Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;Betreff
N gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 12. Dezember 1989, Zl. Ge-40.092/5-1989/Pan/Lb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 12. Dezember 1989 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Inhaber des Dachdecker- und Spenglereibetriebes in G, X-Straße 27, zugelassen, daß die in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer A und E am 3. August 1988 auf der Baustelle in Linz, Z-Straße 501, Spenglerarbeiten (Rinnen- und Rinnenhakenmontage) in einer Höhe von ca. sieben Metern bei einer Dachneigung von ca. 30 Grad ohne jegliche Absturzsicherung durchgeführt hätten, obwohl Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker- und Spenglerarbeiten, erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet seien, begonnen werden dürften. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) begangen. Es wurde deshalb über ihn "gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes" eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von 96 Stunden) verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Beschwerdeerledigung von Belang - folgendes aus: Die Behauptung des Beschwerdeführers in der Berufung, er habe einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG 1950 bestellt, sei als Schutzbehauptung zu werten, da er in seinen ersten Einvernahmen vor der Erstbehörde am 19. Oktober und am 24. November 1988 vielmehr die Ansicht vertreten habe, daß ihn ausschließlich die Verpflichtung zum Vorhandensein der erforderlichen Sicherungsgeräte treffe. Daraus sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt aller Wahrscheinlichkeit nach keine Kenntnis von der Möglichkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gehabt habe, da andernfalls sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge A das Beauftragungsverhältnis ins Treffen geführt hätten. Die Behauptung der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten in der Berufungsschrift sei somit ausschließlich zur Verfahrensverzögerung geltend gemacht worden, um die Einjahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG 1950 zu überschreiten. Da erfahrungsgemäß die bei der ersten Einvernahme gemachten Angaben der Wahrheit am Nächsten kämen, und der Beschwerdeführer bei seinen ersten beiden Einvernahmen die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht eingewendet habe, sei davon auszugehen, daß eine solche nicht erfolgt sei. Dies werde auch durch die Aussage des Zeugen A bestätigt, da auch dieser auf ein derartiges Beauftragungsverhältnis nicht hingewiesen habe. Da hiemit das diesbezügliche Berufungsvorbringen widerlegt sei, sei die nochmalige Zeugeneinvernahme des A über dessen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten entbehrlich gewesen. Aufgrund der Verfahrensergebnisse sei sowohl die objektive Tatseite - deren Verwirklichung sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden - als auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und beantragt wird, deshalb den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Abs. 3 des besondere Fälle der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit regelnden § 9 VStG 1950 kann eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. Nach Abs. 4 dieses Paragraphen kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. des Einzelunternehmers. Es muß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zlen. 89/08/0081-0094, und die dort zitierte Vorjudikatur).
2.2. In dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren ist der Behörde nach Ausweis der Akten ein derartiger Zustimmungsnachweis des (behauptetermaßen) vom Beschwerdeführer zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten (A) nicht vorgelegt worden. Gegenteiliges wurde auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Demnach war es nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde die Eigenschaft des A als verantwortlicher Beauftragter verneint hat. Damit ist allerdings das Schicksal der Beschwerde noch nicht entschieden.
3.1. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, daß seine auf etwa sieben bis zehn Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer jeweils unter der Verantwortung des Erfahrensten der betreffenden Gruppe, der für die Einhaltung der entsprechenden Sicherungsvorschriften zu sorgen habe, tätig seien. Im gegenständlichen Fall habe es sich bei dem in diesem Sinne Beauftragten um A gehandelt, der im Betrieb des Beschwerdeführers schon mehrere Jahre beschäftigt sei, und der dem Beschwerdeführer als äußerst gewissenhafter und verläßlicher Mitarbeiter bekannt sei. Daß der Genannte seiner daraus resultierenden Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei für den Beschwerdeführer nicht vorauszusehen gewesen, da es bislang mit A in dieser Hinsicht keinerlei Beanstandungen gegeben habe. A sei Gerhard P. und Rudolf K. (den beiden anderen zum inkriminierten Zeitpunkt an der im Spruch genannten Baustelle eingesetzt gewesenen Arbeitnehmern) übergeordnet gewesen; diese hätten seine Anordnungen zu befolgen gehabt.
3.2.1. Gemäß § 31 Abs. 2 ASchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die (lit. p) u.a. den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung.
Nach § 31 Abs. 5 leg. cit. sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.
3.2.2. Das unter 3.1. wiedergegebene Berufungsvorbringen mußte seinem ganzen Inhalt nach und aufgrund des Zusammenhanges in dem es steht, von der belangten Behörde - auch - in der Richtung verstanden werden, daß der Beschwerdeführer A zum Bevollmächtigten i.S. des § 31 Abs. 2 ASchG bestellt habe. Die belangte Behörde war einer Untersuchung dieser Frage, d.h., ob der Genannte mit seinem Einverständnis vom Beschwerdeführer mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1988, Zl. 88/08/0104), nicht etwa deshalb enthoben, weil A nicht, wie dargetan, als verantwortlicher Beauftragter anzusehen war. Denn wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0240, und vom 9. Juni 1988, Zl. 88/08/0104), müssen bei der Bestellung eines Bevollmächtigten nach § 31 Abs. 2 ASchG die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG 1950 (z.B. die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) nicht eingehalten werden, sodaß keine Identität zwischen dem verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 Abs. 3 und 4 VStG 1950 und dem Bevollmächtigten gemäß § 31 Abs. 2 ASchG besteht. Nur dann aber, wenn sie auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhaltes - dies auch unter Aufnahme der vom Beschwerdeführer diesbezüglich angebotenen Beweise - zu dem schlüssigen Ergebnis gelangt wäre, daß A vom Beschwerdeführer (auch) nicht zum Bevollmächtigten bestellt worden ist, wäre die belangte Behörde im Hinblick auf § 31 Abs. 5 ASchG rechtlich in der Lage gewesen, ohne weitere Bedachtnahme auf diese Vorschrift den Beschwerdeführer wegen der von ihr als erwiesen angenommenen Übertretung zu bestrafen. Wäre sie hingegen - in einem einwandfreien Ermittlungsverfahren - zur Bejahung der Bevollmächtigten-Eigenschaft des A gekommen, so hätte sie die von der Erstinstanz ausgesprochene Bestrafung des Beschwerdeführers nur unter der Voraussetzung aufrechterhalten dürfen, daß sie dem Beschwerdeführer das Verschulden, das nach § 31 Abs. 5 leg. cit. den Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um sich strafbar zu machen, nachgewiesen hätte (vgl. dazu näher das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 87/08/0240).
4. Da es somit die belangte Behörde verabsäumt hat, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
5. Der Vollständigkeit halber sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgendem Hinweis veranlaßt: Die belangte Behörde hat im Wege der Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als Gesetzesbestimmung, auf die sich die verhängte Strafe stützt, jene des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG angeführt (§ 44a lit. c VStG 1950). Die Zitierung allein dieser Vorschrift reicht indes im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0043) nicht aus, um dem § 44a lit. c VStG 1950 Genüge zu tun. Dazu wäre auch die Anführung des § 33 Abs. 7 ASchG erforderlich.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da der Beschwerdeschriftsatz lediglich in dreifacher Ausfertigung einzubringen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190116.X00Im RIS seit
01.06.2001