TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/18 90/19/0120

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Veröffentlicht am 18.06.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §21;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Bundesminister für Arbeit und Soziales gegen Landeshauptmann von Salzburg vom 30. November 1989, Zl. 3/07-7109/2-1989, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: A)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Ausspruches, daß der mitbeteiligten Partei eine Ermahnung erteilt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 23. August 1989 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der U-GmbH und somit als gemäß § 9 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ mehrerer Übertretungen des § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes, BGBl. Nr. 144/1983, in Verbindung mit Abschnitt XVII Z. 1 lit. a der Arbeitsruhegesetz-Verordnung, BGBl. Nr. 149/1984, schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, daß im Betrieb in Wien, X-Straße, am 26. November 1988 eine Reihe von (namentlich angeführten) Arbeitnehmern entgegen den vorzitierten Bestimmungen beschäftigt worden seien, obwohl der Betrieb bereits am 5. November 1988 offengehalten worden sei, und die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer, die nicht mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt seien, spätestens am Samstag um 13.00 Uhr zu beginnen habe. Über den Mitbeteiligten wurden deshalb gemäß § 27 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes Geldstrafen in der Höhe von S 5.000,-- je Arbeitnehmer (Ersatzarrest in der Dauer von je fünf Tagen), insgesamt

S 160.000,-- (160 Tage), verhängt.

2. Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Salzburg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 30. November 1989 unter Bezugnahme auf die im Straferkenntnis angeführten Rechtsvorschriften Folge, wobei "gemäß § 21 VStG 1950 von einer Strafe abgesehen und der Beschuldigte unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt (wurde), sich künftig weiterer strafbarer Handlungen gleicher Art zu enthalten".

Aktenkundig und unbestritten sei, daß der Mitbeteiligte am 26. November 1988 die im Spruch des Straferkenntnisses namentlich genannten Arbeitnehmer entgegen den zwingenden Bestimmungen des § 3 Abs. 2 Arbeitsruhegesetz in Verbindung mit Abschnitt XVII Z. 1 lit. a der Arbeitsruhegesetz-Verordnung an einem Samstag nach 13.00 Uhr beschäftigt habe, obwohl die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer an einem Samstag spätestens um 13.00 Uhr zu beginnen habe.

Nach "eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage" sei die belangte Behörde dennoch zur Anschauung gelangt, "daß die Umstände des gegenständlichen Falles, zufolge des geringfügigen Verschuldens, nämlich eine gewisse Sorglosigkeit gegenüber den wahrzunehmenden gesetzlichen Bestimmungen, der Erstmaligkeit der Übertretung und der Tatsache, daß es sich bei der gegebenen Situation um eine nicht nur kalendermäßig, sondern auch von der rechtlichen Konstellation her einmalige und in Zukunft nicht mehr wiederholbare Situation handelte, zumal § 3 der Wiener Ladenschlußverordnung bereits mit Wirksamkeit mit 30. November 1988 außer Kraft getreten ist, insbesondere auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1989, das Absehen von einer Strafe verbunden mit einer Ermahnung nach § 21 VStG 1950 gerechtfertigt erscheinen lassen".

3. Gegen diesen Bescheid, und zwar - unter Zugrundelegung des gesamten Beschwerdevorbringens - insoweit, als dem Mitbeteiligten eine Ermahnung erteilt worden ist, richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gestützte und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, die sich - unter Stellung eines Antrages, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen - in der Verweisung auf die "ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher nach ha. Auffassung in rechtlicher Hinsicht nichts mehr hinzugefügt werden kann", erschöpft. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 21 Abs. 1 VStG 1950 kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern diese erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 ausgegangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Beschwerdeführers.

2.2. Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt ihrem klaren Wortlaut zufolge nur in Betracht, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur dann die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. etwa die

hg. Erkenntnisse vom 12. September 1986, Zl. 86/18/0059, vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/08/0138, und vom 19. November 1987, Zl. 87/08/0251).

