TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/18 90/19/0127

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Veröffentlicht am 18.06.1990
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65003 Jagd Wild Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §80 Abs1 idF 6500-7;
JagdG NÖ 1974 §81 Abs1 idF 6500-7;
JagdG NÖ 1974 §81 Abs3 idF 6500-7;
JagdRallg;

Betreff

Jagdgesellschaft W gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 14. September 1989, Zl. VI/4-J-165, betreffend Abschußplan

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Genossenschaftsjagdgebiet W jagdausübungsberechtigte Beschwerdeführerin gab im Abschußplan für das Jahr 1989 den Wildstand an Rotwild mit 12 Hirschen der Altersklassen I, II und III, 20 Tieren und 14 Kälbern an und beantragte den Abschuß von je einem Hirsch der Altersklassen I, II und III sowie von sechs Tieren und drei Kälbern. Mit Bescheid vom 25. April 1989 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt den Abschuß von einem Hirsch der Altersklasse II, zwei Hirschen der Altersklasse III, sieben Tieren und vier Kälbern. Nach der Begründung sei, um eine dringend notwendige Verbesserung des Altersklassenaufbaues bei männlichem Rotwild zu erwirken, kein Hirschabschuß der Altersklasse I zu genehmigen und mit Rücksicht auf die Belange der Land- und Forstwirtschaft der zusätzliche Abschuß anderer Rotwildstücke zu verfügen gewesen. Ferner heißt es in der Begründung, daß in diesem Jagdgebiet darüber hinaus starke Schälschäden festgestellt worden seien.

Gegen diesen Bescheid, und zwar soweit damit anstelle des beantragten Abschusses eines Hirsches der Altersklasse I der Abschuß eines Hirsches der Altersklasse III verfügt wurde, erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 81 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-7, (JG) keine Folge gegeben. In der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß der Obmann des Bezirksjagdbeirates u.a. ausgeführt habe, daß nur mit der "Einschonung der Althirschklasse", bei der ja eine Unterscheidung nach dem Hegewert entfalle, erreicht werden könne, daß auch Hirschen der Mittelklasse die angestrebte Schonung bis zum Erreichen des Reifealters zuteil werde. So gesehen sollte die getroffene Entscheidung für eine Abschußsperre von Hirschen der Altersklasse I von einer verantwortungsbewußten Jägerschaft als richtig anerkannt werden. Ein jagdfachlicher Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung habe festgehalten, daß die Schonung von Hirschen der Klasse I sicherlich keinen Nachteil bringe. Die wenigen vorhandenen Althirsche würden einfach ein Jahr älter und andererseits könne man Abschußfehler in der Klasse II damit mehr eindämmen. Es könne allerdings auch nicht bestritten werden, daß diese generelle Maßnahme für einzelne Großreviere eine gewisse Härte darstelle. Der NÖ Landesjagdbeirat habe in seiner Sitzung vom 2. August 1989 mehrstimmig empfohlen, der Berufung keine Folge zu geben; allerdings habe der Landesjagdbeirat angeregt, daß die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt im nächsten Jahr bei Hirschen der Altersklasse I vermehrt von der Möglichkeit des § 81 Abs. 3 JG (Gemeinschaftsabschuß) Gebrauch mache, da hiebei ein "Herunterschießen" in die Schonklasse (Altersklasse II) verboten sei. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, daß die (einjährige) Schonung von Hirschen der Altersklasse I ein geeignetes Mittel zur Verbesserung des Altersklassenaufbaues bei männlichem Rotwild sei. Eine Bestätigung der Ansicht der erstinstanzlichen Behörde, daß der angegebene Wildstand an Hirschen der Klasse I nicht annähernd den Tatsachen entspreche, ergebe sich für das gegenständliche Revier daraus, daß zwar in den letzten fünf Jahren jedesmal der Abschuß eines Hirsches der Altersklasse I bewilligt gewesen sei (1988 als "Hegeringhirsch"), jedoch kein einziger Hirsch der Altersklasse I erlegt worden sei. Dem Einwand, daß von der Jagdbehörde an die Abschußproblematik restringierend herangegangen werde, ohne in ausreichendem Maße auf die Belange der Land- und Forstwirtschaft Bedacht zu nehmen, sei dadurch entsprochen worden, daß nach Streichung des Hirsches der Altersklasse I der Abschuß von drei weiteren Stücken (ein Hirsch der Altersklasse III, ein Tier und ein Kalb) verfügt worden sei; insofern liege der nunmehr verfügte Abschuß zahlenmäßig um zwei Stück über dem beantragten Abschuß. Auch hinsichtlich des männlichen Rotwildes, welches bekanntlich Fegeschäden verursache, ergebe sich keine zahlenmäßige Reduktion, da weiterhin drei Stück männlichen Rotwildes erlegt werden könnten. Aus den eingeholten jagdfachlichen Stellungnahmen ergebe sich, daß die einjährige Schonung - lediglich im Jahre 1989 - keinen Nachteil bringe, da einerseits die Hirsche der Altersklasse I lediglich um ein Jahr älter würden, andererseits durch weniger Fehlabschüsse in der Altersklasse II ein Hineinwachsen von Hirschen der Altersklasse II in die Altersklasse I gewährleistet sei.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Abschuß eines Hirsches der Altersklasse I verletzt und bekämpft den Bescheid mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem in der Gegenschrift vorgetragenen Einwand, die Einbringung der Beschwerde namens der Beschwerdeführerin durch den "Jagdleiter-Stellvertreter" Mag. F sei unzulässig, weil dessen Vertretungsbefugnis für die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen sei, kommt im Hinblick auf die vom bestellten Jagdleiter und dem weiteren Mitglied der beschwerdeführenden Jagdgesellschaft abgegebene schriftliche Erklärung vom 29. April 1990, wonach Mag. F "dauernd ermächtigt ist, für die Jagdgesellschaft sämtliche rechtlichen Schritte zu unternehmen und sohin auch bevollmächtigt war, die gegenständliche Beschwerde einzubringen", keine Berechtigung zu.

