TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/12 89/05/0223

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §70;
BauO Wr §74;
BauRallg;

Betreff

F gegen Bauoberbehörde für Wien vom 28. September 1989, Zl. MDR-B XIX-76/88, betreffend einen Beseitigungsauftrag

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Februar 1981 wurde gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) die Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft in Wien XIX, X-Gasse, den bestehenden Dachboden zur Gänze auszubauen, wobei zwei Wohnungen geschaffen werden sollten. Dem einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan ist zu entnehmen, daß eine der beiden Wohnungen (Top Nr. 7) eine Wohnfläche von 132,27 m2, die andere Wohnung (Top Nr. 8) eine solche von 142,85 m2 zuzüglich je 16,80 m2 Terrasse aufweisen sollte. Bei Belassung der Hausaußenmauer, der Kaminwände, des Stiegenhauses und des Dachstuhles sollte eine Zwischendecke eingezogen werden; die darüber entstehenden Terrassen sollten in jeder der beiden Wohnungen über eine zweiarmige Innenstiege zu erreichen sein. Weiters war in jeder dieser Wohnungen die Errichtung eines ca. 10 m2 großen Wintergartens über den hofseitigen Vorbauten vorgesehen. Im Zuge des Dachbodenausbaues wurde vom genehmigten Plan insofern abgewichen, als der pro Wohnung vorgesehene, zweiflügelige Stiegenaufgang nicht errichtet wurde. In einem anderen Bereich der Wohnungen wurde stattdessen je eine Wendeltreppe errichtet. Die Wintergärten wurden vergrößert, Innenwände teilweise verschoben und zum Teil in anderer als der vorgesehenen Wandstärke errichtet. Die Anordnung der Fenster wurde teilweise geringfügig geändert, anstelle der Terrasse wurden je eine Galerie und Räumlichkeiten wie Sauna, Abstell- und Wirtschaftsräume errichtet.

Eine Miteigentümerin verweigerte die Unterfertigung eines eingereichten Planwechsels. Mit Bescheid vom 18. Jänner 1984 wurde u.a. wegen Fehlens der Zustimmung der Grundeigentümer das Ansuchen um Planwechsel- und Benützungsbewilligung für einen Dachgeschoßausbau gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zurückgewiesen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erteilte der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 19. Oktober 1987 dem Beschwerdeführer und anderen Miteigentümern den auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrag, die Wendeltreppen in den Wohnungen Tür Nr. 7 und 8 durch zweiarmige Stiegen zu ersetzen. Die Räume im Dachboden seien "infolge Abtragen der ohne Baubewilligung errichteten Wände zu entfernen", im Dachboden und in den Wohnungen Top Nr. 7 und 8 seien die bewilligten Trennwände und Raumeinteilungen der Baubewilligung vom 23. Februar 1981 entsprechend herzustellen. Gegen diesen Bescheid berief sowohl der Beschwerdeführer als auch eine andere Miteigentümerin.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1988 behob die Bauoberbehörde für Wien auf Grund der beiden Berufungen gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 den erstinstanzlichen Auftrag und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz zurück. Zu den Berufungsausführungen des nunmehrigen Beschwerdeführers wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer bestreite in seiner Berufung nicht, daß die vom angefochtenen Bescheid erfaßten Treppen anders ausgeführt worden seien, als es im Konsens vorgesehen gewesen sei. Es sei zu prüfen, ob die Stiegen in der konsentierten Form überhaupt ausführbar seien, da eine technisch nicht mögliche Leistung nicht Gegenstand einer verwaltungspolizeilichen Vollziehungsverfügung sein könne.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erteilte der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 14. Oktober 1988 den Miteigentümern unter Punkt 2) den Auftrag, die beiden Wohnungen Tür Nr. 7 und 8 im Dachgeschoß innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides aufzulassen. Die Wände, Decken und Fußböden seien abzutragen und die Türöffnungen zum Dachboden entsprechend den bewilligten Plänen vom 28. Juni 1951 herzustellen.

