TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/18 90/19/0163

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.1990
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
FrPolG 1954 §6 Abs2;

Betreff

E gegen Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Oktober 1989, Zl. I-353.252-FrB/89, betreffend Vollstreckungsaufschub (mit Befristung 20. Dezember 1989)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm der Aufschub der Vollstreckung des gegen die Beschwerdeführerin erlassenen Aufenthaltsverbotes mit 20. Dezember 1989 befristet worden ist.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Oktober 1989, Zl. SD 456/89, wurde über die Beschwerdeführerin ein unbefristetes, sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckendes Aufenthaltsverbot verhängt. Diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin am 23. Oktober 1989 persönlich übernommen. Der damit erlassene Bescheid ist mit diesem Datum in Rechtskraft erwachsen. (Die dagegen von der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem mit Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0162, als unbegründet abgewiesen.)

2. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1989, Zl. I-353.252-FrB/89, hat die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) die Vollstreckung des mit dem unter I.1. genannten Bescheid gegen die Beschwerdeführerin erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 6 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, "gegen jederzeitigen Widerruf - längstens jedoch bis zum 30.04.1990 -" aufgeschoben. Dieser Bescheid ("Vollstreckungsaufschub") wurde von der Beschwerdeführerin laut den insoweit übereinstimmenden Angaben in der Beschwerde und in der Gegenschrift der belangten Behörde am 30. Oktober 1989 persönlich übernommen. Er ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.

3. Unter derselben Geschäftszahl und demselben Datum wie oben I.2., und zwar auf demselben Schriftstück wie der unter I.2. genannte "Vollstreckungsaufschub", wurde dieser von der belangten Behörde dahingehend "amtlich berichtigt", daß anstelle des "30.04.1990" als Endtermin des Aufschubes das Datum "20.12.1989" trat. Diese "amtliche Berichtigung" wurde der Beschwerdeführerin - auch insoweit nach den überstimmenden Angaben in der Beschwerde und in der Gegenschrift der belangten Behörde - am 30. November 1989 anläßlich einer Vorladung ausgehändigt.

4. Gegen den unter I.3. genannten Bescheid, und zwar soweit damit die ursprünglich vorgesehene Befristung des Aufschubes mit 30. April 1990 auf 20. Dezember 1989 geändert worden ist, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag stellte, "die Beschwerde der Elzbieta Furch mangels Beschwer zurückzuweisen".

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 6 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, (FrPolG) hat der Fremde, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, das Gebiet, in dem ihm der Aufenthalt verboten ist, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Er darf dieses Gebiet während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder betreten. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen kann die Behörde die im Abs. 1 festgesetzte Frist bei Gefahr im Verzuge verkürzen oder aus Billigkeitsgründen verlängern. Ebenso kann sie die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes aus triftigen Gründen aufschieben. Der Aufschub kann an Bedingungen geknüpft oder mit Auflagen erteilt werden.

2. Der der Beschwerdeführerin gegenüber ergangene "Vollstreckungsaufschub", und zwar sowohl der, der den Aufschub des gegen die Beschwerdeführerin erlassenen Aufenthaltsverbotes bis längstens 30. April 1990 zum Gegenstand hatte, als auch jener, der diesen Aufschub durch Neufestsetzung der Befristung (des Endtermines) änderte ("amtlich berichtigte"), ist ein Bescheid. Wenn die belangte Behörde diese rechtliche Qualifikation in bezug auf die "amtliche Berichtigung" verneint, so ist ihr entgegenzuhalten, daß sie mit dieser Vorgangsweise ohne jeden Zweifel ihre Absicht zum Ausdruck brachte, in einer Angelegenheit der Hoheitsverwaltung rechtsverbindlich zu entscheiden. Die "amtliche Berichtigung" stellt sich als ein die zur Entscheidung stehende Rechtssache regelnder Abspruch des Inhaltes dar, daß die Vollstreckung des über die Beschwerdeführerin verhängten Aufenthaltsverbotes längstens - anstatt wie ursprünglich ausgesprochen bis 30. April 1990 - bis 20. Dezember 1989 aufgeschoben werde. Dieser somit den ersten Vollstreckungsaufschub vom 24. Oktober 1989 hinsichtlich der zeitlichen Befristung des Aufschubes ändernde Bescheid hat durch die Verkürzung der Frist, bis zu welcher die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes längstens aufgeschoben wird, in die durch einen rechtskräftigen Bescheid (vgl. oben I.2.) begründete Rechtsposition der Beschwerdeführerin zu deren Nachteil eingegriffen. Die belangte Behörde hat in einer Sache, in der bereits einmal rechtskräftig entschieden worden ist, neuerlich entschieden. Darin lägen nur dann keine subjektiven Rechte der Beschwerdeführerin beeinträchtigender Verstoß gegen § 68 Abs. 1 AVG 1950 (res indicata), wenn sich nach Erlassung des Vollstreckungsaufschubes mit der Befristung 30. April 1990 die für diese Entscheidung maßgebende Sach- und/oder Rechtslage geändert hätte. Dafür, daß dies in Ansehung des maßgeblichen Sachverhaltes der Fall wäre, bietet weder der in Beschwerde gezogene Änderungsbescheid - er entbehrt jeglicher Begründung - noch der Akteninhalt den geringsten Anhaltspunkt. Auch die maßgebende Rechtslage (§ 6 Abs. 2 FrPolG) hat sich nachträglich nicht geändert.

Der Inhalt der Akten bietet aber auch keinen Anlaß für die Annahme, die belangte Behörde hätte zulässigerweise von den Möglichkeiten der Abs. 2 oder 3 des § 68 AVG 1950 Gebrauch gemacht. Auf die erstgenannte Bestimmung könnte sich die belangte Behörde deshalb nicht berufen, weil, wie bereits erwähnt, die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin durch den die Frist verkürzenden Änderungsbescheid eine Verschlechterung erfahren hat (vgl. dazu RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, Anm. 14 zu § 68). Daß indes diese Verschlechterung der Rechtsposition der Beschwerdeführerin im Grunde des § 68 Abs. 3 AVG 1950 in rechtlich einwandfreier Weise hätte herbeigeführt werden können, ist nach Ausweis der Akten nicht erkennbar. Es fehlt jeder Hinweis auf das Vorliegen der in dieser Vorschrift normierten strengen Voraussetzungen (vgl. nochmals RINGHOFER, a. a.O., Anm. 22 zu § 68).

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde durch den von ihr als "amtliche Berichtigung" bezeichneten Änderungsbescheid vom 24. Oktober 1989 (der Beschwerdeführerin gegenüber erlassen am 30. November 1989) gegen den im § 68 Abs. 1 AVG 1950 verankerten Grundsatz "ne bis in idem" zum Nachteil der Beschwerdeführerin verstoßen hat, war dieser Bescheid im Umfang der Anfechtung, d.h. insoweit, als mit ihm eine Befristung des Vollstreckungsaufschubes mit 20. Dezember 1989 ausgesprochen worden ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Besondere Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Abs2 Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190163.X00

Im RIS seit

18.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten