haben, gab aber an, Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeugs zu sein, und wies Führerschein und Zulassungsschein vor. Über die Person des Lenkers machte er keine Angabe. Er wies Alkoholisierungssymptome auf. Er verweigerte die Durchführung einer Atemluftprobe. Um ungefähr 0.25 Uhr wurde ihm sodann der Führerschein vorläufig abgenommen.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, die vorläufige Führerscheinabnahme kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 36 Abs. 8 VwGG einen weiteren Schriftsatz erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er u.a. infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird u.a. dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0146, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Führerscheinabnahme ist es daher entscheidend, ob die Sicherheitsorgane situationsbedingt aufgrund des Verhaltens der betreffenden Person den Eindruck haben konnten, sie befinde sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, der ihre Fähigkeit zum Lenken eines Kraftfahrzeuges ausschließt, und daß sie Grund zur Befürchtung haben mußten, sie werde in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Voraussetzungen - ex post betrachtet - objektiv vorgelegen sind.
Was den Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung anlangt, wurde beim Beschwerdeführer nach den Ausführungen der belangten Behörde Alkoholgeruch der Atemluft, lallende Aussprache und schwankender Gang festgestellt. Der Beschwerdeführer gibt den Alkoholgeruch der Atemluft zu, weil er "kurz zuvor eine Kleinigkeit getrunken hatte". Er habe aber kein "völlig unkontrolliertes Verhalten an Tag" gelegt, "aus dem geschlossen werden konnte, daß ich nicht mehr die volle Herrschaft über meinen Geist und meinen Körper gehabt hatte". Ein solches "völlig unkontrolliertes" Verhalten ist aber nicht Voraussetzung für eine rechtmäßige vorläufige Führerscheinabnahme. In dem vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang - unvollständig - zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes "ZfVB 6/2196" vom 10. April 1985, Zl. 84/11/0105, wurde ausgeführt, daß neben Alkoholgeruch der Atemluft ein solches Verhalten (auch ohne Vorliegen weiterer Alkoholisierungssymptome) die vorläufige Führerscheinabnahme rechtfertigt. Daß der Beschwerdeführer (auch) solche Symptome aufgewiesen habe, wird von ihm nicht ausdrücklich bestritten. Wenn der Beschwerdeführer somit eine lallende Aussprache gehabt und beim Gehen geschwankt hat, hat er ein Verhalten an den Tag gelegt, das auf die Sicherheitswachebeamten den subjektiven Eindruck machen konnte, der Beschwerdeführer habe sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 76 Abs. 1 KFG 1967 befunden.
Die beiden einschreitenden Sicherheitswachebeamten haben übereinstimmend im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 als Zeugen ausgesagt, daß sie sicher seien, der Beschwerdeführer sei der Lenker des vor ihnen anhaltenden Pkws gewesen. Ein Beamter begründete dies vor allem damit, daß der Beschwerdeführer nach dem Anhalten des Pkws als erster aus dem Pkw, und zwar auf der Fahrerseite, ausgestiegen sei. Dem ist der Beschwerdeführer, der diese Aussagen kennt und auf die er in seinem Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Bezug nimmt, trotz Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht konkret entgegengetreten. Der Beschwerdeführer hat zwar im Gespräch mit einem Sicherheitswachebeamten geleugnet, der Lenker gewesen zu sein, aber angegeben, daß der Lenker, dessen Name er nicht angebe, in eine ihm unbekannte Richtung davongelaufen sei; er hat sodann seinen Führerschein und den Zulassungsschein des in Rede stehenden Pkws vorgewiesen. Angesichts dieses Sachverhaltes sowie insbesondere auch angesichts der Zeit und des Ortes der Beanstandung durften die Sicherheitswachebeamten jedenfalls die Befürchtung hegen, der Beschwerdeführer werde den Pkw nach Beendigung der mit ihm durchgeführten Amtshandlung bzw. nach Beendigung der Fahrzeugkontrollen im Bereich des Ortes der Beanstandung, wieder in Betrieb nehmen, gleichgültig, ob er den Pkw vorher tatsächlich gelenkt hat oder nicht. Die Beamten durften auch auf dem Boden des vom Beschwerdeführer geschilderten bzw. von ihm nicht ausdrücklich bestrittenen Sachverhaltes annehmen, es bestehe die begründete Möglichkeit, er werde in seinem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand den Pkw wieder in Betrieb (zu) nehmen (versuchen). Von einem allem Anschein nach abgeschlossenen Lenkvorgang konnte für sie keine Rede sein.
Ob der Beschwerdeführer die Zündschlüssel des Pkws bei der Amtshandlung bei sich hatte und daß die Beamten ihn gar nicht danach gefragt hätten, ändert nichts daran.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110253.X00Im RIS seit
19.03.2001