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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;Betreff
H gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 26. Juni 1989, Zl. VerkR-13.758/16-1989-I/F, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Befristung der Lenkerberechtigung "auf ein Jahr, gerechnet ab Erlassung des Berufungsbescheides," ausgesprochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Aufgrund des Inhaltes von Eingaben des Beschwerdeführers gelangte der Amtsarzt der Erstbehörde zur Auffassung, der Beschwerdeführer sei wegen "paranoider Psychose" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B nicht geeignet; im Hinblick darauf sprach die Erstbehörde die Entziehung seiner Lenkerberechtigung aus. Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde ein Gutachten eines ihr beigegebenen Amtsarztes vom 9. Mai 1989 ein. Dieses beruht unter anderem auf dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Primarius Dr. St vom 21. März 1989, welches zu der Frage erstellt worden war, ob für den Beschwerdeführer ein Sachwalter im Sinne des § 273 ABGB zu bestellen sei. In diesem Gutachten heißt es nach der Empfehlung, im Hinblick auf das beim Beschwerdeführer bestehende, einer psychischen Krankheit gleichzusetzende paranoide Syndrom sollte für ihn ein Sachwalter, "allerdings nur für die Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruches oder der Eingehung oder Abwicklung eines Rechtsgeschäftes", bestellt werden, zur Frage der Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen: "Trotz der oben angegebenen Einschränkung ist Herr H zur Lenkung eines PKWs berechtigt, da trotz seines paranoiden Syndroms weder für ihn selbst noch für andere Gefahr und Schaden bestehen. Sein bisheriges Verhalten schließt jedenfalls Argumente aus, die zum Entzug des Führerscheins führen könnten". Der Amtsarzt der belangten Behörde gelangte in seinem Gutachten vom 9. Mai 1989 zu folgender abschließender Beurteilung:
"Beim Berufungswerber bestehen psychische Veränderungen und Persönlichkeitsmerkmale, die eine Zuordnung zu einem Krankheitsbild nicht ohne weiteres zulassen. Nach einem kurzen stationären Aufenthalt kommt der Gutachter für das Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie unter Einschluß des oben angeführten psychologischen Testergebnisses zum Ergebnis, daß bei Herrn H ein paranoides Syndrom, das einer psychischen Krankheit gleichzusetzen ist, vorliegt. Nach Ansicht des Facharztes sei der Berufungswerber zum Lenken eines PKWs berechtigt, da er trotz seines paranoiden Syndroms weder für ihn selbst noch für andere eine Gefahr darstelle.
Der Berufungswerber ist daher derzeit grundsätzlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges geeignet, doch sollte, da bei ihm doch ein paranoides Syndrom festgestellt wurde, im Sinne einer Verlaufskontrolle eine Nachuntersuchung in einem Jahr durchgeführt werden. Im Falle einer Verschlechterung kann nämlich eine Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht ausgeschlossen werden. Eine eindeutige Prognose kann nach den vorliegenden Unterlagen nicht erstellt werden.
Herr H ist daher zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B bedingt geeignet. Bedingung ist eine Befristung der Lenkerberechtigung auf 1 Jahr."
Der Beschwerdeführer meint, die vorliegenden Ermittlungsergebnisse böten keine ausreichende Grundlage für die Befristung seiner Lenkerberechtigung. Der Amtssachverständige habe in seinem Gutachten nicht dargetan, welche Faktoren zu einer Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers führen und welche von ihnen insbesondere für seine Verkehrszuverlässigkeit bedeutsam sein könnten.
Dazu ist vorweg klarzustellen, daß es im vorliegenden Fall nicht, wie der Beschwerdeführer an mehreren Stellen seiner Beschwerde annimmt, um seine Verkehrszuverlässigkeit, sondern allein um seine geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen geht; hiebei handelt es sich um zwei unterschiedliche Eignungsvoraussetzungen (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1984, Zl. 82/11/0309).