Die gegen diesen Bescheidteil (Punkt 2) eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. September 1989 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, von der Behörde erster Rechtsstufe sei ein am 17. November 1988 von Arch. H. P. gezeichneter Plan übermittelt worden. In diesem Plan seien der tatsächlich ausgeführte Bestand grau, der bewilligte Dachgeschoßausbau gelb eingetragen und die neuen Raumwidmungen und -größen rot unterstrichen. Aus dieser Darstellung sei eindeutig zu erkennen, daß außer den Außenwänden und der Trennwand zwischen den beiden Wohnungen Top Nr. 7 und 8 keine Wände an der genehmigten Stelle errichtet worden seien, die Fensterteile und Fensteröffnungen geändert und die Galerie, welche nur in Form eines Zuganges zur Terrasse bewilligt worden sei, ausgebaut worden sei. Vergleiche man den Ist-Zustand mit dem Zustand, wie er dem Bescheid vom 23. Februar 1981 entsprechen sollte, so zeige sich die Richtigkeit der von der Behörde erster Instanz getroffenen Aussage, daß die Raumeinteilung der tatsächlich geschaffenen Wohnungen von den bewilligten Plänen derart abweiche, daß durch geringfügiges Verschieben die bewilligte Ausführung nicht herstellbar sei. Vielmehr müßten große Teile der Wände, sowie große Teile der Galerie und die Stiege zur Galerie im Dachgeschoß abgetragen und neu errichtet und die beiden hofseitigen Wintergärten in anderer Form ausgeführt werden. Es sei daher davon auszugehen, daß der Baubewilligungsbescheid vom 23. Februar 1981 nicht konsumiert, sondern ein anderes - nicht konsentiertes - Bauvorhaben verwirklicht worden sei. Dies habe zur Folge, daß jener Zustand wieder herzustellen sei, welcher der Baubewilligung vom 28. Juni 1951 entspricht, zumal die Baubewilligung aus dem Jahre 1981 gemäß § 74 Abs. 1 BO bereits unwirksam geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird gar nicht bestritten, daß Abweichungen vom Baubewilligungsbescheid vom 23. Februar 1981 vorgenommen wurden. Der Beschwerdeführer vertritt allerdings die Ansicht, wenn die belangte Behörde meine, daß Teile der Wände, der Galerie und der Stiege abgetragen und neu errichtet und die beiden hofseitigen Wintergärten in anderer Form ausgeführt werden müßten, damit sie dem Baubescheid vom 23. Februar 1981 entsprechen, so wäre ein derartiger Auftrag wesentlich einfacher durchzuführen als eine gänzliche Auflassung und Abtragung der Dachgeschoßeinbauten. Ferner lasse der in Beschwerde gezogene Bescheid zur Gänze eine substanziierte, schlüssige und nachvollziehbare Begründung für die Annahme vermissen, daß die Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes technisch möglich sei. Mit der eigenen Begründung (Seite 4) des angefochtenen Bescheides, daß die Außenwände und die Trennwand konsensgemäß errichtet worden seien, stehe die Behauptung, im Widerspruch, daß infolge Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen sei, sodaß der aus dieser Ansicht erflossene Abtragungsauftrag auch den Denkgesetzen zuwiderlaufe.

Kernfrage der Beschwerdesache ist, ob die Baubewilligung vom Februar 1981 konsumiert oder ob ein anderes - nicht konsentiertes - Bauvorhaben verwirklicht wurde. Die vorgenommenen Änderungen wurden bereits in der Sachverhaltsdarstellung beschrieben. Beibehalten wurden die Außenwände, die Kaminwände, das Hausstiegenhaus und das Dach - mit Ausnahme des abgesetzten Daches im Bereich der Wintergärten - sowie die Trennwand zwischen den beiden Wohnungen. Die Lage der Sanitärräume blieb im wesentlichen unverändert. Trotz Abweichungen von der Baubewilligung vom Februar 1981 liegen insgesamt zwei Wohnungen vor.

Zu Unrecht ist daher die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die Baubewilligung aus dem Jahre 1981 nicht konsumiert und gemäß § 74 Abs. 1 erster Satz BO bereits unwirksam geworden sei. Da unbestritten jedenfalls die Raumeinteilung und die Ausgestaltung der vorgesehenen Terrasse geändert wurden, derartige Änderungen jedoch der Bewilligungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 lit. a und c BO unterliegen und die erforderliche Bewilligung nicht vorliegt, erging daher ein auf § 129 Abs. 10 BO gestützter Auftrag grundsätzlich zu Recht. Die Herstellung des konsensgemäßen Zustandes hätte aber in der Verwirklichung des mit Bescheid vom 23. Februar 1981 genehmigten Projektes bestanden. Daß die Durchführung dieses Projektes technisch nicht möglich sei, wird auch durch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten des Arch. H. P. vom 28. April 1988 nicht ausgeschlossen. In diesem Gutachten wird hinsichtlich der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Bescheid vom 19. Oktober 1987 behaupteten technischen Undurchführbarkeit der Errichtung der beiden zweiflügeligen Stiegen ausgeführt, es wäre denkbar gewesen, den Brustriegel (bzw. die Zangen) im Hauptgespärre gänzlich zu entfernen und statt dessen zu beiden Seiten Zangen bei den nächsten oder übernächsten Sparren anzuordnen und eine geeignete Horizontalversteifung auszubilden. Daß diese Herstellung aufwendig und teuer ist, steht ihrer technischen Machbarkeit nicht entgegen. Wenn, wie in diesem Gutachten ausgeführt, dem Planverfasser der ursprünglichen Einreichung zum Vorwurf gemacht werden könnte, daß er die technischen Schwierigkeiten seiner Planung nicht rechtzeitig vorausgesehen habe, so hat der Beschwerdeführer diesen Planungsfehler der Baubehörde gegenüber zu vertreten. Er kann dann, wenn die Ausführung des eingereichten Projektes technisch überhaupt möglich ist, wie dies ja aus dem Gutachten hervorgeht, der Baubehörde in einem Auftragsverfahren gemäß § 129 Abs. 10 BO nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß die Herstellung des konsensgemäßen Zustandes - wohl wegen der besonders hohen Kosten - technisch nicht möglich sei.

Da somit die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß die Baubewilligung vom Februar 1981 nicht konsumiert worden sei, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050223.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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