TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 89/07/0158

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
VwGG §42 Abs2 Z2;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;

Betreff

7 Beschwerdeführer gegen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1989, Zl. 512.409/02-I 5/89, betreffend wasserrechtliche Bewilligung einer Wasserversorgungsanlage (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gemeinde (MB) plant die Errichtung einer Wasserversorgungsanlage "P-West" und stellte am 30. Mai 1988 unter Vorlage des Projektes beim Landeshauptmann von Steiermark (LH) den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung. Der wasserrechtlichen Verhandlung zog der LH den Viert- und den Fünft-Beschwerdeführer als betroffene Grundeigentümer, nicht aber die übrigen Beschwerdeführer bei. An der Verhandlung am 19. Oktober 1988 nahm allerdings dann bereits Rechtsanwalt Dr. G als Vertreter der beiden genannten Beschwerdeführer sowie der "Wassergemeinschaft L" teil und sprach sich in deren Namen gegen die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage durch die MB aus, und zwar im wesentlichen deshalb, weil damit in ein bereits von der Erst-Beschwerdeführerin als einer "öffentlich-rechtlichen Wassergenossenschaft" erschlossenes Versorgungsgebiet zu deren Nachteil eingegriffen würde.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens legte die MB eine u.a. vom Viert- und Fünft-Beschwerdeführer abgegebene Erklärung vor, mit welcher diese als Grundeigentümer ihr Einverständnis zur Leitungsführung über ihre Grundstücke gegen entsprechende Entschädigung bestätigten.

Zur fortgesetzten wasserrechtlichen Verhandlung am 19. Dezember 1988 wurde seitens des LH neben den Viert- und Fünft-Beschwerdeführern auch die "Wassergemeinschaft L" zu Handen ihres Anwalts geladen. In einer Eingabe vom 7. Dezember 1988 verwies die Erst-Beschwerdeführerin insbesondere auf eine mit der MB abgeschlossene zivilrechtliche Vereinbarung vom 27. September 1978 über eine Abgrenzung der beiderseitigen Wasserversorgungsbereiche.

In der Verhandlung am 19. Dezember 1988 trat dann Dr. G als Vertreter sämtlicher Beschwerdeführer auf (die Vorlage der schriftlichen Vollmacht erfolgte wenige Tage später) und machte geltend, "die Wassergenossenschaft L, aber auch alle Mitglieder der allfällig nur bestehenden Wassergemeinschaft L" sprächen sich aus den bereits am 19. Oktober 1988 ausgeführten Gründen gegen das Projekt der MB aus. Die Wassergenossenschaft L leite ihre Parteistellung aus dem § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 ab, "weil sie sowohl als juristische Person als auch deren Mitglieder im einzelnen zu einer Unterlassung auf Erweiterung ihres Wasserversorgungsgebietes gezwungen wird". Die einzelnen Mitglieder hätten jedenfalls Parteistellung, "weil durch das gegenständliche Projekt die Wasserleitungen, an denen die Gemeinschaftsmitglieder Miteigentum haben, beeinträchtigt werden". Außerdem sprächen sich "Herr F, J und H ... auch als Grundeigentümer gegen das Projekt aus, weil es unwirtschaftlich ist und einen nicht berechtigten Anschlußzwang für die betroffenen Grundeigentümer bewirken kann".

Nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens erteilte der LH mit Bescheid vom 22. Dezember 1988 dem näher beschriebenen Projekt der MB unter zahlreichen Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung. Der Spruch dieses Bescheides enthält einen mit "Einwendungen" überschriebenen Abschnitt folgenden Wortlautes:

"Die Einwendungen der Wassergenossenschaft L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G, werden mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen."

In der Begründung des Bescheides des LH heißt es dazu nach einer auszugsweisen Wiedergabe des § 102 Abs. 1 WRG 1959 und nach einer vollständigen Wiedergabe u.a. der Stellungnahmen der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 19. Oktober 1988 die Behörde vermöge nicht zu erkennen, inwieferne die Wassergemeinschaft L durch die gegenständliche Wasserleitung berührt werde. Durch die Bewilligung werde keineswegs eine Erweiterung der Wasserversorgungsanlage der Wassergemeinschaft ausgeschlossen. Ob dies de facto wegen Unwirtschaftlichkeit gegeben sei, könne eine Parteistellung nicht begründen. Auf das Vorbringen in der Sache sei daher nicht einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben sämtliche Beschwerdeführer Berufung, in der sie ihre Parteistellung behaupteten und im wesentlichen ihr im erstinstanzlichen Verfahren erstattetes Vorbringen wiederholten. Der LH habe weitgehend Ermittlungen über dieses Vorbringen unterlassen.

Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde im Wege des LH noch eine Stellungnahme der MB zum Berufungsvorbringen und insbesondere auch zu der Frage ein, ob es sich bei der Erst-Beschwerdeführerin um eine Wassergenossenschaft im Sinne des WRG oder aber um "eine Art Gesellschaft bürgerlichen Rechts" handle. Die MB vertrat im wesentlichen den Standpunkt, daß nur eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft vorliege; die rechtlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Erst-Beschwerdeführerin als einer Genossenschaft nach Wasserrecht lägen nicht vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Juli 1989 hat die belangte Behörde "der mit 1.) öffentlich rechtliche Wassergenossenschaft L und 2.) ff deren Mitglieder" unterfertigten Berufung keine Folge gegeben, gleichzeitig jedoch den Bescheid des LH "dahin abgeändert bzw. ergänzt, daß die Einwendungen der Berufungswerber nicht als unzulässig zurückgewiesen, sondern als unbegründet abgewiesen werden".

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie finde die erstinstanzliche Bescheidbegründung als zutreffend, daß man es hier nicht mit einer Wassergenossenschaft im Sinne des WRG 1959 zu tun habe. Insbesondere scheine auch im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes M unter PZ IVV als Berechtigter der bisherigen gemeinschaftlichen Wasserversorgung die Eintragung "Wasserleitungs-Interessentschaft L, F, und Genossen" auf. Es möge dahin gestellt bleiben, ob diese Gemeinschaft ihrerseits als eine "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" zu werten sei oder als eine Streitgenossenschaft von Miteigentümern, zumal letztere selbst ebenfalls als Berufungswerber ausdrücklich angeführt seien. Untersuche man aber deren Einwendungen sachlich auf ihre Rechtserheblichkeit, so sei diese zu verneinen, und zwar sogar dann, wenn es sich tatsächlich um eine Wassergenossenschaft handeln würde. Die Aktenlage liefere keine wie immer geartete Handhabe für eine ins Gewicht fallende technische Unvereinbarkeit beider Wasserleitungen. In Wahrheit schienen die Beschwerdeführer nur einen künftigen zwangsweisen Anschluß zu befürchten, der aber hier gar nicht in Rede stehe und nach gesonderten Rechtsvorschriften zu beurteilen wäre. Diese grundlegende Einwendung sei daher nicht geeignet, dem Gemeindevorhaben wirksam entgegengesetzt zu werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich dadurch beschwert, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der MB trotz der von ihnen erhobenen Einwendungen die wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt erteilt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die MB hat eine Gegenschrift eingebracht, sie beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Die Beschwerdeführer haben in einer schriftlichen Äußerung

auf die beiden Gegenschriften repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist vom Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides, mit welchem die Einwendungen "der Wassergenossenschaft L"mangels Parteistellung zurückgewiesen worden sind. Der LH ist offenbar davon ausgegangen, daß die Erst-Beschwerdeführerin als Wassergenossenschaft parteifähig sei. Über die durch ihren Anwalt schon im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwendungen der einzelnen Mitglieder der "Wassergenossenschaft L" wurde im Bescheid des LH nicht ausdrücklich abgesprochen. Allerdings kann der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich der Zweit- bis Siebent-Beschwerdeführer sinnvollerweise nicht anders verstanden werden, als daß damit zum Audruck kommen sollte, daß sich auch die einzelnen Mitglieder der Erst-Beschwerdeführerin keine weitergehenden Rechte hätten als die Wassergenossenschaft selbst. So hat auch die belangte Behörde den Bescheid des LH aufgefaßt. (Dabei kann im vorliegenden Erkenntnis davon abgesehen werden, daß einzelne dieser Mitglieder jedenfalls als betroffene Grundeigentümer Parteistellung hatten, zumal die MB mit diesen Übereinkommen über die Leitungsverlegung geschlossen hat und diesbezüglich ein Beschwerdevorbringen nicht erstattet worden ist.)