Bei der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde ist davon auszugehen, daß gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 dann, wenn ein Besitzer einer Lenkerberechtigung nicht mehr geistig oder körperlich geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken, ihm die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken ist; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967 hat, wenn der zu Begutachtende nach dem ärztlichen Befund zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Gruppen nur unter der Voraussetzung geeignet ist, daß er Körperersatzstücke oder Behelfe (Brillen, Sitzpolster u. dgl.) oder daß er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet, das Gutachten "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; das gleiche gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind. Nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KDV 1967 gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Gruppe geistig und körperlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften unter anderem ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen ist. Gemäß § 31 der zitierten Verordnung gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 Personen, bei denen weder Erscheinungsformen von solchen Krankheiten oder Behinderungen, noch schwere geistige und seelische Störungen vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen.
Der Beschwerdeführer meint, "die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere aber § 31 KDV 1967", seien nicht ausreichend determiniert. Es könne nicht Sinn dieser Bestimmungen sein, das (nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen beim Beschwerdeführer vorliegende) Bedürfnis nach Mitteilung und seine Versuche, Aggressionen (durch das Verfassen von Eingaben) abzubauen, durch Erklärung zum psychisch Kranken zu unterbinden. Sinn und Zweck der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sei es allein, den Verkehr zu regeln und Gefahren für die Öffentlichkeit hintanzuhalten. Dieses Vorbringen weist allenfalls auf eine unzutreffende Auslegung der hier maßgebenden Bestimmungen durch die belangte Behörde hin. Eine nicht ausreichende Bestimmtheit des Gesetzesbegriffes der "geistigen und körperlichen Eignung" wird damit nicht aufgezeigt. Der Verwaltungsgerichtshof hegt aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die hier anzuwendenden Bestimmungen wegen mangelnder Bestimmtheit. Er sieht sich daher zu der vom Beschwerdeführer angeregten Anfechtung dieser Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt.
Die belangte Behörde hat sich der Auffassung des Amtssachverständigen angeschlossen, im Falle einer Verschlechterung des paranoiden Syndroms könne eine Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht ausgeschlossen werden, es sei daher im Interesse der Verkehrssicherheit eine Nachuntersuchung in einem Jahr erforderlich und demnach die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers entsprechend zu befristen. Das Gutachten des Amtssachverständigen ist aber, soweit darin eine Befristung wegen der angeblichen Notwendigkeit von Nachuntersuchungen vorgeschlagen wird, nicht nachvollziehbar, weil nicht dargetan wird, inwiefern sich eine vom Sachverständigen als möglich erachtete Verschlechterung des paranoiden Syndroms auf die Verkehrssicherheit nachteilig auswirken könnte. Krankheiten, Behinderungen und Störungen im Sinne der §§ 30 Abs. 1 Z. 1 und 31 KDV 1967 sind nämlich für eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkerberechtigung im Sinne des § 73 Abs. 1 KFG 1967 nur insoweit von Belang, als sie eine "Beeinträchtigung des Fahrverhaltens" (wegen fehlender oder zumindest eingeschränkter Fähigkeit zum sicheren Beherrschen der Kraftfahrzeuge und zum Einhalten der für ihr Lenken geltenden Vorschriften) und damit eine Gefährdung der Verkehrssicherheit erwarten lassen. Dies erfordert im Sachverständigengutachten entsprechende Ausführungen über die von einer Krankheit, einer Behinderung oder einer Störung ausgehenden Auswirkungen auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr, sofern dies - was hier aber nicht der Fall ist - nicht ohnedies schon auf Grund der Art der Krankheit, Behinderung oder Störung auf der Hand liegt, sowie darüber, welche Entwicklung der jeweils festgestellte regelwidrige Zustand in Hinsicht auf die relevanten Auswirkungen auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr nehmen kann. Infolge Fehlens derartiger Ausführungen ist der maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110279.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
16.11.2010