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43 WehrrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
(Nachträgliche) Bewilligung eines im weiteren Gefährdungsbereich eines Munitionslagers errichteten Geschäfts- und Werkstättengebäudes unter Bedingungen und Auflagen; Erteilung der Bewilligung ohne Antrag des Bf. - Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung) ist schuldig, dem Bf. zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 4. Mai 1982 erwarb der Bf. A S
von der Landeshauptstadt Klagenfurt das Grundstück ... LN in EZ
... KG Hörtendorf im Ausmaß von 6.500 m2. Der Bürgermeister der
Landeshauptstadt Klagenfurt als Baubehörde erteilte dem Bf. mit
- in Rechtskraft erwachsenen - Bescheiden vom 25. Feber 1982, Z
U.Abt. 1 B6003/81, und 27. Dezember 1983, Z U.Abt. 1 B6003/81, die
Bewilligung für die Errichtung eines Geschäfts- und
Werkstättengebäudes.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 13. Februar 1987, Z12.664/32-1.5/86, wurde die Berufung des Bf. gegen den Bescheid des Militärkommandos Kärnten vom 18. November 1985, Z29.374-0200/85/85, womit dem Bf. gemäß §11 iVm §13 Abs3 des BG vom 31. Mai 1967 über militärische Munitionslager, BGBl. Nr. 197, idF BGBl. Nr. 265/1972, für das im weiteren Gefährdungsbereich des Munitionslagers Gradnitz errichtete Geschäfts- und Werkstättengebäude nachträglich die Bewilligung unter näher dargelegten Bedingungen und Auflagen erteilt worden war, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 in Zusammenhalt mit §50 Abs2 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, BGBl. Nr. 196 idgF, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des A S. Der Bf. erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) und Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) verletzt.
Der Rechtsbegriff eines Gefährdungsbereiches bei militärischen Munitionslagern findet sich nach Ansicht des Bf. ausschließlich im BG vom 31. Mai 1967 über militärische Munitionslager. Dieses Gesetz verlange, so meint der Bf., daß der Gefährdungsbereich in einer ordentlich kundgemachten V festgelegt und im Flächenwidmungsplan ersichtlich gemacht werde. Eine solche V sei für das im 19. Jahrhundert errichtete Munitionslager Gradnitz nicht erlassen worden.
Für den Fall, daß der VfGH den angefochtenen Bescheid nicht aufheben sollte, ergäbe sich für den Bf. die Verfassungswidrigkeit des §23 Abs1 des BG vom 31. Mai 1967 über militärische Munitionslager idgF.
4. Der Bundesminister für Landesverteidigung legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen letztinstanzliche Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Bf. durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Der Bf. behauptet die Verletzung des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatzes (Art7 Abs1 B-VG) und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), in eventu die Verfassungswidrigkeit des §23 Abs1 des BG vom 31. Mai 1967 über militärische Munitionslager, BGBl. Nr. 167, idF des BGBl. Nr. 265/1972 (im folgenden: MunitionslagerG). Die behaupteten Rechtsverletzungen seien im wesentlichen unmittelbare Folge des Fehlens einer V, die das MunitionslagerG in seinem mit "Bestimmungen über den Gefährdungsbereich" überschriebenen III. Abschnitt zur Festlegung des Gefährdungsbereiches eines militärischen Munitionslagers zwingend vorsehe.
2. Das vom Bf. auf dem Grundstück ... LN in EZ ... KG Hörtendorf errichtete Geschäftsgebäude liegt unbestritten zur Gänze, das Werkstättengebäude zum Teil innerhalb eines Radius von 750 Meter gemessen vom militärischen Munitionslager Gradnitz, welches nach den Parteienvorbringen - gegen deren Richtigkeit der VfGH keine Bedenken hegt - im 19. Jahrhundert errichtet wurde. Der VfGH geht - in Übereinstimmung mit den Parteien des Beschwerdeverfahrens - davon aus, daß für das militärische Munitionslager Gradnitz bisher keine V im Sinne des §7 f. MunitionslagerG erlassen worden ist, mit der ein (engerer und weiterer) Gefährdungsbereich festgelegt worden wäre.
3.a) Das MunitionslagerG verbietet im engeren Gefährdungsbereich die Errichtung von Baulichkeiten oder Anlagen jeder Art - ausgenommen die im letzten Satz des §4 Abs1 genannten militärischen Baulichkeiten oder Anlagen (§10 Abs1 lita). Im weiteren Gefährdungsbereich bedarf gemäß §11 MunitionslagerG die Errichtung von Baulichkeiten oder Anlagen jeder Art, die nicht militärischen Zwecken dienen, der Bewilligung der zuständigen Behörde, die unter den im §10 Abs2 leg.cit. genannten Voraussetzungen zu erteilen ist. Sofern die Bewilligung gemäß §11 MunitionslagerG im Zeitpunkt, in dem die zuständige Behörde von der Bauführung Kenntnis erlangt, zu erteilen wäre, ist die fehlende Bewilligung von der zuständigen Behörde nachträglich zu erteilen (§13 Abs3 leg.cit.).
b) Die Erteilung einer Bewilligung setzt einen jeweils auf diese abzielenden Antrag voraus. Mit anderen Worten: Die Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bewilligung - auch unter Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen - erteilt wird, ist von einem entsprechenden Antrag des Normadressaten abhängig.
Dieser Rechtsauffassung scheint auch das Militärkommando Kärnten anzuhängen. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 18. November 1985 wird ausgeführt:
"Anläßlich einer von der Heeresmunitionsanstalt Klagenfurt am 20 06 84 durchgeführten Überprüfung des Gefährdungsbereiches des Munitionslagers Gradnitz wurde festgestellt, daß Sie auf Parzelle ..., KG Hörtendorf, im weiteren Gefährdungsbereich des angeführten Munitionslagers ein Werkstätten- und Geschäftsgebäude ohne die nach dem BG über militärische Munitionslager, BGBl. Nr. 197/67, i.d.F.d.BG, BGBl. Nr. 265/72, erforderliche Bewilligung errichtet haben.
Der Aufforderung des Militärkommandos Kärnten vom 17 07 84, Zl. 19.126-0232/85/84, bis 31 08 84 einen Antrag um nachträgliche Bewilligung im Sinne des obzitierten Gesetzes einzubringen, sind Sie nicht nachgekommen."
5. Dadurch, daß die bel. Beh. dem Bf. nachträglich die Bewilligung für die Errichtung von Baulichkeiten unter Vorschreibung näher festgelegter Bedingungen und Auflagen erteilte, ohne daß der Bf. je einen Antrag auf (nachträgliche) Erteilung der Bewilligung gestellt hätte, hat sie den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983).
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis war auf die vom Bf. behauptete Verletzung weiterer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und den Eventualantrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs1 MunitionslagerG nicht einzugehen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenersatz ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.
Schlagworte
Schieß- und SprengmittelwesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B280.1987Dokumentnummer
JFT_10128986_87B00280_00