Infolge der von allen sieben Beschwerdeführern erhobenen Berufung gegen die erstinstanzliche Zurückweisung war "Sache" des vor der belangten Behörde abgelaufenen Berufungsverfahrens die Frage der Parteistellung sämtlicher Beschwerdeführer. Die belangte Behörde ist aber darüber hinaus - ohne Klärung der Parteifähigkeit und allfälligen Parteistellung der Erst-Beschwerdeführerin und ohne Prüfung einer allfälligen Parteistellung der Zweit- bis Siebent-Beschwerdeführer - in die Sache selbst eingegangen und hat die Einwendungen sämtlicher Beschwerdeführer ausdrücklich ABgewiesen. Damit hat die belangte Behörde die Grenzen ihrer funktionellen Zuständigkeit überschritten.

Hat die Behörde erster Instanz Einwendungen mangels Parteistellung zurückgewiesen und die beantragte Bewilligung ohne sachliche Erledigung der Einwendungen erteilt, so ist "Sache" des Berufungsverfahrens nur die Frage, ob von der Behörde erster Instanz die Parteistellung zu Unrecht versagt worden ist. Sich in die sachliche Erledigung der Einwendungen einzulassen, fällt nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde. Hat sie diese Zuständigkeit verletzt, so haftet ihrem Bescheid Rechtswidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG an (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1980, Zlen. 1131, 1133/80 = Slg. 10305/A).

Diese Unzuständigkeit der belangten Behörde betrifft sämtliche Beschwerdeführer, weil sich im Sinne obiger Darlegungen aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt, daß auch die einzelnen Mitglieder der Wassergenossenschaft mit ihren Einwendungen mangels Parteistellung zurückgewiesen werden sollten. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob es sich bei der sogenannten "Wassergenossenschaft L" überhaupt um ein parteifähiges Gebilde handelt, was jedenfalls dann der Fall wäre, wenn die Erst-Beschwerdeführerin gemäß den Beschwerdebehauptungen als eine Wassergenossenschaft im Sinne des 7. Abschnittes des WRG 1959 bzw. im Sinne der wasserrechtlichen Übergangsbestimmungen anzusehen wäre. Unter der Voraussetzung, daß die Parteifähigkeit der Erst-Beschwerdeführerin zu bejahen wäre, hätte sich das fortgesetzte Verfahren in der Ministerieninstanz insoweit auf die Beantwortung der Frage zu beschränken, ob und aus welchen Gründen der Erst-Beschwerdeführerin Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zukam oder nicht; wäre auch diese Frage zu bejahen, dann ginge die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde allerdings nur so weit, den vor ihr angefochtenen Bescheid des LH zu beheben, um der Behörde erster Instanz auf diese Weise Gelegenheit zu geben, erstmals in die sachliche Erledigung der von der Erst-Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen gegen das Projekt der MB einzugehen. Anderenfalls würde der Beschwerdeführerin in der meritorischen Erledigung ihrer Einwendungen eine Instanz genommen.

Von der Beantwortung dieser die Erst-Beschwerdeführerin betreffenden Fragen hängt die weitere Behandlung der von den Zweit- bis Siebent-Beschwerdeführern erhobenen Berufung ab, zumal diese für den Fall des Zutreffens der rechtlichen Existenz und der Parteistellung der Erst-Beschwerdeführerin nicht vorgebracht haben, aus welchen Gründen ihnen als den einzelnen Mitgliedern der Erst-Beschwerdeführerin NEBEN DIESER Parteistellung im Bewilligungsverfahren zukommen sollte. Auch hinsichtlich der Zweit- bis Siebent-Beschwerdeführer geht aber die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde nicht über die Beantwortung der Frage ihrer Parteistellung hinaus.

Mit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen meritorischen Erledigung (Abweisung) der Einwendungen sämtlicher Beschwerdeführer hat die belangte Behörde somit die Grenzen ihrer durch die "Sache" des Berufungsverfahrens bestimmten Zuständigkeit überschritten, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens hatte zu erfolgen, weil das Gesetz eine gesonderte Erstattung der Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht vorsieht.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Instanzenzug sachliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070158.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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