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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §39a Abs1;Betreff
A gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 1. März 1989, Zl. III-4033/88, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Strafverfügung vom 27. April 1988 hatte die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 VStG 1950 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, schuldig erkannt und hiefür bestraft (Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--, Ersatzarrest in der Dauer von drei Tagen). Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 9. Mai 1988 zugestellt.
2. Mit an die BH gerichtetem Schriftsatz vom 8. Juli 1988 erhob der Beschwerdeführer gegen die Strafverfügung Einspruch und stellte gleichzeitig - weil die "Frist zur Einbringung des Einspruches überzogen ist" - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, daß nach Art. 6 Abs. 3 lit. a und e MRK jeder Beschuldigte das Recht auf Information über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in seiner Muttersprache habe. Diesen Grundsatz verletze die Strafverfügung vom 27. April 1988. Da diese auch keine in der Sprache des Beschwerdeführers gehaltene Rechtsmittelbelehrung enthalte, habe der Beschwerdeführer nicht wissen können, daß es sich um eine Strafverfügung handle. Dies stelle ein unüberwindbares und unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 71 AVG 1950 dar.
3. Mit Bescheid vom 19. Oktober 1988 sprach die BH aus, daß die benatragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Anwendung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 nicht bewilligt werde.
4. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 26. Oktober 1988 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 1. März 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und Zitierung des § 71 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer stütze seinen Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich darauf, daß ihm die Strafverfügung nicht in seiner Muttersprache zugestellt worden sei. In dieser Hinsicht habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Jänner 1989, Zl. 88/01/0187, dargelegt, daß gemäß Art. 8 B-VG die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, Staatssprache der Republik sei. Die Bestimmung des § 39a Abs. 1 AVG 1950 regle hingegen nur den mündlichen Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien. Ein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde werde daher nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof habe weiters ausgeführt, daß der Vorbehalt Österreichs zu Art. 5 MRK auch die Anwendung des Art. 6 MRK für den Bereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ausschließe, weshalb in der Abfassung einer Strafverfügung gegen einen der deutschen Sprache nicht Kundigen auch keine im einfachgesetzlichen Bereich gelegene Verletzung des Art. 6 MRK erblickt werden könne. Demnach sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen glaubhaft darzutun, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist zur Einbringung eines Einspruches zu wahren.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung jedoch ablehnte (Beschluß vom 25. September 1989, B 542/89-8) und die Beschwerde auf nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 22. November 1989, B 542/89-10).
6. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer laut der von ihm eingebrachten Beschwerdeergänzung ("Aufgetragene Beschwerdeverbesserung") - zusammengefaßt - geltend, durch den Bescheid der belangten Behörde vom 1. März 1989 in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt worden zu sein. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
7. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (lit. a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.
2. Der Beschwerdeführer erblickt im vorliegenden Fall ein solches "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis", durch welches er gehindert gewesen sei, rechtzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung vom 27. April 1988 zu erheben, darin, daß letztere in einer Sprache abgefaßt gewesen sei, die er nicht verstehe. Da seiner Meinung nach die "Sprachenrechte des Art. 6 MRK" auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes uneingeschränkt anwendbar seien und § 39a AVG 1950 nicht auf den mündlichen Verkehr der Partei mit der Behörde beschränkt sei, sei er in seinem Recht verletzt worden, die Strafverfügung in seiner Muttersprache zugestellt zu bekommen, bzw. in seinem (im Wege verfassungskonformer Interpretation) aus § 39a AVG 1950 ableitbaren Recht auf Übersetzung von Strafbescheiden in die Muttersprache des Beschuldigten.
3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Dazu, weshalb dies so ist, sei des näheren im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG auf das - von der belangten Behörde mit Recht zur Stützung ihres Standpunktes zitierte - hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1989, Zl. 88/01/0187, verwiesen. Diesem Erkenntnis lag ein Fall zugrunde, der in allen wesentlichen Punkten dem vorliegenden Beschwerdefall entspricht. Da sich aus letzterem keine zusätzlichen, rechtlich relevanten Aspekte ergeben, solche insbesondere auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt worden sind, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, von seiner im Erkenntnis Zl. 88/01/0187 vertretenen Rechtsauffassung abzurücken: nämlich, daß der Vorbehalt Österreichs zu Art. 5 MRK auch die Anwendung des Art. 6 MRK für den Bereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ausschließt, und daß § 39a Abs. 1 AVG 1950 keinen Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde begründet.
Daraus folgt (auch) für den vorliegenden Beschwerdefall, daß der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen durfte, verwaltungsstrafrechtliche Verfügungen (hier: die Strafverfügung vom 27. April 1988) würden ihm gegenüber nur in einer ihm verständlichen Sprache erlassen bzw. als solche gekennzeichnet und mit einer in dieser Sprache gehaltenen Rechtsmittelbelehrung versehen. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Zustellung der in deutscher Sprache abgefaßten Strafverfügung vom 27. April 1988 an den Beschwerdeführer bzw. sein behauptetes Nichtverstehen der deutschen Sprache nicht als "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 gewertet werden kann.
4. Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid als nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Soweit die Beschwerde die beim Verfassungsgerichtshof geltend gemachten "Normprüfungsanregungen" ausdrücklich aufrechterhält, so besteht für den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß einerseits der Beschwerdeführer seine Normbedenken bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen hat und sie von diesem Gerichtshof nicht aufgegriffen wurden, und anderseits die vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde in dieser Hinsicht keine neuen (dem Verfassungsgerichtshof nicht bereits bekannten) Gesichtspunkte enthält, keine Veranlassung, seinerseits beim Verfassungsgerichtshof einen diesbezüglichen Prüfungsantrag zu stellen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190165.X00Im RIS seit
18.06.1990