In der Sache selbst ist von § 81 Abs. 1 JG auszugehen, wonach die Bezirksverwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf die Entwicklung und Erhaltung eines qualitativ guten, der Größe und den natürlichen Äsungsverhältnissen des Jagdgebietes entsprechenden Wildstandes sowie eines gesunden Verhältnisses zwischen männlichem und weiblichem Wild die Angaben des - vom Jagdausübungsberechtigten gemäß § 80 Abs. 2 JG vorzulegenden - Abschußplanes zu prüfen und den beantragten Abschuß zu bewilligen oder abweichend vom Abschußantrag den Abschuß zu verfügen hat, wobei auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft Rücksicht zu nehmen ist. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß durch den Abschuß ein biologisch richtiger Altersklassenaufbau hergestellt wird.

Grundlage für jeden Abschußplan ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 90/19/0034) der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet. Von diesem hat die Behörde bei der ihr nach § 81 Abs. 1 JG obliegenden Entscheidung auszugehen. Die Begründung eines Bescheides, mit dem der Abschuß abweichend vom Abschußplan verfügt wird, muß demnach, um einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich zu sein, jedenfalls den für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen, nach Anzahl, Geschlecht und altersmäßiger Zusammensetzung gegliederten Wildstand erkennen lassen. Des weiteren muß daraus hervorgehen, wie hoch die unter Berücksichtigung der erwähnten Grundsätze wünschenswerte Wilddichte in dem betreffenden Jagdgebiet ist. Schließlich ist die Eignung der getroffenen Abschußverfügung zur Verwirklichung des angestrebten Zieles darzulegen, sofern sie nicht ohnehin der Sachlage nach offenkundig ist.

Diesem Erfordernis entspricht der angefochtene Bescheid nicht, geht doch aus seiner Begründung nicht hervor, welcher tatsächlich vorhandene Stand an Hirschen der jeweiligen Altersklassen von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt wurde und welcher biologisch richtige Altersklassenaufbau beim männlichen Rotwild durch den verfügten Abschuß hergestellt werden soll. Durch die gemäß §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit § 67 AVG 1950 unzulängliche Begründung ihres Bescheides hat die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem andern Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Vorschriften über die Jagdbetriebsführung jagdliche Verbote Abschußplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190127.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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