Daß im Beschwerdefall diese Voraussetzung zutreffe, wird im angefochtenen Bescheid nicht dargetan. Die dem Mitbeteiligten im Sinne eines geringfügigen Verschuldens zugute gehaltene "gewisse Sorglosigkeit gegenüber den wahrzunehmenden gesetzlichen Bestimmungen" geht als Begründung für die Erfüllung jenes Kriteriums fehl. Denn sollte die belangte Behörde damit eine (entschuldbare) mangelhafte Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften angesprochen haben, so ist demgegenüber zu betonen, daß es dem Mitbeteiligten als zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufenem Organ (§ 9 Abs. 1 VStG 1950) unter dem Gesichtspunkt berufsgebotener Sorgfaltspflicht oblegen wäre, sich von den betreffenden Rechtsvorschriften Kenntnis zu verschaffen. Sollte indes mit der "gewissen Sorglosigkeit" ein "großzügiges", im Ergebnis die einschlägigen Gebote und Verbote nicht beachtendes Verhalten des Mitbeteiligten gemeint sein, so könnte ein solches keinesfalls sein Verschulden in einem für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 erforderlichen Maß mindern - im Gegenteil: es wäre diesfalls im Hinblick auf seine berufliche Stellung von einer auffallenden Sorglosigkeit des Mitbeteiligten auszugehen.

Wenn die belangte Behörde darüber hinaus mit der "Erstmaligkeit der Übertretung" sowie der "Tatsache, daß es

sich bei der gegebenen Situation um eine .... einmalige und in

Zukunft nicht mehr wiederholbare Situation handelte", argumentiert, so ist nicht zu erkennen, inwiefern diese Umstände das Maß der Vorwerfbarkeit des verpönten Verhaltens des Mitbeteiligten wesentlich herabzusetzen vermöchten.

3. Aus dem Gesagten folgt, daß von einem geringfügigen Verschulden des Mitbeteiligten im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG 1950 keine Rede sein kann. Die damit in Widerspruch stehende Beurteilung durch die belangte Behörde beruht offensichtlich auf einer Verkennung der Rechtslage.

Der angefochtene Bescheid war demnach - ohne daß es noch einer Prüfung der Frage bedurfte, ob das zweite im § 21 Abs. 1 VStG 1950 vorgesehene (kumulative) Kriterium ("und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind") vorlag - im Umfang des Ausspruches der Erteilung einer Ermahnung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Zu der in der vom Mitbeteiligten erstatteten Gegenschrift enthaltenen Behauptung, er werde durch den angefochtenen Bescheid vom 30. November 1989 "wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzen und einer gesetzwidrigen Verordnung" in seinen Rechten verletzt, und der daran anschließenden Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich einiger (im einzelnen angeführter) Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes sowie hinsichtlich der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien, LGBl. Nr. 38/1988, den Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungs- bzw. Verordnungsprüfungsverfahrens stellen, ist festzuhalten, daß die mitbeteiligte Partei den gegen sie eine Ermahnung aussprechenden Bescheid vom 30. November 1989 nicht mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat. Dies wäre aber zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erforderlich gewesen. In einer vom Mitbeteiligten in dem aufgrund einer Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales in Gang gesetzten verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift, die - der Stellung des Mitbeteiligten entsprechend - mit dem Antrag schließt, der Verwaltungsgerichtshof möge die Beschwerde des Bundesministers als unbegründet abweisen, kann hingegen eine - diesem Antrag widersprechende - Verletzung von Rechten des Mitbeteiligten durch den (nicht von ihm angefochtenen) Bescheid vom 30. November 1989 zulässigerweise nicht geltend gemacht werden. Es war deshalb auf das diesbezügliche Vorbringen der mitbeteiligten Partei nicht einzugehen.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190120.X00

Im RIS seit

18.06.1990

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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