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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AAV §61 Abs1;Betreff
N gegen Landeshauptmann von Tirol vom 25. August 1989, Zl. Vd-16.337/1, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11. August 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Bevollmächtigter (§ 9 Abs. 3 VStG 1950) des A (Inhaber einer näher bezeichneten Firma) zu verantworten, daß, wie auf Grund einer am 10.5.1987 um 11.00 Uhr durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den
14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck vorgenommenen Kontrolle auf einer näher angeführten Baustelle festgestellt worden sei, entgegen den Vorschriften des § 61 Abs. 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung die nordwestliche Baugrubenwand weder durch einen Verbau gesichert, noch entsprechend dem § 61 Abs. 4 leg. cit. abgeböscht gewesen sei, da zum Zeitpunkt der Überprüfung die oben angeführte Baugrubenwand ca. 3 m hoch gewesen und einen Böschungswinkel zwischen 70 und 80 Grad aufgewiesen habe, wobei die Bodenfestigkeit höchstens als steif eingestuft hätte werden können, sohin sei der vorgeschriebene Böschungswinkel von höchstens 60 Grad für steife Böden nicht eingehalten worden. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 100 und § 61 Abs. 3 und 4 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. August 1989 mit der Maßgabe keine Folge, daß das im Spruch des erwähnten Straferkenntnisses angeführte Datum "10. 5 1987" richtig "10.12.1987" zu lauten habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 28. November 1989, Zl. B 1190/89, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was zunächst den Beschwerdeeinwand anlangt, die belangte Behörde habe durch die Änderung des erwähnten Datums von "10.5.1987" auf "10.12.1987" nicht in der "Sache" im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG 1950 entschieden, so vermag der Verwaltungsgerichtshof dem nicht beizupflichten. Der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt die Berufungsbehörde zwar nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, wohl aber dazu, die Straftat auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben; vor allem aber ist die Berufungsbehörde, wenn der Ausspruch der Behörde erster Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtigzustellen, weil sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/03/0123). Im Beschwerdefall ergibt sich allerdings aus der Begründung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz (vgl. dessen Seite 5), daß die Erstbehörde als Tattag in Wahrheit nicht den 10. Mai 1987, sondern den 10. Dezember 1987 angenommen hat und es sich sohin im Spruch dieses Straferkenntnisses bei der Anführung des Datums "10.5.1987" um ein offenbares Versehen handelt. Der richtige Tattag "10.12.1987" wurde dem Beschwerdeführer bereits anläßlich seiner Vernehmung als Beschuldigter am 9. März 1988, sohin innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 erster Satz VStG 1950, vorgeworfen.
Aber auch die auf § 6 Abs. 3 erster Satz des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 (BGBl. Nr. 143) gestützte Verjährungseinrede des Beschwerdeführers ist unberechtigt:
Nach dieser Vorschrift hat die Verwaltungsstrafbehörde über die Anzeige (des Arbeitsinspektorates) ohne Verzug, längstens aber binnen zwei Wochen, das Strafverfahren einzuleiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu der im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 8 Abs. 3 erster Halbsatz des Arbeitsinspektionsgesetzes vom 3. Juli 1947 (BGBl. Nr. 194) im Erkenntnis vom 3. März 1954, Zl. 767/53, die Rechtsansicht vertreten, daß diese Bestimmung die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 nicht verdrängt. Gleiches hat nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch für die nunmehrige Bestimmung des § 6 Abs. 3 erster Satz Arbeitsinspektionsgesetz 1974 zu gelten. Es handelt sich demnach nicht um eine Verkürzung der im § 31 Abs. 2 VStG 1950 geregelten Frist der Verfolgungsverjährung. Durch die Nichteinhaltung dieser, an die Strafbehörde gerichteten, bloßen Ordnungsvorschrift konnte der Beschwerdeführer daher in keinem subjektiven Recht verletzt werden.
Die im Beschwerdefall interessierenden Absätze 1, 3, 4 und 5 des § 61 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV (BGBl. Nr. 218/1983) lauten wie folgt:
(1) Vor und während der Durchführung von Erdarbeiten müssen die zum Schutz der Arbeitnehmer erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen sein. Erdarbeiten sind unter Aufsicht einer geeigneten, fachkundigen Person durchzuführen.
(3) Beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe, sind deren Wände unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen mit dem Aushub fortschreitend so abzuböschen oder zu verbauen, daß Arbeitnehmer durch abrutschendes Material nicht gefährdet werden können; wenn schlechte Bodenverhältnisse oder besondere Einflüsse, wie Erschütterungen durch den Straßenverkehr, vorliegen, müssen auch schon bei einer geringeren Tiefe entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen sein. Untergraben ist unzulässig, Überhänge sind unverzüglich zu beseitigen.
(4) Der Böschungswinkel darf im allgemeinen bei nichtbindigen oder weichen bindigen Böden höchstens 45 Grad, bei steifen oder halbfesten bindigen Böden höchstens 60 Grad, bei leichtem Fels höchstens 80 Grad und bei schwerem Fels höchstens 90 Grad betragen. Sofern damit zu rechnen ist, daß sich der Zusammenhalt des Bodens durch Austrocknen, Eindringen von Wasser, Frost oder durch Bildung von Rutschflächen verschlechtern kann, müssen flachere Böschungen hergestellt oder die Böschungsflächen gegen diese Einflüsse geschützt sein.
(5) Gruben, Gräben oder Künetten nach Abs. 3, die maschinell ausgehoben wurden und deren Wände nicht abgeböscht sind, dürfen erst betreten werden, nachdem die Wände durch Verbaue ausreichend gesichert sind.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers enthob ihn die im § 61 Abs. 1 zweiter Satz enthaltene Verpflichtung, daß Erdarbeiten unter Aufsicht einer geeigneten, fachkundigen Person durchzuführen sind, nicht von seiner Verantwortung für allfällige Verstöße gegen jene Vorschriften, die im Rahmen solcher Arbeiten zu beachten sind. Mit seinem Vorbringen, das in Rede stehende Unternehmen betreibe gleichzeitig "etliche" Baustellen, er sei zeitlich und organisatorisch nicht in der Lage, jede Baustelle genau zu überwachen, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Wohl ist ihm in einem solchen Falle zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken; allerdings wäre es ihm oblegen, durch die Einrichtung eines "wirksamen Kontrollsystems" sicherzustellen, daß seinen Anordnungen entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im einzelnen darzulegen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 90/19/0040). Daß der Beschwerdeführer solches getan hat, behauptet er selbst nicht.
Entgegen der Ansicht in der Beschwerde stellt die Vorschrift des § 61 Abs. 3 erster Halbsatz nicht darauf ab, daß die dort vorgeschriebenen Maßnahmen nur bei konkreter Gefährdung der Arbeitnehmer getroffen werden müssen. Vielmehr sind die Worte "daß Arbeitnehmer durch abrutschendes Material nicht gefährdet werden können" im Zusammenhang mit den vorherstehenden Worten "so abzuböschen oder zu verbauen" zu lesen; mit anderen Worten, sie drücken aus, in welcher Art und Weise "abzuböschen oder zu verbauen" ist.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, die in Rede stehende Baugrube sei maschinell ausgehoben worden, es hätte daher allenfalls nur eine Bestrafung nach § 61 Abs. 5 AAV erfolgen dürfen, so vermag ihm der Gerichtshof im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der Tatbilder nicht zu folgen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190121.X00Im RIS seit
23.03.2001